Hüsten. Die Filmemacherin und Autorin wurde mehrfach angegriffen, ihre Oma wollte sich vor die S-Bahn werfen. Warum? Das erzählt sie in Hüsten.

„Als meine Mutter ihr erzählte, dass sie ein schwarzes Baby bekommt, wollte sich meine Oma vor die S-Bahn werfen“: Eine Aussage, die Mo Asumang auch noch heute, 60 Jahre danach, nahezugehen scheint. Worte einer Schreibkraft, die während der Zeit des Nationalsozialismus für die Schutzstaffel (SS) gearbeitet hat - und die sich trotzdem ihr Leben lang um sie kümmerte. Denn mit fünf Wochen kommt Mo Asumang ins Heim, es folgen eine Kindheit und Jugend bei Pflegeeltern - und bei ihrer Oma.

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Mo Asumangs Eltern lernten sich in den 1960-ern in der Straßenbahn kennen. Die Mutter Deutsche, der Vater Ghanaer. Er studierte Elektrotechnik. Ihr gemeinsames Kind: die heute 60-jährige Mo, deren Leben durch Rassismus geprägt wurde. „Einmal“, so erzählt sie etwa 150 Schülerinnen und Schülern am Berufskolleg Berliner Platz, „wurde ich mehrere Male mit dem Kopf auf die Motorrhaube eines Taxis geschlagen.“ Damals sei sie neben ihrem Studium Taxi in Berlin gefahren - und diesen offenkundig rassistischen Gast wollte sie aus dem Taxi bitten. Ein anderer Fahrgast habe mal nicht bezahlen wollen - und ihr dann eine Schusswaffe an den Kopf gehalten.

Nach dem Vortrag: Einige Schülerinnen und Schüler möchten ein Foto mit Mo Asumang.
Nach dem Vortrag: Einige Schülerinnen und Schüler möchten ein Foto mit Mo Asumang. © WP | Thora Meißner

In der Straßenbahn sei sie angegriffen worden. „Der hat mich dann gewürgt.“ Sie schluckt. „Der hat mich dann wirklich an der Gurgel hochgezogen und dann hing ich irgendwie in der Luft - wirklich von einer Haltestelle bis zur anderen.“

Morddrohung beschäftigt Mo Asumang

Doch erst nach der Morddrohung per Liedzeile „Und diese Kugel ist für dich, Mo Asumang“, die eine rassistische Band ins Mikro schrie, begann sie ihren ganz persönlichen Kampf gegen den Rassismus. Nicht mit Waffen, nicht mit Gegendrohungen. Nicht mit Hohn. Sondern mit Konfrontation. Sie startete Dialoge - und zwar mit Rassisten auf der Straße, Leuten vom Klu-Klux-Klan und sogar mit einem „weltweit berüchtigten Rassisten“.

„Als ich während einer Sendung mit der Liedzeile konfrontiert wurde, bin ich erstmal aus allen Wolken gefallen“, sagt sie, „das hat bei mir erstmal sehr viel Angst ausgelöst.“ All die rassistischen Erfahrungen, die sie vorher gemacht habe, seien in diesem Moment wieder hochgekommen. Und so habe sie sich dem Thema gestellt: dem Rassismus.

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Mit der Zeit habe sie gelernt, sich selbst zu reflektieren - und die Menschen um sich herum, auch die Nazis, nicht abwertend zu behandeln. „Es hat sehr viel Überwindung gekostet, tatsächlich mit dem allerersten Rassisten zu sprechen. Da ist Angst, da ist innere Wut in mir gewesen. Gewesen! Das zu überwinden und in den Dialog zu gehen, war eine riesenlange Reise.“

Mo Asumangs Reise durch die Extreme

2013 begab sie sich auf eine besondere Reise: Auf die Suche nach Identität. Die Identität der selbst ernannten „Herrenmenschen“, den sogenannten „Ariern“. Dafür begibt sich die Afrodeutsche Mo Asumang zu Pseudo-Ariern auf Nazi-Demos, trifft sich in den USA mit weltweit berüchtigten Rassisten und begegnet sogar dem Oberguru, der in den USA via Radio das Volk verhetzt.

Es hat sehr viel Überwindung gekostet, tatsächlich mit dem allerersten Rassisten zu sprechen. Da ist Angst, da ist innere Wut in mir gewesen. Gewesen! Das zu überwinden und in den Dialog zu gehen, war eine riesenlange Reise.
Mo Asumang - Regisseurin „Die Arier“

Und sie findet sie - die wahren Arier. Wo? Im Iran! Das scheint auch die jungen Heranwachsenden zu wundern, die in absoluter Stille ihrer 45 Minuten langen Schulversion der Dokumentation „Die Arier“ folgen. Große Augen. Verwunderte Gesichter.

