Sundern. Bürgermeister Klaus-Rainer Willeke und Fachbereichsleiter Lars Ohlig sprechen im Interview über Handlungszwänge beim Thema Windenergie
Die Debatte um die Ansiedlung von Windkraftanlagen auf Sunderner Gebiet hat Fahrt aufgenommen. Nicht zuletzt durch die Informationsveranstaltung des Projektierers Trianel in Stockum und den geplanten Windpark in Dörnholthausen ist die Bevölkerung aufmerksam gemacht worden. Welche Rolle in diesen Prozessen die Verwaltung im Sunderner Rathaus einnimmt, hat unsere Zeitung in einem Gespräch mit Bürgermeister Klaus-Rainer Willeke und Fachbereichsleiter Lars Ohlig thematisiert.
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Herr Willeke, Herr Ohlig wie betrachten Sie die Entwicklung der Windkraft aktuell und ihre Auswirkungen auf Kommunen wie Sundern?
Klaus-Rainer Willeke: Man kann eine marktwirtschaftliche Entfesselung des Sektors Erneuerbare Energien – hier speziell die Windkraft - beobachten. Es war eigentlich lange Zeit ein sehr streng reglementierter Bereich. Durch das neue „Wind-an-Land-Gesetz“ der Bundesregierung hat man nun die Energieunternehmen dazu animiert, in Projekte wie Windparks zu investieren. Und da man aktuell aus bekannten Gründen mit Energie viel Geld verdienen kann, sind die großen Firmen auf die Landbesitzer zugegangen und haben es ihnen schmackhaft gemacht, ein Windrad auf ihrem Grundstück aufstellen zu lassen.
Lars Ohlig: Mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“ sind mehrere andere Gesetze gleichzeitig geändert worden, die alle nur dem Zweck dienen, den Regelungsbedarf hinsichtlich der Windkraft zu vereinfachen. Damit alles möglichst realisiert werden kann. Das hat viele Menschen und auch Institutionen regelrecht überrollt. Diese Entfesselung erinnert ein wenig an den Wilden Westen.
Willeke: Das Projekt Windenergie ist wichtig, aber auch komplex. Gemeinsam mit der Politik wollen wir Möglichkeiten im Sinne der Bürgerinnen und Bürger und eine Balance zwischen Naturerhaltung, Lebensqualität und nachhaltiger Stromerzeugung finden. Sundern hat das Potenzial, sauberen Strom zu erzeugen und damit einen Beitrag zur Verbesserung der Klimabilanz zu leisten. Mit dem Ausbau der Windenergie soll Sundern dem Ziel der Klimaneutralität näherkommen.
Von diesen Windrädern auf Privatgrundstücken profitieren ja auch die Kommunen. Über welche Größenordnungen sprechen wir da konkret?
Willeke: Die Kommunen erhalten pro erzeugte Kilowattstunde Strom 0,2 Cent. Pro Anlage rechnen wir dabei mit einem hohen fünfstelligen Bereich. Dadurch profitieren wir von jedem Windrad, dass auf städtischem Gebiet steht. Wenn wir jetzt noch eigene Flächen verpachten würden, kämen dann noch einmal 50.000 bis 80.000 Euro pro Windrad pro Jahr dazu. Würden wir darüber hinaus auch noch selbst als Investor oder sogar als Betreiber auf eigenen Flächen agieren, könnte die Summe noch weiter steigen.
Über wie viele potenzielle Standplätze von Windrädern in Sundern sprechen wir aktuell?
Ohlig: Es gab eine Studie durch das Land NRW. Aus der geht ein Potenzial zwischen 50 und 100 Windrädern für Sundern hervor. Diese Studie wurde erstellt, um zu ermitteln, wie man das Flächennutzungsziel für ganz Nordrhein-Westfalen einhalten kann. Und da gibt es hier bei uns im HSK mehr Potenzial als im Ruhrgebiet oder im Kölner Raum. Da aber aktuell die Bezirksregierung Arnsberg die Planung übernommen hat, kann ich das so genau gar nicht sagen. Wie bei einem Raster schaut sich die Bezirksregierung die Bedingungen vor Ort an, und klammert dann beispielsweise Naturschutzgebiete aus. Und dort, wo dann noch Flecken übrigbleiben, schaut man, ob man Windräder aufstellen kann. Wir wissen, dass man im Bereich Südwestfalen 13.000 Hektar für die Windkraft benötigt, um die Vorgaben aus Düsseldorf zu erfüllen. Dadurch kann es passieren, dass hier in Sundern mehr Windräder stehen werden, während an anderer Stelle in der Region weniger stehen.
Welche Möglichkeiten hat die Stadt, gemeinsam mit der Wirtschaft selbst solche Windparkprojekte zu planen?
