Bergheim. Die Nacht des 11. März wird die Familie Neuhauser nicht so schnell vergessen. Ihr Kind erleidet einen Zuckerschock. Was ihr jetzt helfen kann.

Erst krampfte ihr Arm; dann der ganze Körper. Sie wird bewusstlos. Janine Neuhauser steht unter Schock, hält ihr Kind im Arm; schreit. Ihr Mann stürzt ins Erdgeschoss. Ruft den Rettungsdienst. Die Nacht des 11. März diesen Jahres vergessen Janine (39) und Dennis (41) Neuhauser nicht so schnell. Denn in dieser Nacht glauben sie, dass ihre Tochter Jenna-Malin nicht überlebt. „Noch heute sehe ich dieses Bild, wenn ich das Kinderzimmer betrete“, sagt Janine Neuhauser. Ihr Mann, Dennis, sagt nichts. Ihm stehen die Tränen in den Augen.

Jetzt erklärt die Familie in einer Videobotschaft, wie sie dem vorsorgen möchte:

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Die neunjährige Schülerin hat Diabetes. Und das bereits seit sechs Jahren. „Es fing damit an, dass Jenna-Malin offene Hautstellen zwischen den Zehen hatte“, sagt Mutter Janine, „später fing sie an, viel zu trinken. Plötzlich nässte sie auch wieder ein, obwohl sie schon lange trocken war.“ Die Diagnose: Diabetes Typ 1. Sofort bekommt das Kind eine Diabetes-Pumpe. Wochen des Lernens, sowohl für sie als auch für die Eltern, beginnen. „Wir waren zwei Wochen im Krankenhaus, damit sie gut eingestellt wird und wir lernen, wie was funktioniert.“

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Insulinpumpe versagt - Mädchen fällt in Diabetes-Schock

Doch immer wieder zeigt die Diabetes-Pumpe falsche Werte an, setzt sogar teils aus. So auch am 11. März. „Ein paar Stunden vorher haben wir noch nach Jenna-Malin gesehen“, sagt Vater Dennis, „so wie jede Nacht.“ Denn jede Nacht stehen die Eltern mehrmals auf, um den Zuckerwert des jungen Mädchens zu kontrollieren. Wenn sie denn überhaupt schlafen können. Dennis macht seit besagter Nacht kaum noch ein Auge zu. Schläft, so sagt er, sogar teils auf der Couch, um seine Frau nicht mit seiner Unruhe zu wecken. „Ich schaue nachts mehrmals nach Jenna-Malin.“

Seit sechs Jahren lebt die sechsköpfige Familie mit dem Schicksal der jungen Jenna-Malin. Die Diabetes Typ 1 bringt oft den gesamten Familien-Rhythmus durcheinander.
Seit sechs Jahren lebt die sechsköpfige Familie mit dem Schicksal der jungen Jenna-Malin. Die Diabetes Typ 1 bringt oft den gesamten Familien-Rhythmus durcheinander. © WP | Thora Meißner

Auch Janine Neuhauser schläft nicht durch. „Aber als vierfache Mutter muss ich einfach funktionieren“, sagt sie, „ich bin ja auch noch berufstätig.“ Sie arbeitet im Klinikum Hochsauerland. Beide, so geben sie zu, benehmen sich mittlerweile schon wie „Helikoptereltern“. Insbesondere Dennis, wenn Töchterchen Jenna-Malin es sportlich mal wieder übertreibe. Das merken auch die drei Geschwisterkinder. Sechs, zehn und zwölf Jahre alt sind sie. Wissen natürlich, dass Jenna-Malin diese Aufmerksamkeit braucht. Und dennoch: Das ein oder andere Mal sind sie schon genervt.

Auf Knopfdruck Insulin vor jedem Essen

So auch Jenna-Malin selbst. Eigentlich findet sie die Diabetes-Pumpe blöd. „Ich mag sie nicht“, sagt die Neunjährige, „das Ding steht vorne am Bauch immer so ab.“ Gemeint ist das Gerät, mit dem sie via Knopfdruck die Abgabe des Insulins steuern kann. Das muss immer dann erfolgen, wenn Jenna-Malin etwas essen möchte. „Ich messe dann, drücke den Knopf - und nach zehn bis 15 Minuten kann ich essen.“ Auch muss sie die Kohlenhydrate, die sie essen möchte, ins Gerät eingeben. „Ich schaue dann in meine Butterbrotdose und gebe das dann ein - so ein Stück Brot sind sieben Gramm Kohlenhydrate.“

Sie ist ein taffes Mädchen, aktiv. Liebt Glibberschleim, ihre Playmobil-Pferderanch und Sport. „Ich tanze gerne. Und spiele gerne Basketball. Und ich male auch gerne.“ Vor allem, wenn die sportliche Agilität aus ihr herausschießt, geht der Puls der Eltern Janine und Dennis Neuhauser hoch. „Wenn sie eine halbe Stunde draußen auf dem Trampolin herumspringt, fällt ihr Blutzuckerwert im Nu in den Keller“, sagt Dennis. Da könne der Wert schnell mal auf unter 80 gehen. Der Wert 80 bis 120 sei normal.

