Arnsberg. Arnsberger IG Metall-Bevollmächtigte Carmen Schwarz schaut besorgt auf wirtschaftliche Lage: „Zusammenrücken ja, aber auch verhandeln!“

Die Zeiten sind nicht leicht. Stellenabbau beim Traditionsunternehmen BJB in Neheim, Antrag auf ein Insolvenzverfahren beim Hüstener Haushaltszubehör-Hersteller Wesco und ein wenig optimistischer Geschäftsklima-Index – da spricht die 1. Bevollmächtigte der IG Metall im Geschäftsbereich Arnsberg von einer „großen Herausforderung“. Als Vertreterin von inzwischen wieder 11.050 Mitarbeitern hat sie gute Einblicke in die Unternehmen.

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In den von ihr betreuten Bereichen mit IG-Metall-Mitgliedern sei „rund eine Hand voll Betriebe“ in Kurzarbeit. Das Lagebild sei aber sehr differenziert. Grundsätzlich litten alle Unternehmen noch unter der Nachwirkung von Corona, den Folgen des Ukrainekrieges und dem neuen Konflikt im Nahen Osten, unter zwischenzeitlich gestörten Lieferketten, Inflation und hohen Energiepreisen. Alles Faktoren, die auch Wesco-Geschäftsführer Egbert Neuhaus in seiner Rolle als Präsident des Unternehmensverbandes Westfalen-Mitte immer wieder als Probleme ausmachte und auch jetzt mit Blick auf die Schieflage im eigenen Unternehmen einräumt. „Und manchmal kommen dann auch noch hausgemachte Probleme hinzu“, sagt Carmen Schwarz.

Die Situation bei Wesco empfinde sie „als sehr bedauerlich“. Auch hier sieht sie sich aktuell als Gewerkschaft in der Pflicht, den Mitgliedern unter den Mitarbeitenden bei Wesco beratend zur Seite zu stehen. „Wir begleiten die Kolleginnen und Kollegen nun in diesem Insolvenzverfahren“, so Carmen Schwarz. Es bleibe abzuwarten, welche Maßnahmen getroffen werden müssten.

„Banken gehen nicht unbedingt auf Kuschelkurs“

Einfacher für die Gewerkschaften wird es in einer solchen Krisenlage wie jetzt auch nicht, weil vertraute Unternehmer nicht mehr die alleinigen Verhandlungspartner sind. „Es gibt schon Betriebe, die nun Fremdkapital der Banken benötigen“, weiß Carmen Schwarz aus der Region zu berichten, „und die Banken gehen in der Regel nicht auf Kuschelkurs.“ Solche Konstellationen seien dann oft auch „schlimm für einen sauerländer Mittelständler“.

Gewerkschaften sind nun wichtiger denn je – nicht als Klassenkämpfer, sondern Arbeitnehmervertreter. Mit dem Begriff der Sozialpartnerschaft kann und will sich Carmen Schwarz hingegen nicht so recht anfreunden. Sehr wohl weiß sie aber, dass es Interessenschnittmengen zwischen Unternehmen und Gewerkschaft gibt. „Wir wissen um die schwierigen Rahmenbedingungen und wollen Arbeits- und Ausbildungsplätze halten“, sagt Carmen Schwarz.

Daher würde sich die IG Metall auch Themen wie „abweichender Tarifvertrag“ oder „Interessensausgleich“ nicht versperren. „Wir gucken uns immer auch mit externen Beratern die wirtschaftliche Lage der Unternehmen an und sind immer erst einmal gesprächsbereit“, sagt die 1. Bevollmächtigte, „so ist unsere Philosophie.“

Wenn es um die Sicherung von Arbeitsplätzen geht können wir mit den Unternehmen ein Stück weit zusammenrücken, aber dann muss auch mit uns verhandelt werden.
Carmen Schwarz, 1. Bevollmächtigte der IG Metall-Geschäftsstelle Arnsberg.

Und so kommt es zu Aussagen, die man weniger aus dem Munde einer Gewerkschafterin, sondern eher von einem Arbeitgeberfunktionär erwartet. „Es ist wichtig, dass man jetzt mal etwas mehr auf den Mittelstand hört“, sagt Carmen Schwarz. Das ist eine klare Aufforderung an die Politik. Von einem Schulterschluss mit der Wirtschaft will die IG-Metall-Verhandlungsführerin nicht sprechen. „Aber ein Stück weit zusammenrücken geht, wenn es um die Sicherung von Arbeitsplätzen geht“, sagt sie, „dann aber muss auch verhandelt werden und da kann es natürlich unterschiedliche Ansätze geben.“

24 Mitarbeitende erhielten das Angebot, in eine Transfergesellschaft zu gehen. Weitere 19 Stellen werden sukzessive in den nächsten zwei Jahren durch Fluktuation abgebaut.
Philipp Henrici, Geschäftsführer BJB Neheim

Beim Lichttechnik-Hersteller BJB in Neheim ist das gerade passiert. Hier hat es genau diesen Interessenausgleich mit Sozialplan gegeben. Mitte November konnten zwei Dutzend Mitarbeitende in eine Transfergesellschaft wechseln (15 haben das Angebot angenommen). Nach Angaben von BJB-Geschäftsführer Philipp Henrici werden weitere 19 Stellen „sukzessive in den nächsten zwei Jahren durch Fluktuation abgebaut“. Hinzu wurde eine Beschäftigungssicherung für die verbliebene Belegschaft über zwei Jahre ausgehandelt. Ein abweichender Tarifvertrag gelte zunächst nur für ein Jahr.

Seit über fünf Jahren ist Carmen Schwarz nun 1. Bevollmächtigte der IG Metall in der Geschäftsstelle Arnsberg. Die 49-Jährige unternimmt viel, um die Gewerkschaftsidee in den Belegschaften zu platzieren. Sie wünscht sich, dass Mitgliederzuwächse wie aktuell nicht nur in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten erfolgen, sondern von einem grundsätzlichen Bekenntnis einer Arbeitnehmersolidarität her rühren. Klar macht sie aber auch: „In Krisen wie diesen kann man es sich als Arbeitnehmer eigentlich nicht leisten, nicht Mitglied in einer Gewerkschaft zu sein.“