Arnsberg. Nach 146 Jahren stellt Traditionsunternehmen Becker Druck die Produktion ein. So geht es jetzt weiter
In wenigen Tagen endet ein gutes Stück Wirtschaftsgeschichte in Arnsberg: Das Traditionsunternehmen Becker Druck stellt die Produktion ein. Und doch geht es weiter: Unter dem Namen Becker Druck hält Geschäftsführer Michael Glück in einem Vertriebsbüro des neues Partners Mediaprint Gruppe (Paderborn) die Stellung, während sich Christine Becker Gedanken macht, wie das ihr so ans Herz gewachsene Gelände künftig mit neuem Leben gefüllt werden kann.
Geschäftsführerin Christine Becker muss in diesen Tagen immer wieder mit den Tränen kämpfen. „Wir gehen den Weg mit ganz viel Herzschmerz“, sagt sie, „aber wir sind davon überzeugt, dass es so richtig ist.“ Die 59-jährige Arnsbergerin hätte das Traditions- und Familienunternehmen Becker Druck gerne in die Hände ihrer Tochter Carolina Glück (25) und damit an die fünfte Generation übergeben. Am Ende aber fällten Mutter und Tochter gemeinsam mit Geschäftsführer Michael Glück eine schwierige strategische Entscheidung. 146 Jahre nach der Firmengründung wird Ende Februar 2024 die Druckproduktion an der Arnsberger Grafenstraße eingestellt.
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Die Marke Becker Druck bleibt - in einem Vertriebsbüro unter dem Dach der Mediaprint Gruppe aus Paderborn und unter der Leitung von Michael Glück (63). Mit zwei weiteren Mitarbeitenden will er aus Arnsberg heraus die Kunden betreuen. „Für die wird sich nichts ändern“, sagt Michael Glück. Gedruckt wird nicht mehr in Arnsberg - sehr wohl beraten, Preise abgesprochen und ausgeliefert. „Noch bis zum 29. Februar läuft die Hauptproduktion Werbedruck am jetzigen Standort. Die Mehrheit der 24 Mitarbeitenden, die ihren Arbeitsplatz verlieren, sind davon betroffen. Die weiteren Bereiche arbeiten bis zum 31. August weiter.
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„Das Team liegt mir am Herzen“, sagt Carolina Glück, „ich bin doch hier im Betrieb groß geworden.“ Und so legt die Geschäftsführung Wert darauf, dass die Belegschaft gut unterkommt und will dabei auch mit allen Möglichkeiten unterstützen. Mediengestalter würden zum Beispiel bei Bewerbungen helfen. „Da setzen wir alle Hebel in Bewegung“, so die 25-Jährige. Für die vier Auszubildenden gebe es schon konkrete Perspektiven.
Keine wirtschaftliche Schieflage
1993 hatten Christine Becker und Michael Glück gemeinsam die Geschäftsführung übernommen - in einer für das Unternehmen ganz schwierigen Zeit an der Kante zum Konkurs. Seitdem hat sich Becker Druck wieder positiv auf dem Werbedruck-Markt entwickelt. Auch durch die Coronazeit war der Betrieb gut gekommen. 500 Tonnen Papier wurden zuletzt pro Jahr bei Becker Druck verarbeitet. „Uns war aber immer wichtig, aktiv handeln zu können“, so Christine Becker. Und so sei nun keine wirtschaftliche Schieflage der Grund für die Produktionsschließung, sondern die Ergebnisse einer intensiven Beschäftigung mit den Perspektiven. Viele Modelle wurden durchgespielt.
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Geplant war eigentlich, dass Carolina Glück - sie hat erfolgreich Wirtschaftspsychologie studiert - nach ihrem Eintritt in das Unternehmen im vergangenen Jahr die Nachfolge übernimmt. „Wir haben aber da schon den Fokus darauf gelegt, wo wir hinwollen“, erzählt sie, „ein Weitermachen wie bisher war keine Option.“ Und so nahm sich die Familie Zeit für Workshops, Gespräche mit Branchenvertretern und Wirtschaftstrainern, um zu einer Entscheidung zu kommen. Verkleinerung, konsequente Umstellung auf Digitaldruck oder neue Strategien - und das alles in einem Spannungsfeld zwischen Fachkräftemangel, unsicherer Konjunktur und hohen Zinsen. Es reifte die Erkenntnis, dass große Investitionen für ein Unternehmen dieser Größenordnung schwer zu stemmen sind, wenn es personell kaum möglich ist, einen Mehrschichtbetrieb zu fahren. „Aber gerade das ist ja eine der Voraussetzungen für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg“, so Christine Becker.
„Klickmoment“ und „gemeinsamer Findungsprozess“
Irgendwann kehrten Christine Becker, Carolina und Michael Glück von einem Branchentreffen zurück. „Das war ein Klickmoment“, erzählen sie und reden von einem „gemeinsamen Findungsprozess“. Und doch sei man immer „hin und her gerissen“ gewesen. „Und die letzten Wochen waren schwer“, berichtet die Tochter. Ihr selber ist wichtig, „hier abzuschließen“. Erst dann wolle sich sich auf die Suche nach einem neuen Job begeben.
Ein „sauberer Abschluss“ ist auch Christine Becker wichtig. Sie will sich dann um neue Perspektiven für den Standort an der Grafenstraße kümmern. „Unser Gelände bietet viel Potenzial, zum Beispiel für Wohnnutzung oder auch andere spannende Ideen für Arnsberg“, sagt sie. Im Idealfall unter Nutzung bestehender Bausubstanz und mit Aspekten der Nachhaltigkeit. Das Unternehmen hat 1800 Quadratmeter Nutzfläche - auf dem Grundstück befinden sich Villa, Produktionshalle und Verwaltungsgebäude. „Ich hänge an diesem Standort“, sagt Christine Becker, „ich habe den Traum, diesen Ort schnell wieder zum Leben zu erwecken.“