Neheim. Längst gehen auch schon die Kleinsten in der Pause aufeinander los - sagen Arnsberger Eltern. Lehrpersonal hält dagegen.
„Ihr Kind hat sich geprügelt und ist nun verletzt, bitte holen Sie es aus der Schule ab“, dürfte wohl die schlimmsten Erwartungen junger Eltern übertreffen. Insbesondere dann, wenn dieser Anruf aus der Grundschule kommt.
Der Ort, an dem sich die Kleinen mindestens einen halben Tag lang aufhalten. Wo sie lernen, sich mit Freunden austauschen und in diesem Sinne auch weitgehend wohlfühlen sollen.
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So erging es kürzlich nach eigener Aussage einer jungen Mutter (Name der Redaktion bekannt), deren Kind schon des Öfteren auf dem Schulhof „attackiert“ worden sein soll. Mit Beleidigungen, Bedrohungen - und auch mit der ein oder anderen Handgreiflichkeit. Auch andere Mütter berichten dieser Redaktion von ähnlichen Vorfällen, die auf dem Schulhof einer Neheimer Grundschule vorgefallen sein sollen. Da ist von Gangbildung die Rede, von Schülern, die drohen, andere Schüler zu verprügeln - und von Kindern, die all diese Vorfälle einfach so „weg resignierten“, sich in der Schule absolut passiv verhielten und bei Konfliktsituationen schnell das Weite suchten.
„Soll ich einen Neunjährigen anzeigen?“
„Gewalt an Schulen gelangt in Form einer Strafanzeige auf den Tisch der Polizei, wenn die Polizei von einem strafrechtlich relevanten Sachverhalt Kenntnis erhält“, so Flavia Lucia Rogge, Pressesprecherin der Polizei HSK, „Die Recherche für das Jahr 2023 ergab, dass es sich unter den Recherchekriterien „Örtlichkeit – Schule“ und „Tatverdächtige/r unter 14 Jahren“ (die Daten werden hier nicht konkreter nach Grundschulalter 6 bis 10 Jahre erfasst, die Erfassung erfolgt bis 14 Jahre) bei Gewaltdelikten an Schulen in erster Linie um Körperverletzung, aber auch um Bedrohung und Beleidigung handelt.“
Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass ein Vorfall unter Kindern auf dem Pausenhof einer Grundschule zunächst einmal „gemeldet“ bzw. „angezeigt“ werden müsste. „Aber soll ich einen Neunjährigen anzeigen?“, fragt die Mutter, „was muss denn erst geschehen, bis die Schule reagiert?“ Gemeint ist, dass jede Grundschule ja auch die Möglichkeit habe, die örtlichen Bezirksdienstbeamten anzusprechen und über etwaige Gewaltprobleme auf dem Schulhof zu informieren. „Ich habe den Polizisten einmal selbst angesprochen, aber dieser sagte mir, dass die Schulleitung sich melden müsse.“
„Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter täten Schulen gut“
Grundsätzlich rolle das polizeiliche Ermittlungsverfahren - wie bei jeder anderen Straftat - dann an, so Flavia Lucia Rogge weiter. Allerdings müsse bei unter 14-Jährigen gewisse Verfahrensvorschriften gewahrt werden, da Kinder in Deutschland unter einem besonderen rechtlichen Schutz stünden. „Wenn wir Strafverfahren mit Beteiligung von unter 14-Jährigen haben, fragen unsere Ermittlungsbeamten bei der Staatsanwaltschaft an, ob die Kinder angehört werden sollen. Die Staatsanwaltschaft entscheidet dann über das weitere Vorgehen.“
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Eine weitere junge Mutter (Name der Redaktion ebenfalls bekannt) berichtet von einem Vorfall, der schon etwas länger in der Vergangenheit liege. Ihr „Großer“ sei auf dem Schulhof derselben Neheimer Grundschule verprügelt worden und „niemand“ habe etwas gesehen. Mitlernende hätten ihn ins Gebäude gebracht. Der „Täter“ habe dann kurz vor den Ferien eine Suspendierung erhalten. „Viele Eltern stellen sich über ihre Kinder, so dass die Lehrkräfte gar nicht mehr durchgreifen können“, sagt sie.
