Sundern. Während einige den Ausbau von Windkraft vorantreiben, wollen die anderen, mit einer Vielzahl von Argumenten, neue Anlagen verhindern.

Im Stadtgebiet Sundern sind die Planungen für Windenergieanlagen (WEA) vorangeschritten. Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass die gesetzlichen Bedingungen für die Genehmigung gelockert sind. Gut für die Verwirklichung der zwölf WEA auf den Höhen südlich des Ortsteils Dörnholthausen. Einer Studie des Landes NRW zufolge bietet Sundern ein Potenzial von 50 bis 100 Windrädern. „Daraus ergeben sich viele Fragen und Unsicherheiten. Es besteht also erheblicher Diskussionsbedarf“, meint Dr. Tobias Schulte, der im Namen der Volkshochschule Arnsberg/Sundern zu einer Podiumsdiskussion eingeladen hatte. „Wir wollen zur aktuellen Situation informieren“, betonte Stadtplaner Lars Ohlig, der mit Dr. Tobias Schulte die Moderation an diesem Abend übernahm.

An der Podiumsdiskussion zum Thema Windkraftanlagen nahmen sowohl Experten als auch Bürger teil.
An der Podiumsdiskussion zum Thema Windkraftanlagen nahmen sowohl Experten als auch Bürger teil. © WP | Anja Jungvogel

Ohlig war es, der die ersten Zahlen und Fakten über einen Projektor an die Wand werfen sollte. Demnach sind für die Planungsregion Südwestfalen 13,186 Hektar Windkraft-Nutzungsfläche vorgesehen, das entspricht der Fläche von 20 Fußballfeldern. Dabei sei der Nadelwald eingeschlossen. Ausgeschlossen werden hingegen Kurgebiete, Gewerbe- und Industrieflächen, Laub- bzw. Mischwälder und forstliche Versuchsflächen. „Ausgeschlossen werden auch Wohnräume innerhalb von Ortschaften, bis auf eine Distanz vom 1000 Metern“, betont Ohlig. Häuser außerhalb erhielten einen Abstand von mindestens 450 Metern.

Auf dem Podium saßen als Experte der Umweltwissenschaftler Prof. Dr. Rolf Nieder, Thomas Stock von den Arnsberger Stadtwerken, Meinkenbrachts Ortsvorsteherin Irene Kaiser und Marion Steinberg vom Naturhotel Steinbergs Wildewiese. In der Runde waren zudem Förster Holger Dreeskornfeld und Matthias Ostrop, der die Pro-Windrad-Argumente des Unternehmensnetzwerks einsU vorstellte.

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Rolf Nieder erklärte, dass die Windenergie-Nennleistung bis spätestens im Jahre 2030 verdoppelt werden müsste. „Das heißt, dass in sieben Jahren viel mehr Windräder rotieren.“

Windkraft als wichtiger Beitrag zur Energiegewinnung

Dabei sei die Nutzung im Wald nicht ausgeschlossen und könnte einen wichtigen Beitrag zur Versorgung aus erneuerbaren Energien leisten. Er betonte allerdings auch, dass es noch deutlich größere Wissenslücken zu Windkraftanlagen im Wald gäbe - im Vergleich zum Offenland. „Es besteht erheblicher Forschungsbedarf zu Auswirkungen auf Bodenqualität, Wasser- und Stoffhaushalt, Kleinklima, Bodenleben, Pflanzen, Vogel und Fledermäusen“, so der Wissenschaftler. Und natürlich dürfe man das Landschaftsbild, ebenso wie die Akzeptanz der Bevölkerung, nicht außer Acht lassen.

Die Nutzung in Wäldern ist nicht ausgeschlossen, wie hier zu sehen: eine Windrad-Baustelle mit Neubau in Hohenlimburg.
Die Nutzung in Wäldern ist nicht ausgeschlossen, wie hier zu sehen: eine Windrad-Baustelle mit Neubau in Hohenlimburg. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Strenge Vorkehrungsmaßnahmen für Betreiber

Anlagenbetreiber müssten strenge Vorkehrungsmaßnahmen einhalten, beispielsweise Antikollisionssysteme zum Schutz von Vögeln und Fledermäusen. „Von den 144 Vogelarten der in Deutschland registrierten Schlagopfer, kommen 61 auch im Wald vor“, so Prof. Nieder, der meint, dass die im Offenland bewährten Abschaltlogarithmen auch für den Wald geeignet wären.

Dieser Logik kann Meinkenbrachts Ortsvorsteherin Irene Kaiser so gar nicht folgen: „Wenn wir die Windräder ausschalten, dann scheinen wir sie ja nun nicht wirklich zu brauchen“, sagte sie und sieht viele negative Auswirkungen für die Natur. Die Waldböden seien betroffen, erhöhte Temperaturen führten zu Humus-Abbau und CO2-Freisetzung. Humus-Abbau bedeutet Nitrat- und Sulfatbildung und Bodenversauerung. „Die Auswirkungen durch den Bau der Windkraftanlagen sind dramatisch“, sagt sie. Man müsse auch an die Menschen denken, die in unmittelbarer Nähe wohnten. „Zudem sorge ich mich um das Wetter. Welche Auswirkungen haben beispielsweise die Verwirbelungen auf das Kleinklima?“

Contra: Auswirkungen auf die Umwelt

Auch Förster Dreeskornfeld betonte, dass er bewusst an diesem Abend die emotionale Betrachtungsweise einnehme. „Mit Windkraftanlagen ist der Wald nicht mehr der, den wir heute kennen. Wir schauen dann auf eingezäunte und geschotterte Flächen“, sagt er. Als Naturfreund frage er sich, warum man den Wald durch Windkraftanlagen zerstören solle. „Und wenn ich an die CO2-Bilanz denke, die durch Transport und Aufbau verursacht wird, kann ich den schön gerechneten Studien auch nicht unbedingt vertrauen.“ Arten-, Boden-, Klima- und Gewässerschutz seien zu beachten, bestätigte Nieder.

Und wie sieht es eigentlich mit dem Wertverlust von Immobilien aus, die in unmittelbarer Nähe der WEA stehen? Dazu sagte Hotelbesitzerin Marion Steinberg, dass sie durchaus die Notwendigkeit neuer WEA sehe, doch man sollte alle Facetten beleuchten. „Ein Hotel verliert noch mehr an Wert, wenn die Gäste wegbleiben“, meint sie. „Ich finde es nicht in Ordnung, dass wir in die Entscheidungen nicht einbezogen werden.“

Pro: „Könnten ganz Sundern mit Energie versorgen“

Thomas Stock von den Arnsberger Stadtwerken wünscht sich Bürgerbeteiligung. „Auch Privatleute können aktiv am Transformationsprozess teilnehmen“, sagt er. Man solle sich das Geschäft nicht aus der Hand nehmen lassen. „Schneiden Sie sich ein Stück vom Kuchen ab“, appelliert Stock. Dabei gebe es mehrere Modelle: Anlagen zum Kauf, Bürgerstromtarife, Stiftungen als Betreiber - um nur einige zu nennen.

Matthias Ostrop stellte die Pro-Windrad-Argumente des Unternehmensnetzwerks einsU vor: „Die heimischen Unternehmen können nur weiter existieren, wenn sie eine längere Planungssicherheit haben und wissen, wie sich die Energiepreise entwickeln. Dafür brauchen wir die WEA.“ Dabei sei er nach einer Analyse selbst überrascht, dass man mit relativ wenigen Anlagen ganz Sundern versorgen könnte. „Damit blieben wir unabhängig und könnten sogar noch Energie verkaufen.“