Arnsberg. Volle Wartezimmer, lange Wartezeiten – einige Praxen haben einen Aufnahmestopp ausgesprochen. Ist das überhaupt rechtens?
„Aufnahmestopp – kommt ihr noch bei einem Hausarzt unter?“ hat diese Redaktion die Leserinnen und Leser in den sozialen Medien gefragt – und prompt Reaktionen erhalten. „Wir sind (noch) versorgt, jedoch wird unser Hausarzt wohl in absehbarer Zeit in Rente gehen“, schreibt Saskia Linn. „Mir grault es jetzt schon vor der Suche nach einem neuen Arzt.“
- Geplanter Klinikaufenthalt: Was Sie alles wissen müssen
- Klinikum Hochsauerland: Jede ZNA kommt irgendwann ans Limit
- Klinikum Hochsauerland: Unmut über rigide Besuchszeiten
Ihre Sorge ist berechtigt, denn aktuell nehmen einige Arztpraxen im Arnsberger Raum keine Neu-Patientinnen und -Patienten auf. „Aufnahmestopp“, heißt es dann am Empfang. Doch geht das einfach so? Kann ein Arzt oder eine Ärztin die Neuaufnahme in ihrer Arztpraxis stoppen und damit auch eine möglicherweise notwendige Behandlung verweigern?
Arztpraxen können neue Patienten ablehnen
„Generell dürfen Ärzte – außer in Notfällen – neue Patienten ablehnen (gemäß § 7 der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe): ‚Ärztinnen und Ärzte achten das Recht ihrer Patientinnen und Patienten auf freie Arztwahl“, so Daniel Müller, Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe. Und weiter: „Andererseits ist – von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen – auch die Ärztin bzw. der Arzt frei, eine Behandlung abzulehnen‘ - genauso wie Patienten das Recht haben, empfohlene Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen abzulehnen.“
1607 Menschen je Arzt entsprächen dem Basis-Verhältnis für die hausärztliche Versorgung. Stimme die Arzt-Patienten-Relation in einer Region mit der gesetzlichen Vorgabe überein, so betrage der Versorgungsgrad genau 100 Prozent. Liege dieser bezüglich der hausärztlichen Versorgung lediglich bei 75 Prozent, werde geprüft, ob eine Unterversorgung droht.
Der ermittelte Versorgungsgrad sei die Grundlage dafür, ob sich in Arnsberg oder Sundern zusätzliche Ärzte niederlassen können beziehungsweise welche Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung ergriffen werden könnten. Maßgeblich seien bei der Feststellung der Versorgungslage auch die Besonderheiten des jeweiligen Landes.
Gesetzliches Verhältnis: Sind Arnsberg und Sundern hausärztlich versorgt?
Arnsberg zählt laut Übersicht der hausärztlichen Versorgung vom 20. November letzten Jahres 74.323 Einwohner – bei 50 ansässigen Ärzten ergibt sich ein Versorgungsgrad von 109,6 Prozent. Und auch in Sundern befinden sich demnach genug Mediziner – bei 27741 Menschen 17,5 Ärzte, und damit ein Versorgungsgrad von 102,3 Prozent.
Dies bedeute aber nicht, dass in Arnsberg und Sundern mehr Ärzte aktiv sind als für die Bevölkerung laut Bedarfsplan notwendig oder zulässig. Der Versorgungsgrad werde in Prozent ausgedrückt und genutzt, um die Versorgung in einer Region zu bewerten.
„Ein Grund für die Entscheidung Aufnahmestopp kann sein, dass die Kapazitäten der Praxis vorübergehend ausgeschöpft sind. Dies ist bedauerlich, aber je mehr Patienten ein Arzt beispielsweise über seine Praxiskapazitäten hinaus aufnimmt, desto weniger Zeit wird er auch für den einzelnen Patienten und seine Versorgung haben“, so Daniel Müller weiter. „Wir würden es in einem solchen Fall begrüßen, wenn sich die Ärzte untereinander abstimmen und die Patienten bei der weiteren Suche unterstützen würden.“
Die Kapazitäten einer Arztpraxis könnten je nach Größe/Patientenaufkommen variieren, so die Vereinigung weiter. Zudem seien die Praxen nicht nur mit der Patientenversorgung beschäftigt. So nehme die Bürokratie viel Zeit in Anspruch. Im Durschnitt koste die Bürokratie jede Praxis 61 Arbeitstage pro Jahr. Daher fordern die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Länder-KVen im Rahmen der bundesweiten Kampagne „Rettet die Praxen“ einen klaren Bürokratieabbau.
116117 – Service, um eine Arztpraxis zu finden
Und wenn junge Menschen, die aktuell das 18. Lebensjahr erreicht haben, vom Kinderarzt zum Hausarzt wechseln möchten? Hier verweist die KVWL gerne auf das Angebot der Terminservicestelle (TSS). Die TSS unterstütze Bürger unter der Tel.-Nr. 116 117 bei der Suche nach einem Termin für die dauerhafte Behandlung bei Haus-, Kinder- und weiteren Fachärzten sowie Psychotherapeuten. „Dabei ist allerdings zu beachten, dass es sich bei dem vermittelten Termin nicht um einen Wunschtermin bei einem Wunscharzt handelt. Die TSS vermittelt Termine bei Ärzten, die über freie Kapazitäten verfügen“, erklärt Müller.
Auch interessant
- Arnsberger Mühlenbräu hat pünktlich zur Saison eröffnet
- Neubau Möthe 28 in Hüsten: Wer dort im Herbst 2024 einzieht
- Jetzt geht‘s los: Das muss man zur Schützenfestsaison wissen
Die Nutzung ist einfach: Der Button „Termine buchen“ führt zu einem Online-Formular, in welchem die Fachrichtung (hier: Hausarzt) auszuwählen, die Postleitzahl anzugeben und die E-Mail-Adresse zu nennen ist. Nach einer kurzen Identitätsüberprüfung (via Mail-Code) werden die „gefundenen Termine“ angezeigt. Die Fachrichtungen Allgemeinmedizin, Frauenheilkunde, Kinderheilkunde, Augenheilkunde und Psychotherapeutisches Erstgespräch können ohne Vermittlungscode gebucht werden – für alle anderen ist ein solcher nötig, den der überweisende Arzt herauszugeben hat.
Im Selbsttest für die Postleitzahl 59759 werden fünf mögliche Arztpraxen an verschiedenen Tagen mit zwei unterschiedlichen Uhrzeiten vorgeschlagen. Verteilt auf die nächsten vier Wochen. Der Haken: Alle genannten Arztpraxen befinden sich in Soest.
Aufgeben, bevor ein neuer Hausarzt gefunden wurde, müssen die Einwohner Arnsbergs jedoch nicht, denn eine sporadische, nicht repräsentativen Umfrage in einigen Praxen inmitten der Orte hat ergeben, dass es durchaus noch viele Praxen gibt, die keinen Aufnahmestopp ausgesprochen haben.