Arnsberg. Die Arnsberger lieben ihren Grafen Gottfried. Über das facettenreiche Leben einer bedeutenden Persönlichkeit im historischen Sauerland

In Neheim ist der Mann omnipräsent. Es gibt eine Graf-Gottfried-Schule, eine Graf-Gottfried-Apotheke und sogar eine der wichtigsten Straßen im Ort ist nach dem Mann aus dem Mittelalter benannt. Im Sauerländer Dom, der Kirche St. Johannes Baptist, mitten im Herzen von Neheim, findet man außerdem noch eine Kopie des Grabmals, das sich original im Kölner Dom befindet.

Verbindendes Element

Nun wirkt es vordergründig so, dass der Graf in erster Linie für die Menschen in Neheim eine Rolle spielt. Dem widerspricht der ehemalige Arnsberger Stadtarchivar Michael Gosmann aber vehement. „Der Graf ist in gewisser Weise ein verbindendes Element für die vielen einzelnen Orte, aus denen die Stadt Arnsberg heute besteht. Natürlich wird er in Neheim besonders verehrt, weil er 1368 der damaligen Stadt den Wald schenkte, von dem bis in die heutige Zeit hinein wirtschaftlich profitiert wird. Trotzdem bleibt der Graf eine wichtige Person für ganz Arnsberg“, sagt Gosmann.

Die Neheimer Schützen fahren zum Grafengrab nach Köln>>>

Dies wird auch deutlich, wenn man sich die historische Entwicklung der einzelnen Ortschaften anschaut. So wurde 1360 das Dörfchen Hüsten zu einer Freiheit erhoben. Ein Umstand, auf den man auch heute noch stolz ist. In Wildshausen wiederum ließ sich Gottfrieds Ehefrau Anna von Kleve nach dessen Tod bis zu ihrem eigenen Ableben in der dortigen Burg nieder. Und als beide noch deutlich jünger waren, bewohnten sie die einstige Grafenburg auf dem heutigen Schlossberg hoch über Arnsberg.

Das Faksimile der Übergabeurkunde befindet sich im Stadtarchiv von Arnsberg. Das Original ist beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 verloren gegangen. 
Das Faksimile der Übergabeurkunde befindet sich im Stadtarchiv von Arnsberg. Das Original ist beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 verloren gegangen.  © Eric Claßen

Insgesamt sei die Quellenlage von Gottfried differenziert zu betrachten, macht Michael Gosmann im Gespräch deutlich. „Das, was man an Quellen von ihm aus der Zeit vor 1325 hat, ist weitgehend veröffentlicht. Ab 1325 bis zum Tod ist noch nicht alles veröffentlicht.“ Das wichtigste Dokument, das mit ihm in Verbindung gebracht wird, die Übertragungsurkunde seiner Besitzungen an den Kölner Erzbischof aus dem Jahr 1368, ist seit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 verschollen. „Als ich noch als Stadtarchivar tätig gewesen bin, habe ich jedes Jahr in Köln angerufen und nachgefragt, ob man die Urkunde vielleicht doch in den Trümmern gefunden hat. Doch immer gab es ein Nein. Ob mein Nachfolger Michael Eismann irgendwann eine positive Antwort aus Köln erhält, wird wohl immer unwahrscheinlicher. Bei diesem Dokument handelt es sich immerhin um ein ganz zentrales für die Landesgeschichte von Nordrhein-Westfalen“, berichtet der Arnsberger Gottfried-Experte.

Bauarbeiten finden alten Steinweg in Neheim>>>

Zwar gebe es noch eine weitere Ausfertigung dieser Urkunde. Der Zustand sei aber bei weitem nicht so gut wie er damals bei der Original-Urkunde gewesen ist. Im Arnsberger Stadtarchiv befindet sich ein Faksimile der Urkunde. Faksimiles sind Nachbildungen in Originalgröße und Aussehen.

Ein kritischer Blick

Wie bei so vielen historischen Persönlichkeiten, bei denen kein lückenloser Lebenslauf vorliegt, weil die Quellenlage dies nicht hergibt, und bei denen die Urteile von Zeitzeugen stets kritisch betrachtet werden müssen, muss auch dem Leben und Wirken von Gottfried IV. von Arnsberg mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnet werden.

