Arnsberg. Ankündigung der Mehrwertsteuererhöhung auf verkaufte Speisen im Restaurant lässt Arnsberger Gastronomen um Zukunft der Branche bangen.
Noch vor etwas mehr als einer Woche war die Welt der Arnsberger Gastronomen halbwegs in Ordnung. Die Dehoga als Dachverband des Hotel-und Gastrogewerbes vermeldete, dass sich die Koalitionsspitzen in Berlin für die Verlängerung der Mehrwertsteuer von 7 Prozent auf alle in Restaurants verkaufte und verzehrte Speisen ausspricht. Zwei Tage später kam die Nachricht, dass der Steuersatz doch wieder auf 19 Prozent angehoben werden soll. „Wir haben Angst um das, was wir uns aufgebaut haben“, sagt der Neheimer Angelo Villani (57). Zusammen mit seinen Kollegen Evangelos Bochtis (34/Eleo Neheim), Peter Sachnik (38/R-Café Neheim) und Peter Beckmann (53/La Vita Arnsberg) wissen sie, dass damit Kosten und somit auch Preise für Kunden steigen werden. „Und das ist ein großes Risiko“, so Peter Sachnik.
Gastronomen fühlen sich vernachlässigt
Die Betriebe der vier protestierenden Gastronomen verstehen sich auch als wichtige Arbeitgeber. Im R-Café sind aktuell 68 Personen (davon 20 festangestellt) beschädftigt. Im Casa Villani sind es (28/5), im La Vita (25/8) und im Eleo (22/17).
„Die Gastronomie wird vergessen“, kritisiert Angelo Villani. Er wünscht sich, dass Bürgermeister Ralf Bittner auch einmal einen Gastronomen-Stammtisch einrichtet, um sich die Sorgen der Branche anzuhören.
Peter Sachnik verweist auf die Bedeutung der Gastronomie für vitale Städte. „Eine Kontaktaufnahme zu uns wäre mal toll“, sagt er. Anstelle dessen gebe es viele Punkte, in denen der heimischen Gastronomie auch Hindernisse in den Weg gestellt werden würden.
Schon im Sommer hatte sich der Betreiber des R-Cafés hilfesuchend an die Politik gewandt. Über Bürgermeister Ralf Bittner wurde seine Sorge vor einer Mehrwertsteuererhöhung im Kontext anderer Kostensteigerungen an die Bundestagsabgeordneten weitergeleitet. Klare Antworten erhielt er nicht. Dabei habe er auch da schon darauf hingewiesen, dass es ja nicht allein die Mehrwertsteuer sei, die drücke und belaste. Anfang Dezember steigen die Mautgebühren, im Januar gilt die nächste Stufe des Mindestlohnes, hinzu kommt die allgemeine Inflation. „Wir haben Corona doch alle gerade erst finanziell verdaut - und dann kommt das“, sagt der Arnsberger Peter Beckmann.
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Alle vier Gastronomen reden von „gut laufenden Betrieben“, aber auch davon, dass die seit Corona reduzierte Mehrwertsteuer (7%) nur habe helfen können, so Evangelos Bochtis, „andere Löcher zu stopfen“. So seien die Betriebe nicht darum gekommen, schon mit Beginn der Energie- und Ukrainekrise die Preise auf den Speisekarten spürbar zu erhöhen. „Genau genommen müssten wir auch jetzt wieder 18 bis 20 Prozent draufschlagen“, fürchtet Angelo Villani, „aber dann fehlen uns die Gäste.“ In einer Zeit ohnehin nachlassender Ausgehkultur, so fürchtet Peter Sachnik, würden unvermeidbare Preiserhöhung vor allem an den Randzeiten für zunehmend leerere Gasträume sorgen.
Fataler Kreislauf
Und genau damit begönne ein fataler Kreislauf. „Wir können Preise nicht grenzenlos erhöhen“, sagt Sachnik. Zunehmend aber müsse die Frage nach Öffnungszeiten gestellt werden. Sein R-Café hat heute noch 365 Tage im Jahr geöffnet. „Und ich möchte auch auf Teufel komm‘ raus loslassen“, sagt Sachnik. Grundsätzlich aber müssten Personalstunden reduziert werden. „Und irgendwann laufen sie uns weg“, so die Gastronomen. Aber auch zu viele Ruhetage sind ein Problem. „So etwas ist tödlich“, weiß Peter Beckmann. Also stehen die Betriebe vor der Herausforderung, so wenig Kosten wie möglich an Kunden weiter zu geben, so viel Personal wie möglich zu beschäftigen und trotzdem eine Wirtschaftlichkeit bei allgemeiner Steigerung der Betriebskosten herzustellen.
Würde nur die Mehrwertsteuererhöhung an die Kunden weitergegeben, müsste ganz vereinfacht gerechnet ein Gericht, das vorher 16,90 Euro gekostet hat, mindestens für rund 19 Euro auf den Teller kommen. Dabei sind dann aber gestiegene Einkaufspreise der Gastronomen, steigende Lohn- und Energiekosten noch gar nicht einberechnet. „Essengehen soll aber kein Luxus werden“, sagt Evangelos Bochtis. Er weiß zu gut, dass schon jetzt einige Gäste mit normalen Einkommen gerade als Familie auf den einen oder anderen Restaurantbesuch verzichten müssen.
Und doch dürften alle zum Handeln gezwungen sein. „Ich werde mir das ein, zwei Monate angucken und dann schauen, was ich machen muss“, so der griechische Eleo-Chef. Peter Sachnik geht jetzt schon an die Arbeit. „Wir müssen uns vorbereiten und Löhne und Preise anpassen“, sagt er. Vorbereiten? Da platzt Peter Beckmann der Kragen: „In der Kürze der Zeit kann man sich auf so etwas gar nicht vorbereiten“, schimpft er. Und sein Kollege Angelo Villani fragt: „Warum konnte man das denn nicht stufenweise erhöhen? Dann hätten wir mehr Zeit.“ Die Gastronomen hätten sich auf das Wort von Kanzler Olaf Scholz (SPD) verlassen, dass die Mehrwertsteuer für Restaurants nicht steigen solle.
Laune ist im Keller
Die Laune jedenfalls ist im Keller. „Wir fühlen uns im Stich gelassen“, sagt Peter Beckmann, „Gastronomen brauchen Motivation. Und die leidet jetzt.“ Und selbst, wenn die Geschäfte bei den einen oder anderen trotzdem laufen würden, sei „dieses ganze Paket“ nun ein Stück weit zu schwer für die Branche. „Und wir sitzen alle in einem Boot“, so Beckmann. Peter Sachnik sorgt sich um die Gastro-Landschaft in Arnsberg und Umgebung: „Es wird nicht nur einer wegbrechen!“, fürchtet er. Auch der Verband Dehoga Westfalen mit dem Arnsberger Dietmar Wosberg als Vorsitzenden spricht von „einer Gefährdung tausender Existenzen und Arbeitsplätzen“ und dem „Verlust öffentlicher Wohnzimmer und sozialer Treffpunkte in den Städten und auf dem Land“.
Peter Sachnik und seine Kollegen hoffen mit Blick auf Preiserhöhungen, „dass die Kunden das verstehen werden“. Wieder einmal, und auch in einer Zeit, in denen sie überall mit nur steigenden Preisen konfrontiert sind. Angelo Villani bricht eine Lanze für seine Branche. „Wir alle machen das mit Herz und Seele“, sagt er, „diese Art der Gastronomie darf nicht kaputtgehen.“