Routiniert geht Jenna-Malin mit ihrem Equipment um

Ein Schrank voller Equipment: Vieles wird von der Krankenkasse bezahlt, einiges aber auch aus eigener Tasche. Wie beispielsweise die Pflaster, um den Sensor am Oberarm zu befestigen.
Ein Schrank voller Equipment: Vieles wird von der Krankenkasse bezahlt, einiges aber auch aus eigener Tasche. Wie beispielsweise die Pflaster, um den Sensor am Oberarm zu befestigen. © WP | Thora Meißner

Jenna-Malin zeigt ihr „Equipment“. Und, wie sie ihren Blutzuckerwert vor dem Essen misst. Sie zeigt den Diabetespumpensensor, der 24/7 auf ihrem linken Oberarm klebt. Den Katheter zeigt sie nicht. Bewusst. Denn dieser sitzt oberhalb ihres Gesäßes. „Eigentlich merke ich den gar nicht“, sagt sie, „aber es tut immer weh, wenn er gewechselt wird.“ Dies komme, so die Eltern, immer öfter vor, weil die Einstichstelle extrem gereizt sei. „Oft möchte sie die Blutzuckerkontrolle oder den Wechsel des Katheters nicht“, so Janine Neuhauser, „sie läuft dann weg oder versucht, es hinauszuzögern.“

Seit sie denken kann, führt sie dieses Leben. Ein Leben, gebunden an die Insulinpumpe. Ein Leben, das sich von jetzt auf gleich ändern kann. Vielleicht ist das der Grund, warum das lebhafte Mädchen seinen Mut nicht verliert; strahlend durch den Tag zu ziehen scheint - und hellauf begeistert ihr Zimmer samt Spielzeug vorzeigt. „Die Nacht des 11. März scheint sie gut überstanden zu haben“, sagt Janine Neuhauser, „zumindest ist es bisher noch nicht passiert, dass sie abends Angst vor dem Schlafengehen bekam.“

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Und dennoch: Die gesamte Familie leidet unter der stets lauernden Gefahr. Die Gefahr der Unterzuckerung (

Nur mit Schulbegleitung in die Grundschule

Und Jenna-Malin? Nun. Sie muss sich damit abfinden, dass gewisse Dinge in ihrem Leben nicht möglich sind. Das Übernachten bei einer Freundin; bei den Großeltern; auf Klassenfahrten - tabu. „Es ist einfach zu gefährlich, einer von uns muss in der Nähe sein“, so Vater Dennis.

Der damalige Kindergarten und die aktuelle Schule scheinen das ähnlich zu sehen. Denn als die Diagnose damals gestellt worden sei, habe die Kita Jenna-Malin nicht mehr beaufsichtigen wollen. „Wir mussten dann einen neuen Vertrag mit einer Sondervereinbarung unterschreiben“, erklärt Dennis. Auch die Schule habe Jenna-Malin anfangs nicht aufnehmen wollen. „Da haben wir aber Glück gehabt, weil eine Schulbegleitung genehmigt wurde und Jenna-Malin dadurch unter Beobachtung steht.“

Sie war und ist ein fröhliches Kind (hier drei Jahre alt) - trotz Diabetes Typ 1. Nach einem einschneidenden Erlebnis wünschen sich die Eltern einen Diabetes-Warnhund für die heute Neunjährige. 
Sie war und ist ein fröhliches Kind (hier drei Jahre alt) - trotz Diabetes Typ 1. Nach einem einschneidenden Erlebnis wünschen sich die Eltern einen Diabetes-Warnhund für die heute Neunjährige.  © WP | Privat

Janine und Dennise Neuhauser sind die ganze Zeit über erreichbar und holen Jenna-Malin auch aus der Schule ab, wenn sie Schmerzen wegen des Katheters hat oder ihr Blutzuckerspiegel schlecht ist. Dinge, die neben der eigentlichen Krankheit des Kindes an den Nerven der Familie zerren. Daher wünscht sie sich nun einen Diabetes-Warnhund, der Jenna-Malin überall hin begleiten kann.