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Willeke: Wir haben als Stadt die heimischen Banken sowie die lokale Wirtschaft zu Gesprächen eingeladen, um herauszufinden, wie die Unternehmerschaft zum Thema Windkraft steht. Uns ist wichtig zu wissen, wie man den Wirtschaftsstandort Sundern durch zuverlässige, preiswertere Energie langfristig stärken kann. Gleichzeitig wollten wir wissen, ob wir vielleicht in einer Art Zusammenarbeit aktiv werden können, also Stadt, Unternehmen und Banken sowie einer Bürgerbeteiligung. Aus den Ergebnissen dieser Gespräche erarbeiten wir aktuell eine Vorlage, die wir am 6. Juni in den Haupt- und Finanzausschuss einbringen möchten. Der Rat der Stadt Sundern wird sich im Anschluss gemeinsam mit der Stadtverwaltung beraten. Steuerungsmöglichkeiten bestehen allerdings lediglich bei Flächen, die sich im städtischen Besitz befinden. Dennoch möchten wir uns einen Gesamtüberblick über alle Planungen von Windkraftanlagen im Stadtgebiet verschaffen. Es ist uns wichtig, mit konkreten Informationen und Planungsgrundlagen eine entsprechende öffentliche Bürgerversammlung zu planen.
Ohlig: Die Wirtschaftlichkeit dieser Parks hängt allerdings von ganz vielen Faktoren ab. Beispielsweise wie ertragreich die Lage der Windräder ist? Ob man eine Nachtabschaltung betreiben muss? Auch die Frage der Netzeinspeisung spielt eine Rolle. Muss man zum Beispiel ein eigenes Umspannwerk bauen? Je nach Kosten kann ein solches Projekt dann auch kippen.
Im April hat eine Informationsveranstaltung des Projektierers Trianel in Stockum stattgefunden. Dort wurden Details zum Windpark in der Nähe von Dörnholthausen genannt. Die Bevölkerung kritisierte vor allem den späten Zeitpunkt der Veranstaltung. Können Sie den Ärger nachvollziehen?
Willeke: In diesem konkreten Fall hatten wir Trianel bereits vor einem Jahr gebeten, eine solche Veranstaltung zu organisieren. Da sie diese Veranstaltungen aber immer nach einem festen Prozedere organisieren und scheinbar bei zwei potenziellen Terminen Probleme hatten, die ganzen Gutachter und Experten zusammenzubringen, hat sich das so weit nach hinten verschoben. Sie planen im Juni auch ein Treffen mit den Ortsvorstehern, wo das Thema Windkraft eine Rolle spielen soll.
Was versprechen Sie sich davon?
Willeke: Ich möchte mir ein Lagebild aus den Dörfern verschaffen und auch Gerüchte rund um weitere Windkraftprojekte sammeln. Wir haben in der Verwaltung oftmals einfach das Problem, dass wir von Projekten erst erfahren, wenn ihre Genehmigung beantragt wurde, weil vorher eben viel über Jahre hinweg im stillen Kämmerlein zwischen den Besitzern der Grundstücke und den Projektierern abgelaufen ist.
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Welche Möglichkeiten hat die Stadt Sundern, solche Projekte zu verhindern?
Ohlig: Nach dem Bundes-Immissionsgesetz (BImSchG) benötigen solche Windkraftanlagen eine Genehmigung im Hinblick auf umweltrelevante Faktoren oder auch mögliche Beeinträchtigung der Nachbarschaft solcher Windräder. In diesem Verfahren werden wir angefragt, ob wir unser Einvernehmen herstellen. Wir können das ablehnen, wenn die Paragraphen 30 bis 35 im Baugesetzbuch betroffen wären. Wenn wir dortige Aspekte entgegenhalten können. Insgesamt können wir aber nur hinweisen auf Bedenken bezüglich des Artenschutzes oder von Erholungsgebieten. Aber wir sind nicht die dafür zuständige Behörde. Unsere Hinweise werden dann nur ins Verfahren eingespeist. Letztlich haben wir als städtische Verwaltung nur einen sehr begrenzten Spielraum, um Einfluss auf diese Verfahren zu nehmen. Wir können im Grunde nur mit der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes argumentieren, mussten aber in der Vergangenheit feststellen, dass das ein sehr stumpfes Schwert ist und der Einwand oft nicht ausreichte.
Willeke: Final findet dann beim Hochsauerlandkreis ein Abwägungsprozess statt. Dort wird dann aber auch nicht nach Lust und Laune entschieden, sondern schauen, was gerichtsfest ist. Ein Grundstückseigentümer hat gewisse Rechte und wenn er meint, dass er diese Rechte nicht ausüben kann, dann kann er klagen. Auf Grundlage dieser Gesetze entscheidet sich dann, was passiert.
Ohlig: Bundesweit sind die Flächennutzungspläne im Hinblick auf die Steuerungswirkung der Windkraft in Deutschland gekippt worden und wir hatten schlicht und einfach nicht die Zeit, die Haushaltsmittel und die Kapazitäten einen neuen Flächennutzungsplan fristgerecht aufzustellen. Wir können also nicht einfach sagen, wir möchten die Windräder an der und der Stelle nicht haben, wenn die Gesetzgebung die Aufstellung dort erlaubt. Ich kann auch die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger verstehen, aber hier geht es um Zuständigkeiten und an gewissen Punkten fehlt uns die Einflussmöglichkeit.