Vorwiegend macht sie die sogenannten „Ballerspiele“ (Computerspiele, die zumeist erst von Jugendlichen ab 16 Jahren gespielt werden dürfen) für die Aggressionen der Schülerinnen und Schüler verantwortlich. Hier müsse die Aufklärung schon viel früher -in der Grundschule- beginnen. Außerdem wünsche sie sich eine viel höhere „Präsenz von Sozialarbeitenden“ in den Grundschulen. „Wenn das in den Grundschulen schon so anfängt, wie läuft es dann in den weiterführenden Schulen?“, fragt sie.
Stadt richtet Arbeitsgruppe „Grundschulen-Jugendamt“ ein
Für die Arnsberger Schulen lägen keine belastbaren Daten vor, so Michael John, Jugendamtsleiter der Stadt Arnsberg. „Es gibt aber Hinweise, dass die Entwicklung an Schulen auch in Arnsberg zutreffen könnte.“ Aus den Erfahrungen mit den Ereignissen bezüglich der Jugendgewalt rund um die Marktplatte Neheim seien neben einer Fachgruppe Jugendgewalt auch auf Dauer eingerichtete Arbeitsgruppen „weiterführende Schulen - Jugendamt“ und „Grundschulen - Jugendamt“ ins Leben gerufen worden. Die beiden letztgenannten Gruppen würden sich zu verschiedenen Themen im April/Mai dieses Jahres treffen, um die gegenseitige Unterstützung der Schulen und des Jugendamtes weiter voranzubringen.
Zudem sei es so, dass mittlerweile an vielen Grundschulen in der Stadt Arnsberg auch städtische Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter vom Jugendamt bzw. Familienbüro eingesetzt würden. Dies sei bereits an vielen Grundschulen Standard, wie z.B. in Moosfelde, an der Regenbogenschule oder auch an der Roten Schule und vielen weiteren. „Sicherlich ist auch an weiteren Schulen der Bedarf gegeben, damit die inhaltliche Arbeit aber qualitativ auch im Sinne der Sache funktionieren kann, musste die Stadt Arnsberg bezüglich der Aufteilung der Einsatzgebiete nach einem Sozialindex (der auch vom Land vorgegeben ist) entscheiden, wo die Fachkräfte eingesetzt werden.“
An der Röhrschule in Hüsten und der Graf-Gottfried-Schule in Neheim seien Kolleginnen und Kollegen vom Familienbüro als pädagogische Fachkräfte für soziale Gruppenarbeit und Einzelfallförderung eingesetzt. Der Begleitung und Betreuung von Kindern durch die Schulsozialarbeit an den Grundschulen in der Stadt Arnsberg seien jedoch auch Grenzen gesetzt. „Ihre Arbeit führt (leider) nicht unmittelbar dazu, dass sich Verhaltensweisen bei den Kindern sofort ändern bzw. anpassen“, so John weiter. „Die Schulsozialarbeit kann somit nur eine Unterstützung der Erziehung durch das Elternhaus darstellen und dem Elternhaus – wenn gewünscht – weitere Möglichkeiten zur Unterstützung bei Erziehungsfragen aufzeigen und anbieten.“
Schulleitung der betroffenen Schule gesprächsbereit
So sieht das auch die Schulleiterin der betroffenen Neheimer Grundschule. „Der Schulfrieden liegt uns allen sehr am Herzen“, sagt sie, „Ich bin auch etwas schockiert, dass die Eltern das nicht persönlich mit uns bzw. mit mir besprochen haben.“ Sie schließt Rangeleien und auch die ein oder andere Beleidigung nicht aus, widerspricht aber der Aussage, dass es zu den ihr von dieser Redaktion vorgetragenen Vorwürfen der Eltern gekommen sei.
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Mehrere Projekte liefen an der Grundschule, so beispielsweise „Klasse 2000“ oder auch „Heldenstark“ - und selbstverständlich gebe es auch ein präventives Schulkonzept, das die Sozialziele, die der Klassen- und Schulrat mit entscheide, unterstütze. „Wir haben ein einheitliches Classroom-Management, und ein Erziehungskonzept, das zum Beispiel auch Auszeiten einbezieht“, so die Schulleiterin weiter, „in dieser Auszeit beschäftigen sich die Schüler mit Nachdenkbögen.“
Dem Schulamt lägen keine solche Meldungen über „ihre“ Grundschule vor, sagt sie. Dennoch nehme sie das Thema natürlich ernst und wolle es mit in die nächste Pflegschafts- und Schulkonferenz nehmen.