Hachen. Die Anwendungen im Art of Cryo Lab von L&R Kältetechnik sollen Körper und Geist stärken. Ob es hilft? Wir machen den Test.

Lediglich mit einer kurzen Sporthose bekleidet stehe ich in einer silbernen Kammer mit Glastür. An den Händen Handschuhe, den Mund bedeckt ein Mundschutz, wie wir ihn seit Corona nur allzu gut kennen. Die Ohren schützt eine Mütze, meine Füße stecken in knöchelhohen Stiefeln. Oberkörper, Arme und Beine sind nackt. Eine kleine Digitalanzeige außerhalb der Kammer zeigt die Temperatur an. Ich befinde mich in Minus 85 Grad. Der erste tiefe Atemzug schmerzt leicht in den Lungenflügeln, schnell gewöhne ich mich daran.

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Sebastian Rüßmann steht vor einer der Kältekammern des Art of Cryo Lab.
Sebastian Rüßmann steht vor einer der Kältekammern des Art of Cryo Lab. © Eric Claßen | Eric Claßen

Insgesamt vier Minuten und eine Sekunde lang soll ich in der Kammer bleiben. Das hat eine vorherige Analyse meiner Körperdaten ergeben. In einem großen Bodyscan werden Körpergröße, Gewicht, Körperhaltung und vieles mehr festgestellt und digitalisiert. Karina Papenkort-Wahle, Leiterin des Art of Cryo Lab der Firma L&R Kältetechnik in Hachen, hat zuvor mit mir ein Anamnese-Gespräch geführt und mir ein Tablet übergeben. Hierauf habe ich einen Fragebogen ausgefüllt und beispielsweise angegeben, ob ich Vorerkrankungen habe. „Sicherheit und die Gesundheit unserer Kundinnen und Kunden stehen an oberster Stelle“, erklärt Papenkort-Wahle. „Im Zweifel schicke ich lieber jemanden erst einmal zum Arzt, bevor er hier an einer Anwendung teilnimmt.“

Das Art of Cryo Lab ist der kälteste Ort im gesamten Sauerland. Insgesamt drei Kammern mit -75, -85 und sogar -110 Grad sind in dem umgebauten Gebäude installiert. Früher befand sich an der Hachener Straße 70 das Textilhaus Kemper. Cryo stamme dabei vom griechischen Begriff Kryo, der wiederum Extremkälte oder Tiefstkälte bedeute. „Wir können hier auf künstliche Art und Weise eine Kälte erzeugen, die es so auf natürliche Art und Weise auf der Welt gar nicht gibt“, erklärt Geschäftsführer André Rüßmann von L&R Kältetechnik. Die bislang höchste dokumentierte natürliche Kälte liegt bei knapp -68 Grad in Sibirien.

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„Wir erzeugen mit unseren Geräten eine trockene Kälte, die wesentlich angenehmer zu ertragen ist, als dies beispielsweise bei Kälte mit hoher Luftfeuchtigkeit der Fall ist“, sagt Rüßmann. Das merke ich auch beim Selbstversuch in sprichwörtlich eisiger Kälte. Nach wenigen Sekunden fange ich automatisch an, mich in der Kälte zu bewegen. Überall dort, wo die nackte Haut der Kälte ausgesetzt ist, fangen die Muskeln an, binnen weniger Sekunden zu kribbeln. „Durch die kurze aber intensive Abkühlung wird die Durchblutung angeregt. Endorphine werden ausgeschüttet“, erklärt André Rüßmann den Sinn.