Diabetes-Warnhund kann Jenna-Malin und ihre Eltern vorwarnen

„Mein Mann fuhr in der Nacht mit Jenna-Malin ins Krankenhaus“, sagt Janine Neuhauser, „ich musste ja bei den anderen drei Kindern zu Hause bleiben.“ Nachdem der erste Schock überwunden gewesen sei, sei ihr die Idee mit dem Diabetes-Warnhund in den Kopf geschossen.

Die Familie beginnt mit der Recherche. Macht sich schlau. Schreibt Stiftungen. Befragt Krankenkassen. Verbindet sich mit Betroffenen, die einen Diabetes-Warnhund besitzen. Und kommt letztlich zu dem Schluss: Ein Diabetes-Warnhund kann Jenna-Malin das Leben erleichtern - und auch ihnen selbst.

Denn ein Diabetes-Warnhund könne die Unterzuckerung bereits 15 Minuten vorher erkennen und Jenna-Malin warnen. Nicht nur das: Zudem könne er so trainiert werden, dass er des Nachts auf einen Knopf drückt oder aber laut losbellt, wenn der Blutzuckerwert zu weit nach unten fällt. Die Eltern des neunjährigen Mädchens könnten dann „endlich mal wieder durchschlafen“ und müssten sich keine Sorgen machen, dass der Tochter etwas geschehe, so sagen sie.

GoFundMe Spendenaktion für Diabetes-Warnhund ins Leben gerufen

Doch ein Diabetes-Warnhund sei teuer. Sehr teuer. Mit 25.000 bis 30.000 Euro rechnet das junge Paar. Denn allein die Ausbildung des Assistenzhundes koste schon über 6000 Euro (ohne Abschlussprüfung). Individuell auf Jenna-Malin betrachtet stiegen die Kosten für das ganze Drumherum um die 10.000 Euro.

Hypohund für Jenna-Malin

Ein Hypohund, so heißt es auf der Webseite der Humani-Hundeschule, ist ein Behindertenbegleithund/Assistenzhund (Diabetikerwarnhund).

Der Assistenzhund warn einen Diabetiker Typ 1 vor schwerer Unterzuckerung, aber kann auch einen zu hohen Blutzuckerwert riechen.

Er gibt ein „Signal zur Selbsthilfe“, so dass die erkrankte Person ein süßes Getränk, Traubenzucker oder Ähnliches zu sich nehmen kann. Ist die Person jedoch nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen, kann der Hypohund einen Alarmknopf betätigen und im Notfall Hilfe holen.

Die Ausbildung eines solchen Diabetes-Warnhundes ist sehr umfangreich und kostenintensiv. Informationen dazu finden Interessierte unter www.hum-ani.de (Diese Hundeschule ist der Ansprechpartner der Familie Neuhauser.)

Wer Jenna-Malin Neuhauser finanziell unterstützen möchte, kann dies über diesen Link: https://gofund.me/e8ab2730

Es sei jedoch so, dass auch Jenna-Malin in die Ausbildung des Assistenzhundes einbezogen werden müsse, da der Welpe sich ja auf sie fixieren soll. „Das beginnt schon in der Grundausbildung“, so Janine Neuhauser. Verbunden sei dies auch mit Übernachtungs- und Aufenthaltskosten „vor Ort“. Rundum eine schwierige, zeitaufwändige und teure Angelegenheit.

Diabetes-Warnhunde keine Kassenleistung

Von den Krankenkassen werden diese Assistenzhunde jedoch nicht finanziert. Vor dem Hintergrund, dass es sehr engmaschige Überwachungsmöglichkeiten des Blutzuckerspiegels gebe, so Jens Kuschel von der AOK NordWest, sei eine ergänzende Absicherung durch einen Hund bislang nicht vorgesehen. „Diabeteswarnhunde sind keine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die einzige ‚Hundeleistung‘ sind Blindenführhunde.“ Dennis Neuhauser findet es schade, denn gerade im Falle seiner Tochter sei ja erkennbar, dass es gefährlich wird, wenn das Gerät einmal nicht funktioniere. „Ich vertraue dem Gerät nicht“, sagt er, „und ich finde es schlimm, dass Diabetes immer so heruntergespielt wird.“

Um Jenna-Malin dennoch die Chance auf ein sichereres Leben zu ermöglichen, haben Janine und Dennis Neuhauser eine GoFundMe-Spendenaktion ins Leben gerufen - und hoffen so auf Unterstützung aus der Gesellschaft. Und weiß Jenna-Malin, wofür der Diabetes-Warnhund gedacht ist? „Der Hund passt auf mich auf!“, sagt sie.

Wer die Anschaffung des Diabetes-Warnhundes unterstützen möchte, kann dies unter: https://gofund.me/e8ab2730.