Arnsberg. Susanne Weidlich will Wohlbefinden für Körper und Geist erzielen - bei Reporterin Anja Jungvogel hat es funktioniert.

Völlig abgehetzt erscheine ich zum Treffen im Yoga-Bau in Oeventrop. Rote Ampeln, Stau auf der Autobahn, Tatütata kurz vor dem Ziel. Mist, jetzt habe ich nur 30 Minuten Zeit, dann muss ich schon wieder weiter. „Und dabei bist du hier noch gar nicht angekommen“, begrüßt mich Susanne Weidlich. Sie ist Klangschalen-Therapeutin und hat mich sofort durchschaut. „Komm‘ erst einmal zur Ruhe und ziehe deine Schuhe aus.“

Susanne nimmt meine Hand und führt mich in einen gemütlichen Raum mit Fußbodenheizung und Kerzenschein. Ihre Hände fühlen sich warm und angenehm an. Auch ihre Stimme klingt vertraut, obwohl ich dieser Frau noch nie zuvor begegnet bin. 1000 Fragen brennen mir auf der Zunge. Wie wird man Klangschalen-Therapeutin und was ist das eigentlich?

Es gibt unterschiedlich große Klangschalen, die vielfältige Töne und Schwingungen erzeugen.
Es gibt unterschiedlich große Klangschalen, die vielfältige Töne und Schwingungen erzeugen. © WP | Anja Jungvogel

„Ich zeige es dir“, sagt sie statt zu antworten und reicht mir eine Yoga-Matte und ein Kissen. Hinlegen, entspannen. So einfach ist das im hektischen Alltag aber normalerweise nicht. Doch damit kennt Susanne Weidlich sich aus. Die 55-Jährige ist nicht etwa abgehoben oder schwebt esoterisch in anderen Sphären. Von Montag bis Donnerstag arbeitet sie völlig bodenständig als Bürokauffrau in einer Firma im Sauerland.

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Der Freitag ist frei und zwar für spirituelle Stunden. Klangreisen mit Fantasie und Seelenheil. So langsam fange ich an zu begreifen. Mit mir im Raum befindet sich Elly Richter. Sie leitet in Arnsberg eine Selbsthilfegruppe für Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind. „Wenn die Seele leidet und der Geist grübelt, kann der Körper nicht gesund werden“, meint sie. Einmal im Monat kommt Elly mit sechs bis acht Teilnehmerinnen ihrer Gruppe hier nach Oeventrop, um bei Susanne Weidlichs Klangreisen zu entspannen.

Wohin reisen wir denn, frage ich mich und spüre sogleich, wie mich die Vibration der sogenannten Beckenschale berührt, die mir Susanne behutsam auf den Bauch setzt. Die Klänge dringen ins Tiefste des Körpers, vielleicht sogar bis in die Seele. Nach fünf Minuten bin ich komplett entspannt.

Susanne Weidlich zeigt einige ihrer Geräte im Yoga-Bau in Oeventrop.
Susanne Weidlich zeigt einige ihrer Geräte im Yoga-Bau in Oeventrop. © WP | Anja Jungvogel

Der nächste Termin ist urplötzlich aus meinem Kopf verschwunden. Wird schon alles gut gehen, denke ich und merke, dass ich loslassen kann. Ich spüre, wie sich mein Brustkorb beim Atmen auf und nieder bewegt, wie das Blut vom Herzen bis in die Finger und Fußspitzen hineinpulsiert. Wir reden gar nicht viel. Ich notiere auch nichts in meinen Schreibblock. Hier geht es vielmehr um das Fühlen. „Wohlfühlen, entspannen, zu sich selbst finden, mit sich im Einklang sein“, sagt Susanne Weidlich dazu.

Elly nickt. Eine Brustkrebsdiagnose zog für sie kräftezehrende Behandlungen, Chemotherapie, Bestrahlungen und Operationen nach sich. Das alles hat Elly nun überstanden, überlebt. „Aber es hinterlässt erhebliche körperliche und seelische Spuren. Daher hat unsere Selbsthilfegruppe überlegt, was wir unternehmen können, um dem Körper und der Seele etwas Gutes zu tun.“

Nach ein paar Besuchen bei Susanne Weidlich im Yoga-Bau in Oeventrop, haben die Teilnehmerinnen der Selbsthilfegruppe festgestellt, dass Klangtherapie definitiv Positives bewirken kann. „Die Schwingungen und der Klang der Schalen wirken unterstützend bei Verspannungen und Schlafproblemen. Eine Behandlung in Form einer Klangreise wirkt dem Stress entgegen und stärkt die Selbstheilungskräfte“, meint Elly. Was bei Krebspatienten sehr wichtig sei, damit Krebszellen keine Möglichkeit bekommen, sich neu zu bilden.

„Jede Klangbehandlung und jeder Ton ist einzigartig und dient in erster Linie der Entspannung“, sagt Susanne Weidlich. Sie streift mit dem Filzschlegel die Schale. Auf diese Weise hat die Theapeutin schon viele Menschen mit auf die „Reise“ genommen. Frauen, Männer, Jugendliche, Kinder. Schmunzelnd erinnert sie sich an eine Familiensitzung, wo die 16-jährige Tochter sich erst gesträubt hat. „Dann fand ich den Zugang zu ihr und sie ließ sich fallen“, erinnert sich Susanne. „Das war für uns beide eine faszinierende Erfahrung und so gar nicht uncool.“

Nach all dem habe ich doch glatt die Zeit vergessen. Jetzt muss ich aber los und mich bei meinem nächsten Interviewpartner entschuldigen, dass ich zu spät komme. Als ich ihn anrufe, klingt er überrascht und meint, er habe unseren Termin total verschwitzt. Dann fragt er, ob wir uns nicht morgen treffen könnten. Und jetzt raten Sie mal, was ich geantwortet habe?