Hüsten. Marinella meistert ihren Probearbeitstag im Klinikum. Doch dann folgt die Absage wegen „Sprachproblemen“. Sie fühlt sich diskriminiert.
Sie wirkt selbstsicher. Weiß, was sie kann, will, fühlt. Und spricht es aus: Sie fühlt sich diskriminiert. Aufgrund ihrer Herkunft? Ihrer Hautfarbe? Sie weiß es nicht. Was sie jedoch weiß: Sprachprobleme hat sie keine.
Doch von vorn: Marinella bewirbt sich als Empfangsmitarbeiterin im Klinikum Hochsauerland. Prompt wird sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Spricht wenige Tage später mit einer Personalerin. „Wir hatten ein tolles Gespräch“, sagt sie, „haben uns gut verstanden.“ Der ausgebildeten Kauffrau für Bürokommunikation wird nach eigener Darstellung suggeriert, dass sie die Stelle fast habe. Ein Probearbeitstag sei obligatorisch. Sie interpretiert dies als „halbe Zusage“.
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Nach zwei Tagen ist es so weit. Marinella hospitiert vier Stunden lang am Empfang. „Ich beobachtete, notierte mir Abläufe, stellte Fragen und brachte mich auch spontan ein, als alle drei ‚Kollegen‘ beschäftigt waren“, sagt die 54-Jährige. „Behandelt wurde ich jedoch eher kühl - schon abweisend.“ Von Beginn an fühlt sich Marinella nicht willkommen. Das erste Mal, seit sie in Deutschland lebt, denn bisher „wurde ich noch nie so ausgeschlossen“, sagt sie. „Ich halte die deutsche Mentalität nach wie vor für aufrichtig.“ Die Besucherinnen und Besucher des Empfangs grüßen sie freundlich, sind ihr gegenüber aufgeschlossen. Von ihnen fühlt sich Marinella respektiert.
Offenen Rassismus erlebt sie auch an diesem Tag nicht. Jedoch scheinen ihr Dinge, die in diesen vier Stunden geschehen, später als Fauxpas ausgelegt zu werden. „Ich habe gefragt, ob ich mein Handy aufladen darf - und der ‚Kollege‘ bejahte“, sagt sie, „hinterher warf man mir dies vor und meinte, dass dies ja schon an ‚Stromdiebstahl‘ grenze.“ An diesem Tag schaut sie trotz gewisser Kühle optimistisch auf ihre Zukunft - glaubt, sich bewiesen zu haben.
Vermeintliche Sprachbarriere als Grund für die Absage
Fünf Tage später die Ernüchterung. „Die Personalerin rief mich an und bat mich erneut um ein persönliches Gespräch. Ich dachte, ich könnte nun meinen Arbeitsvertrag unterschreiben.“ Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Personalerin teilt ihr mit, so sagt sie, dass „sie nicht ins Team passe“ - aufgrund der „vorliegenden Sprachbarrieren“.
Marinella ist schockiert. Sprachlos. Seit 1986 lebt sie in Deutschland, spricht die deutsche Sprache fließend. Arbeitete bereits in einer Versicherung, am Empfang einer großen Bank und auch in einer Arztpraxis. Und jetzt schließt man sie wegen angeblich „vorliegender Sprachbarrieren“ aus?
Sie wendet sich an ihre gute Freundin Helga, erzählt ihr unter Tränen von der Absage. Sind die angeblichen Sprachprobleme nur ein vorgeschobener Grund für „versteckten Rassismus“? Geht es hier um ihre Herkunft? Um ihre Hautfarbe? Darum, dass sie bereits über 50 Jahre alt ist? Dies möchte auch ihre Freundin Helga wissen und schreibt postwendend eine E-Mail an das Krankenhaus. Sie erhält noch am selben Tag die Antwort: „Wir dürfen Informationen über den Bewerbungsstand nicht an Dritte weitergeben.“ Datenschutz. Verständlich. Helga sieht in dieser Antwort, die zudem enthält, dass man nicht wisse, um welche Person es gehe, jedoch nur eine „Floskel“. Den Versuch, auf eine möglicherweise vorzuwerfende Diskriminierung nicht reagieren zu müssen.
Denn mangelnde Sprachkenntnisse und/oder eine undeutliche Aussprache sieht auch Freundin Helga bei Marinella nicht. Sprachbarrieren fallen auch im persönlichen Gespräch mit dieser Redaktion nicht auf - im Gegenteil: Sie spricht einwandfreies und verständliches Deutsch.
Liegt ein Verstoß gegen das Gesetz vor?
Benachteiligungen gem. AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz), das es seit 2006 gibt, sind dann verboten, wenn sie auf persönlichen Merkmale beruhen. Diese sind in § 1 aufgezählt: „Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität“.
Die Sprache an sich wird dort nicht explizit aufgeführt, doch die Rechtsprechung sieht die Abgrenzung zu den sprachlichen Fähigkeiten des Betroffenen für das Merkmal der ethnischen Herkunft als eher schwierig an. Soll heißen, dass viele Urteile sich auf der Auffassung gründen, dass die Muttersprache typischerweise mittelbar auch mit der Herkunft verbunden ist (Quelle: kupka-stillfried.de).
Das sieht Daniel Büenfeld von der Antidiskriminierungsarbeit im Caritasverband Arnsberg-Sundern, ähnlich. „Der Sachverhalt, wie er mir geschildert wurde, hat einen faden Beigeschmack“, sagt er, „dass sie sich subjektiv betrachtet nicht wohlfühlt, kann ich nachvollziehen.“ In der Begründung angeblich vorhandener Sprachbarrieren sieht er „keinen gerechtfertigten Grund, sie aufgrund der Sprache auszuschließen“, da diese nachweislich nicht vorlägen. „Das ist in meinen Augen eine rechtlich nicht zulässige Ablehnung.“
Absage legitim - Begründung diskriminierend?
Doch Marinella geht es nicht darum, eine Einstellung zu erstreiten. Die Absage an sich sieht sie als völlig legitim an, schließlich sei es immer die Entscheidung des Unternehmens, jemanden einzustellen oder eben nicht. Die Begründung jedoch sieht sie als vorgeschobenes Argument. Sie fühlt sich diskriminiert. „Es geht mir nicht darum, einen Fehler bei den anderen zu suchen“, sagt sie, „es geht mir nur darum, die Argumentation der Absage zu verstehen.“
Das Klinikum Hochsauerland bittet auf Anfrage dieser Redaktion über seinen Sprecher Richard Bornkeßel um Verständnis, dass er allein schon „aus Datenschutzgründen keine Stellungnahme zu laufenden oder stattgefundenen Einstellungsverfahren oder Personalgesprächen“ geben könne. „Grundsätzlich möchte ich aber darauf hinweisen, dass im Klinikum Hochsauerland und den Tochtergesellschaften in der Summe mehr als 3300 Beschäftige aus über 70 Nationen tätig sind. Die gute Zusammenarbeit von Menschen aus unterschiedlichen Nationen und Kulturkreisen ist daher gelebte Praxis“, so Richard Bornkeßel abschließend.