Dem Dokumentarfilm, der erstmals 2014 veröffentlicht wurde, folgt eine lockere Fragerunde. „Wenn ein ausländischer Mitschüler einen Deutschen als ‚scheiß‘ Deutscher beleidigt, ist das für Sie dann auch Rassismus?“, fragt ein Schüler. „Das ist Diskriminierung - Rassismus ist es nicht, weil ‚der Deutsche‘ zur sogenannten Mehrheitsgesellschaft gehört“, erklärt Mo Asumang, „Ich finde das dennoch schlimm, das ist nicht cool. Und man darf das auch nicht einfach umdrehen. Das habt ihr ja gesehen - das mache ich nicht.“

Schüler des Berufskollegs Berliner Platz haben viele Fragen

Ein weiterer Schüler fragt, wie die Resonanz zum Film gewesen sei. „Naja, es hat schon ein paar weitere Morddrohungen gegeben“, antwortet sie, „auch sehr viele Mails. Aber zu dem Begriff ‚Arier‘ kam nichts.“

Die Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs Berliner Platz haben viele Fragen.
Die Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs Berliner Platz haben viele Fragen. © WP | Thora Meißner

„Wie hast du dich gefühlt, als du mitten in der Nacht den Klu-Klux-Klan getroffen hast - auch wegen der Sicherheit deines Kameramannes?“, möchte jemand wissen. „Erstmal hatte ich keinen Kameramann, sondern zwei große, blonde, blauäugige Kamerafrauen.“ Sie grinst. „Das war mein Schutz. Eine hatte total Schiss und die andere hat immer gewitzelt: Ich brauche ja keine Angst zu haben, wenn sie jemanden holen, dann bist du das ja.“ Aber sie habe, um mal ernst zu bleiben, immer auch wirklich Angst um ihr Team gehabt. „Gefühlt habe ich mich sehr unterirdisch. Ich hatte ein sehr murmeliges Gefühl.“

Mo Asumangs Gefühlswelt während dieser gefährlichen Rechersche beschreibt sie in ihrem Buch „Mo und die Arier - Allein unter Rassisten und Neonazis“, das 2016 erschien. Welche Wirkung hat Rassismus auf Beroffene? Das beschreibt sie anhand ihrer Dokumentationsrecherche.

Wichtiges Thema - auch am Berufskolleg Berliner Platz

Berthold Hohmann (Schulleiter des Berufskollegs Berliner Platz), Mo Asumang, Klaus Marschall (Lehrer am BK) und Sabrina Borgstedt (Kommunales Integrationszentrum HSK) nach einem erfolgreichen Vortrag am Berliner Platz.
Berthold Hohmann (Schulleiter des Berufskollegs Berliner Platz), Mo Asumang, Klaus Marschall (Lehrer am BK) und Sabrina Borgstedt (Kommunales Integrationszentrum HSK) nach einem erfolgreichen Vortrag am Berliner Platz. © WP | Thora Meißner

Dass das Thema „Rassismus“ auch am Berufskolleg Berliner Platz in Hüsten eine Rolle spielt, zeigen allein die Reaktionen der Schülerinnen und Schüler. Sie sind interessiert, neugierig - und teilweise auch betroffen. „Ich kann mich total mit Mos Aussagen identifizieren“, sagt ein Schüler, „ich finde es super, dass sie das macht und in Schulen geht.“

Mo:lab e.V. und seine Botschaft

„Wir wollen die Spaltung unserer Gesellschaft mit demokratischen Mitteln aufhalten“, heißt es auf der Webseite des von Mo Asumang gegründeten Vereins mo:lab e.V., „Gemeinsam für eine starke Demokratie mit Dialog, Herz und Haltung.“

Mo Asumang ist auch im Internet aktiv: Informationen rund um den Film „Die Arier“, den Film selbst und die dazugehörigen Unterrichtsinhalte finden interessierte Schulen auf den Webseiten der Bundeszentrale für politische Bildung.

Auf Instagram sowohl als Mo Asumang ebenfalls aktiv: Mo Asumang und mo:lab e.V.

Auch Klaus Marschall, der den Vortrag Mo Asumangs organisiert und koordiniert hat, ist stolz, sie kennengelernt zu haben. Vor allem aber stolz darauf, dass sie sich bereiterklärt hat, extra nach Arnsberg-Hüsten zu kommen.

Mo Asumang ist nun auf dem Weg zur nächsten Schule, zum nächsten Ort, um ihr Film- und Buchprojekt vorzustellen, vor allem aber auch, um ihren Verein Mo:lab vorzustellen. Denn diesen gründete sie, um ihre Botschaft zu teilen: „Gemeinsam für eine starke Demokratie mit Dialog, Herz und Haltung.“