Neheim. Besuch bei Wilhelm Kaiser in Neheim. Der 90-Jährige schaut auf ein bewegtes Leben zurück: Was alles passiert ist, erfahren Sie hier.
4.693 Wochen, 32.850 Tage, 788.400 Stunden, 3 eigene Kinder, 6 Enkel, 2 Urenkel und ein ausgefülltes Leben - so könnte man Wilhelm Kaisers Dasein bis heute kurz und präzise in Zahlen darlegen. Doch der charismatische Neheimer ist viel mehr als ein nüchternes Zahlenwerk - auch wenn er als Unternehmer Zeit seines Lebens mit Zahlen und Bilanzen zu tun hatte. Noch heute verwaltet der 90-Jährige ein paar Immobilien und kümmert sich um seine Mieter.
Neheimer Metallindustrie (NMI)
Wilhelm Kaisers Wirkungsstätte: Die Firma NMI hatte den „Dreiblitz“ als Markenzeichen. Wilhelm Kaiser sen. (*1902, †1968), errichtete damals das Gelände an der Möhnestraße in Neheim. Aus der Heimatgeschichte weiß man Folgendes von NMI: Das Unternehmen wurde als Großhandlung für Beleuchtungskörpern und Elektromaterialien im Jahr 1908 gegründet. Nach anfänglicher eigener Fertigung von Elektro-Zubehörteilen wurde nach 1918 aus dem Betrieb eine Handels- und Montagefirma. Damit einher ging auch der Verkauf kompletter Leuchten. NMI gewann eine große Bedeutung auf dem deutschen Leuchtenmarkt. Auf über 300 Quadratmeter Fläche zeigte NMI an der Neheimer Möhnestraße eine große Musterausstellung an Leuchten verschiedener Stile und Preisklassen.
Bekannt ist Wilhelm Kaiser allerdings durch die ehemalige Firma an der Möhnestraße geworden. Bis zu 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten damals in den 1950er Jahren auf dem riesigen Areal in Neheim eine Beschäftigung gefunden. Für diesen aufstrebenden Industriestandort war die Produktionsstätte jahrzehntelang von zentraler Bedeutung. Wilhelm Kaisers Großvater Hermann hatte das Unternehmen 1895 gegründet. In den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die weltweit bekannten Leuchten vom Designer Christian Dell entworfen.
„Mein Großvater war ein fleißiger und kluger Geschäftsmann, außerdem ein Schelm“, erinnert sich Wilhelm Kaiser, der wie sein Vater den gleichen Vornamen trägt. „Das war natürlich besonders zu Schulzeiten in ein Lacher“, erinnert sich der Jubilar - denn seine Klassenkameraden verpassten ihm natürlich den Spitznamen „Kaiser Wilhelm“.
An seine Schulzeit erinnert sich der 90-Jährige übrigens sehr gern. „Das letzte Klassentreffen hat vor vier Jahren in Holzminden an der Weser stattgefunden“, verrät er. Da wären nur noch wenige Schulfreunde erschienen. „Das liegt wohl in der Natur der Sache“, so der rüstige Jubilar. Er sei zum letzten Klassentreffen in Niedersachsen mit dem eigenen Auto angereist. Auch heute noch fährt Wilhelm Kaiser seinen Wagen selbst. „Vor ein paar Wochen war ich übrigens in der Fahrschule, um meine Fahrtüchtigkeit prüfen zu lassen.“
Um sich fit zu halten, beginnt jeder Tag für ihn um 8 Uhr morgens mit Gymnastikübungen. Dann macht er das Frühstück für seine Frau Inge und sich. „Ich bin immer noch ein Frühaufsteher und gehe spät zu Bett“, sagt er. Es gäbe so viel zu erledigen und zu erleben. „Es ist immer etwas zu tun“, lacht er. Bei Kaisers klingelt oft das Telefon. „Da hatten wir beispielsweise letzte Woche einen Wassereinbruch im Keller eines Mietshauses. Da musste ich ganz schnell ein paar Handwerker besorgen.“ Und das sei zurzeit gar nicht so einfach. „Zum Glück habe ich viele Kontakte in meinem persönlichen Adressbuch notiert.“
Immer noch verfügt der ehemalige Geschäftsmann über ein großes Netzwerk. Er kennt viele Leute und noch mehr kennen natürlich ihn. Seinen Geburtstag will er allerdings im engsten Familien- und Freundeskreis begehen. „Das wird ein schönes und privates Fest“, verspricht Ehefrau Inge Kaiser, die dazu vieles Vorfeld geplant und organisiert hat. „Gefeiert wird am Sorpesee, in nettem Ambiente.“
Doch zurück zu seiner Schulzeit: Nach dem Holzmindener Internat besuchte Wilhelm Kaiser eine höhere Handelsschule in der Schweiz. Er sei zu Jugendzeiten bereits viel herumgekommen und habe, neben einer kaufmännischen Ausbildung, noch Niederländisch, Französisch, Englisch und Spanisch gelernt. Sein erstes Jahr im Arbeitsleben verbrachte er bei einem Groß- und Außenhandelsunternehmen in Amsterdam. „Mein Vater wollte, dass ich den Beruf von der Pike auf erlerne“, erinnert sich Wilhelm Kaiser. So war er mit Handelsvertretern auf Kundenbesuch, als auch bei der Akkordarbeit am Fließband tätig. „Das alles hat mich natürlich sehr geprägt“, verrät er.
Er hat seine Arbeit bis zur Schließung der Firma stets gerne und gut gemacht, obwohl er im Grunde seines Herzens lieber Opernsänger geworden wäre. „Doch mein Vater hat über meine berufliche Laufbahn bestimmt und meinte, dass ich gerne auch singend unsere Lampen herstellen und verkaufen dürfte“, erinnert er sich. Die Firma war lange Zeit sehr erfolgreich. Manche Leuchten werden noch heute in vielen TV-Krimis als Deko verwendet. Eine davon hatte beispielsweise ihren festen Platz im Kommissariat der Krimiserie „Der Kommissar“ mit Erik Ode. So erlebte die Kaiser-Leuchte in den 1960er Jahren einen zweiten Boom und erlangte Kultstatus.
Ende der 70er-Jahre wurde das Unternehmen von der Thorn Lighting Group erworben. Damit war die Ära des Familienunternehmens abgeschlossen. Geblieben ist in Neheim das Kaiser-Haus an der Möhnestraße, das im ehemaligen Industriegebäude nun unter anderem ein Tagungszentrum beherbergt.
Wilhelm Kaiser ist vor einigen Jahren mit seiner Inge aus der Villa im Stadtwald nach Bergheim umgezogen. Hier lebt er in einem etwas ruhigeren Umfeld und genießt das Leben. Sein Geheimnis des Alterns: „Wenig Alkohol, eine gesunde Ernährung und geistige als auch körperliche Bewegung.“ Langeweile sei der größte Feind des alternden Menschen, sagt er.