Ab in die Kälte. In der Kammer sind es -85 Grad. 
Ab in die Kälte. In der Kammer sind es -85 Grad.  © L&R Kältetechnik | L&R Kältetechnik

Besonders im Bereich des Profisports habe die Kältekammer an Bedeutung gewonnen. „Wir haben im Kienbaum-Zentrum in Berlin eine solche Kältekammer installiert. Dort trainieren deutsche Olympioniken und Paralympics-Sportler. Aber auch einige der führenden deutschen und internationalen Fußballvereine setzten diese oder vergleichbare Technik ein. Wir wissen zum Beispiel, dass manche Fußballvereine sogar in der Halbzeitpause ihre Spieler kurz in die Kältekammer schicken, um sich zu erholen und dann in den zweiten 45 Minuten fitter ins Spiel zu schicken.“

Nach vier Minuten ist meine Kälte-Einheit an diesem Tag beendet. Ob es Einbildung oder tatsächlich die Wirkung spürbar ist, weiß ich nicht genau. Aber in der Tat fühle ich mich nach dem kurzen Kälteschock etwas fitter, deutlich konzentrierter und ausgeglichener. „Ihr Schlaf wird deutlich ruhiger“, verspricht mir Karina Papenkort-Wahle, die selbst mittlerweile regelmäßig in die Kältekammer geht und stolze fünf Minuten aushält. „Ich höre dabei dann Musik. Das macht die Zeit dort drin kurzweiliger“, empfiehlt die Studioleiterin, die gemeinsam mit Kollegin und Cyro-Expertin Sina Wunderlich Interessierte berät. Besonders für Menschen mit Rheuma oder Migräne seien die Anwendungen hilfreich.

Karina Papenkort-Wahle leitet das Studio gemeinsam mit Kollegin Sina Wunderlich.
Karina Papenkort-Wahle leitet das Studio gemeinsam mit Kollegin Sina Wunderlich. © Eric Claßen | Eric Claßen

Neben den Kältekammern, dem Herzstück des modernen Labors, befinden sich auf den 250 Quadratmetern auch noch zwei weitere Anwendungsbereiche. Beim sogenannten Flow-System liegt man mit den Beinen in einer Röhre. Durch abwechselnden Über- und Unterdruck erlebt man ein passives Gefäßtraining. Individuell wird auf das jeweilige Profil des Kunden Dauer, Intensität und Sequenz angepasst. Selbiges gilt auch für das MCS. Hinter dem Kürzel verbirgt sich ein Multi-Cryo-Hacking System. In einer speziellen Kammer erlebe ich eine Mischung aus Lichttherapie, ionisiertem Sauerstoff, Tiefenwärme und Aromatherapie.

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L&R aus Hachen gilt als Weltführer auf dem Markt der Tiefkältetechnologie. Seit fast 30 Jahren fertigt das inhabergeführte Unternehmen aus Hachen Tiefkältekammern. Vor vier Jahren begann man mit dem Direktvertrieb. Damals entstand auch die Idee für das Art of Cryo Lab. „Wir möchten zum einen unseren Kunden eine ganzheitliche Lösung bieten. Zum anderen sollen hierdurch auch die Anwendungen, die man sonst eher in der Kur ausprobieren kann, auch im Alltag zur Verfügung stehen“, sagt Geschäftsführer Sebastian Rüßmann. Noch zahlen keine gesetzlichen Krankenkassen die Anwendungen. Privatkassen dagegen würden die Kosten zum Teil übernehmen.

Karina Papenkort-Wahle erklärt, wie das Flow-System funktioniert.
Karina Papenkort-Wahle erklärt, wie das Flow-System funktioniert. © Eric Claßen | Eric Claßen

Grundsätzlich erfahre das Thema Cryo in Deutschland spätestens seit Corona ein wachsendes Interesse. „Die Menschen wollen nicht nur Schmerzen lindern, sie wollen auch präventiver agieren und ihrem Körper etwas Gutes tun. Die Nachfrage bei unseren Kunden steigt“, betont Sebastian Rüßmann. Am 16. März findet im Art of Cryo Lab ein Tag der offenen Tür statt. Interessierte sind eingeladen. „Man kann aber auch zu unseren regulären Öffnungszeiten: montags bis freitags von 10 bis 12 Uhr sowie von 16 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr vorbeischauen und sich beraten lassen“, sagt Karina Papenkort-Wahle.