Arnsberg/Sundern. Lebensmittelretter kämpfen gegen Verschwendung: In Arnsberg und Sundern retten 80 Foodsaver jede Woche Tonnen von Essen.
Joghurt, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum schon mehrere Monate abgelaufen ist, wird gegessen. Mehrere Kilogramm Äpfel mit braunen Stellen und Druckstellen. Kein Problem, die lassen sich prima zu Mus oder Saft verarbeiten.
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Foodsaver (auf Deutsch Lebensmittelretter) sind nicht wählerisch, was die Auswahl des täglichen Essens betrifft. Vielmehr sind sie kreativ, um möglichst viel verderbliche Ware vor der dem Wurf in die Mülltonne zu bewahren. Kevin Stodt ist so ein Lebensmittelretter. Er ist Botschafter für den Bezirk Arnsberg-Sundern und setzt sich dafür ein, dass in diesem Gebiet möglichst viele Lebensmittel vor der Verschwendung bewahrt werden.
In Berlin gegründet
Rund 80 Personen aus Arnsberg und Sundern machen mit und unterstützen das Projekt „foodsharing“ (Lebensmittel teilen). Entstanden ist es 2012 in Berlin. Mittlerweile gibt es 600.000 Privatpersonen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich dafür einsetzen, Lebensmittel abzuholen und zu teilen, da sie sonst entsorgt würden.
Das Prinzip, das dahintersteckt, ist im Grunde einfach. Die freiwilligen Helfer steuern Supermärkte, Bäckereien, Metzgereien, Restaurants, Hotels oder Lebensmittelgeschäfte an, um dort aussortierte Lebensmittel abzuholen. Diese werden dann schnell an Mitglieder der Community und weitere Freunde und Bekannte verteilt. „Dabei musst du spontan sein. Oft bekomme ich von einem Supermarkt einen Anruf. Dann muss ich binnen einer Stunde dort sein, um die Lebensmittel abzuholen, andernfalls würden sie noch am selben Abend in der Mülltonne landen“, sagt Kevin Stodt. „Wir retten so viele Lebensmittel wie möglich.“ In manchen Wochen mehrere Tonnen davon.
Oft finde er an der Rampe eines Supermarktes ganze Tüten voll mit Brot und Backwaren unterschiedlichster Art. „Häufig sind die Brote noch warm. Es hängt damit zusammen, dass von der Branche gewünscht wird, dass Kunden beim Betreten des Marktes frische Ware vorfinden. Nicht alles wird aber verkauft, sodass gewaltige Mengen jeden Tag entsorgt werden müssen“, erklärt Stodt.
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Die Supermärkte gingen unterschiedlich mit der Rettung von Lebensmitteln um. „Wir arbeiten mit einem Unternehmen zusammen, das unsere Arbeit sehr gut findet und uns beinahe täglich informiert, wenn Lebensmittel von uns abgeholt werden können. Gleich mehrere Filialen dieser Kette dürfen wir ansteuern. Solch eine Einstellung pflegt aber nicht jede Kette. Ich weiß von einem Fall, dass die Filiale einer anderen Kette sehr gerne nicht verkaufte Lebensmittel abgeben würde. In diesem Fall hat die Zentrale das aber verboten“, betont Kevin Stodt.
Rezepte werden ausgetauscht
Unterstützung erhält Stodt auch von Heike Vieth. Die Oeventroperin ist ebenfalls Lebensmittelretterin. „Meine Tochter hat mich auf die Idee gebracht. Mittlerweile helfe ich jede Woche mit und verteile auch Lebensmittel in der Nachbarschaft und in meinem Bekanntenkreis“, sagt Vieth. Untereinander tausche man auch Rezepte aus, wie man beispielsweise aus jeder Menge Brot Kuchen backen oder wie man Rosenkohl, Bananen oder Spargel abwechslungsreich zubereiten könne. Denn gerade, wenn ein Gemüse oder eine Obstsorte Saison habe, sei es oft der Fall, dass man mehrere Wochen davon die nicht abverkauften Reste erhalte. So sagt dann auch eine Nachbarin, die gerade bei Heike Vieth zu Besuch ist und Lebensmittel abholt: „Ich habe jetzt drei Wochen lang immer wieder Rosenkohl gegessen. Ich kann keinen Rosenkohl mehr sehen.“ Zur ihrer Freude nimmt sie Grünkohl mit. „Den hatte ich jetzt schon länger nicht mehr. Toll!“
Manchmal lerne man auch neue Gemüsesorten kennen. Gerade bei nicht so geläufigen Gemüse- oder Obstsorten sei das der Fall, erklärt Stodt. „Wie bereitet man denn Fenchel zu?“, fragt eine Bekannte von Heike Vieth, die ebenfalls Lebensmittel retten möchte.
Vieth und Stodt haben übrigens einen extra Online-Kursus zum Thema Hygiene besucht, um sich den richtigen Umgang mit Lebensmitteln anzuschauen. „Darauf wird großen Wert gelegt. Es dürfen keine offenen Haare getragen werden“, weiß Heike Vieth. „Selbiges gilt auch für das Einhalten von Kühlketten bei Fleisch, Fisch oder Milchprodukten“, sagt Stodt. Es gebe Regeln, an die sich Foodsaver halten sollen. So soll man Respekt gegenüber dem Produkt zeigen, aber auch gegenüber dem Betrieb, der seine Waren zur Verfügung stelle.
Lebensmittelretter Stodt hofft, dass künftig noch mehr Betriebe unterschiedlichster Art bereit sind, mitzumachen. Denn nur so gelinge es, noch mehr Lebensmittel vor der Mülltonne zu bewahren. Und auch nur so könne die Gruppe der Foodsaver in Arnsberg und Sundern weiter wachsen. Die Warteliste sei lang und man hoffe, dass Personen nachrücken könnten. Jeder Lebensmittelretter erhält einen Ausweis, um den Mitarbeitern eines Unternehmens zeigen zu können, dass man berechtigt ist zum Abholen der Produkte.