Der ehemalige Stadtarchivar Michael Gosmann ist ein echter Kenner der gräflichen Lebensgeschichte.
Der ehemalige Stadtarchivar Michael Gosmann ist ein echter Kenner der gräflichen Lebensgeschichte. © Achim Gieseke

Die Entscheidung, seine Besitzungen dem Erzbischof von Köln zu übertragen, fußten wohl zu großen Teilen auf Rachegelüsten gegenüber seinem ärgsten Widersacher, dem Grafen Engelbert III. von der Mark. Dieser hatte ein Auge auf die Arnsberger Grafschaft geworfen, zu der aus heutiger Sicht Teile des Hochsauerlandkreises, des Kreises Soest, des Märkischen Kreises und des Kreises Olpe gehörten und die ein bedeutsames Territorium in Westfalen darstellte.

Alles zur Kirmes in Hüsten>>>

Noch im Jahr 1366, also zwei Jahre vor der Übergabe an den Kölner Erzbischof, hatte der streitbare Engelbert III. von der Mark Krieg gegen Gottfried geführt. Das Ergebnis war die Belagerung und weitgehende Zerstörung von Arnsberg, nachdem die Belagerung von Neheim erfolglos blieb. Gottfried, der in seiner Ehe mit Anna von Kleve kinderlos blieb und dessen ausgesuchte Erben aus dynastischen Verbindungen alle vorzeitig verstarben, wollte wohl mit aller Macht verhindern, dass Engelbert die Grafschaft Arnsberg „einsackte“.

Mit dem Kölner Koadjutor (enger Vertrauter des Erzbischofs) Kuno von Falkenstein fädelte er einen Plan ein, der als Meisterstück zu betrachten ist. „Innerhalb von lediglich vier Wochen wurde die Übergabeurkunde ausgehandelt und vorbereitet. Wenn man sich die Distanz zwischen Köln und Arnsberg anschaut und die damaligen Reisewege, dann ist das schon eine Meisterleistung in dieser kurzen Zeit“, schwärmt Michael Gosmann.

Natürlich habe sicherlich auch der Gedanke an das Seelenheil für den mittelalterlichen Menschen bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt. Doch die in erster Linie politischen Absichten der Übergabeurkunde seien nicht von der Hand zu weisen.

Flecken auf der weißen Weste?

Gleichsam darf man aber auch nicht den Fehler machen und Gottfried als einen gütigen und fehlerlosen Idealherrscher überhöhen. Gottfried hat zumindest zwischenzeitlich als eine Art Kriegsunternehmer fungiert und durch dieses Handeln seinen Wohlstand gemehrt. Er soll während des Arnsberger Krieges Winterberg zerstört und auch Kirchen niedergebrannt haben. Gleich mehrere Kirchenstrafen folgten. „Es ist interessant, dass man noch in den 1950-er Jahren in Neheim entschieden hat, das heutige Franz-Stock-Gymnasium nicht nach Graf Gottfried zu benennen, weil er eben nach Ansicht der Entscheider zu viel auf dem Kerbholz hatte“, berichtet Gosmann.

Neues Tattoo-Studio in Oeventrop eröffnet>>>

Grundsätzlich habe Gottfried allerdings durch seine Entscheidung, seine Besitzungen dem Kölner Kirchenfürsten zu übergeben, die konfessionelle Entwicklung in Westfalen maßgeblich geprägt. „Es ist wahrscheinlich, dass das Sauerland evangelisch geworden wäre, wenn Engelbert sich die Gebiete einverleibt hätte. Zumindest wäre es wohl kein katholisches Bollwerk geworden. Das Erzbistum Köln hat dagegen stark von der Schenkung Gottfrieds profitiert. Denn so konnte man einzelne Besitzungen im Sauerland besser zusammenfassen. Die Grafschaft Arnsberg lag mitten drin in den kölnischen Besitzungen“, sagt Michael Gosmann.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte der Graf im „rheinischen Exil“. Noch immer ist er der einzige weltliche Fürst, der im Kölner Dom beigesetzt wurde.

Dort ist am Freitag, 15. September, die diesjährige Kranzniederlegung. Die Stütchenverteilung findet am Samstag statt.