Hüsten/Sundern. Der Fall zweier Tuberkulose-Erkrankungen im Umfeld einer Kita in Sundern beunruhigt Eltern. Fachärzte und Gesundheitsamt klären auf.

„Die Tuberkulose ist das Chamäleon der Medizin“, sagt Dr. Hartwig Schnell. Er ist Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie am Standort Karolinen-Hospital des Klinikums Hochsauerland. Er erklärt auf Nachfrage unserer Redaktion die Hintergründe einer ohne Testnachweis nicht immer leicht erkennbaren Krankheit. Zudem beantwortet das Gesundheitsamt die am häufigsten gestellten Fragen der Eltern, die am gestrigen Dienstag im Rahmen einer Info-Veranstaltung in der betroffenen KiTa in Sundern augeklärt worden sind.

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Woran erkenne ich den Unterschied zwischen „normalem“ Husten und Tuberkulose?

Hier beginnt das Problem. „Das kann man nicht so einfach“, sagt Dr. Hartwig Schnell. Die Tuberkulose ist eine bakterielle Infektion und kann sich auf unterschiedliche Organe setzen und „alle möglichen“ Symptome haben. „Blutiger Auswurf beim Husten sollte aber immer abgeklärt werden“, sagt der Mediziner. Die Krankheit müsse aber nicht immer mit Husten verbunden sein.

Was sind die speziellen Tuberkulose-Symptome?

Grundsätzlich seien Patienten, so Schnell, in einem geschwächten Zustand. Nachtschweiß, Fieber und Gewichtsverlust treten auf. Der Husten - mit oder ohne Auswurt - gilt ebenfalls als ein Leitsymptom. Vereinzelt wird auch von Schmerzen in der Brust und Atemnot berichtet. Hartwig Schnell verweist auf den Unterschied zwischen offener Tuberkulose, bei der die Bakterien durch Husten ausgeworfen werden, und geschlossener Tuberkulose. Bei dieser sind andere Organe betroffen. Hier könne es passieren, dass die Bakterien im Körper schlummern und später in Phasen von Immunschwäche aktiviert werden. Daher werden Patienten, die immunabwehrreduzierende Medikamente einnehmen müssen, immer vorher auf Tuberkulose getestet. „Kinder sind in der Regel aber primär infiziert“, sagt Dr. Hartwig Schnell. Das heißt, dass sie sich über die Atemwege neu infiziert haben.

Rechtzeitig und erkannt und behandelt ist Tuberkulose heute gut heilbar. Da muss man den Leuten auch etwas die Angst nehmen“
Hartwig Schnell - Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie am Standort Karolinen-Hospital des Klinikums Hochsauerland

Wie sollten Eltern reagieren, wenn sie einen Verdacht haben?

„Da gilt es immer, zunächst den Hausarzt oder Kinderarzt aufzusuchen“, sagt Dr. Hartwig Schnell. Bei der Anmeldung sollte der Verdacht mitgeteilt werden.

Wie wird getestet, insbesonders bei Kindern?

Das Gesundheitsamt im HSK testet in Abhängigkeit vom Alter per Hauttest oder Blutentnahme. Bei Kindern unter 5 Jahren wird gegebenfalls geröntgt.

Wie schütze ich mich als Angehöriger oder die Geschwister?

Bei einem Verdachtsfall sollten Angehörige sofort FFP2-Masken nutzen. „Die sind ein guter Schutz“, sagt der Klinikum-Mediziner. Grundsätzlich seien zudem die allen noch aus der Coronazeit bekannten Hygieneregeln (Händewaschen, Maske, Abstrand) hilfreich. Bei bestätigten Fällen müssen die Patienten isoliert werden, weil Patienten bei einem Nachweis auch infektiös sind. „Das kann vier bis sechs Wochen dauern“, so Schnell. Bei kleinen Kindern müsste bei einer stationären Isolierung in der Regel auch eine Bezugsperson dabei sein.

Sollte ich mich in eine Quarantäne begeben?

Das Gesundheitsamt verfolgt bei bestätigten Infektionsfällen die möglichen Ansteckungsketten und versucht die Kontaktpersonen zu ermitteln. Das Kreisgesundheitsamt gibt dann Handlungsanweisungen. Die Ausbreitung der Tuberkulose sei häufiger in sozial prekäreren Umfeldern, Entwicklungsländern und auch bei besonders anfälligen immungeschwächsten Personen sowie Suchterkrankten.

Wie lange bin ich ansteckend?

„Das Ausmaß der Infektiosität einer Lungentuberkulose hängt insbesondere von der Erregerlast ab. Unter einer wirksamen Tuberkulosetherapie nimmt die Vermehrungsfähigkeit der Bakterien rasch ab, so dass an infektiöser Lungentuberkulose Erkrankte in der Regel innerhalb von zwei bis drei Wochen nicht mehr ansteckungsfähig sind. Bei ausgeprägten klinischen und radiologischen Befunden mit hoher Erregerlast oder bei Vorliegen einer resistenten Tuberkulose kann eine Infektiosität auch länger bestehen. Gerade bei resistenter Tuberkulose ist es nicht ausreichend, allein die Konversion der Sputummikroskopie von einem positiven auf einen negativen Befund für die Beurteilung der Ansteckungsfähigkeit im Therapieverlauf heranzuziehen. Die Einschätzung des individuellen Falls und die Entscheidung über die Aufhebung von Isolierungsmaßnahmen bedarf einer individuellen ärztlichen Beurteilung, bei der die bakteriologischen Befunde, aber auch Aspekte wie Therapieadhärenz sowie klinisches und ggf. auch radiologisches Ansprechen mit berücksichtigt werden“, so ein Mediziner des Gesundheitsamtes.

Kann die Krankheit auch von selbst ausheilen, oder muss ich unbedingt zum Arzt und Medikamente nehmen?

Tuberkulose ist immer eine behandlungsbedürftige Erkrankung.

Welche Spätfolgen kann Tuberkulose für Kinder und auch Erwachsene haben?

„Rechtzeitig erkannt und behandelt ist Tuberkulose heute gut heilbar“, sagt Dr. Hartwig Schnell, „da muss man den Leuten auch etwas die Angst nehmen.“ Tuberkulose kann mit länger einzunehmenden Antibiotika erfolgreich behandelt werden. „Eventuell können im Röntgenbild sichtbare Narben auf der Lunge zurückbleiben“, sagt Dr. Hartwig Schnell. In Einzelfällen können Bakterien auch schlummernd im Körper zurückbleiben und sich auch noch Jahrzehnte später aktivieren.