Neheim. Kantor Hartwig Diehl geht in Ruhestand. Sein Nachfolger Benjamin Sutorius steht schon in den Startlöchern

Es ist das sprichwörtliche Ende einer Ära. Nach 32 Jahren als hauptamtlicher Organist und Chorleiter hört Hartwig Diehl in der Pfarrei St. Johannes Baptist Neheim und Voßwinkel auf. „Wenn man noch die Zeit dazuzählt, die ich vorher als nebenamtlicher Organist im Einsatz war, dann habe ich mehr als 50 Jahre lang hier im Dom die Orgel gespielt“, sagt der 1957 in Bruchhausen geborene Diehl nicht ohne Stolz.

Schon als Schüler und später während seiner Zeit bei der Bundeswehr habe er an Wochenenden und in den Ferien ausgeholfen. 1977 zog es ihn zum Musikstudium nach Köln. „Ich habe auf Lehramt studiert, 1984 mein Examen gemacht“, erinnert sich Diehl. Doch Diehl wollte noch tiefer in die Musik, vor allem aber in die Kirchenmusik eindringen. In Absprache mit dem damaligen Pfarrer entschied er sich für ein Studium der Kirchenmusik an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln.

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„Das religiöse Feedback“, wie Diehl es nennt, hatte er schon als Kind erhalten. Damals war er Messdiener, später folgte Orgelunterricht in St. Petri in Hüsten „auf dem großen Instrument“, wie er die gewaltige Feith-Orgel nennt. „Für mich strahlt die Orgel eine unglaubliche Faszination aus. Sie ist die Königin der Instrumente wegen ihres prachtvollen Klanges und der Größe.“

Was viele Menschen nicht wissen, die Orgel im Sauerländer Dom war 1928 das drittgrößte Instrument des damaligen Deutschlands. Diese Faszination übt sie nicht nur auf Hartwig Diehl aus. Auch sein Nachfolger wurde von der Orgel in Neheim in den Bann gezogen. Der 1994 in Leipzig geborene Benjamin Sutorius zog später mit seiner Mutter nach Hüsten und besuchte das St.-Ursula-Gymnasium. An der Feith-Orgel von St. Johannes Baptist wagte er 2010 im C-Kurs bei Hartwig Diehl seine ersten kirchenmusikalischen Schritte. 2013 schloss Sutorius den Kurs erfolgreich ab.

Studium in Köln

Das Studium der Musikwissenschaft und Linguistik führte ihn ebenso wie Diehl nach Köln. Dort spürte Sutorius jedoch, „dass mir die Kirchenmusik gefehlt hat.“ Nach dem Abschluss an der Uni Köln begann er 2017 ein Studium an der Hochschule für Musik und Tanz. „Die Orgel ist aus meiner Sicht ein außergewöhnliches Instrument, um seine Kreativität zu zeigen“, gesteht Sutorius.

Aus heutiger Sicht kaum noch denkbar gab es in der Katholischen Kirche durchaus eine Zeit, in der Musik in Gottesdiensten und Messen nicht gerngesehen bzw. gehört war. „Kirchenmusik ist immer fortschrittlicher gewesen als die reine Liturgie“, erklärt Hartwig Diehl und Benjamin Sutorius ergänzt: „Es gab durchaus Diskussionen um eine mögliche Beeinträchtigung der Frömmigkeit. Das ist allerdings heute längst zu den Akten gelegt.“

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Zum Studium der Kirchenmusik gehört neben der Ausbildung am Instrument und den musikalischen Komponenten auch die Liturgie. Schließlich muss der Kirchenmusiker oben an der Orgel wissen, was unten am Altar passiert.

Ein seltenes Bild: Die beiden Kirchenmusiker zusammen an der Orgel.
Ein seltenes Bild: Die beiden Kirchenmusiker zusammen an der Orgel. © Eric Claßen

Grundsätzlich sei der Ablauf einer Messe klar strukturiert. Bei der Musikauswahl sei der Organist aber weitgehend frei. „Hier geht es aber um Fingerspitzengefühl. Natürlich spielt man kein Weihnachtslied an Ostern“, bekräftigt Hartwig Diehl.

Der Geistliche, der die Messe zelebriert, könne auch Wünsche für die Musikauswahl äußern. Direkte Absprachen gebe es aber in der Regel nicht. „Trotzdem können wir auch kurzfristig im musikalischen Ablauf improvisieren. Mit der Zeit entwickelt man als Organist eine gesunde Routine, mit der man alles verfolgt“, versichert Benjamin Sutorius.

Tägliche Übungen

Außerhalb der hohen kirchlichen Feiertage begleite man täglich einen Gottesdienst, außer sonntags. „Da sind es dann vier Stück“, so die beiden Kirchenmusiker im Gleichklang. „Es ist schon atmosphärisch etwas anderes, ob ich die Orgel sonntagmorgens oder an einem Mittwochabend spiele. Man spürt dann schon Unterschiede“, erklärt Hartwig Diehl. Hinzu kommen jede Woche mehrere Stunden an Übungen an der Orgel. „Man muss sein Spiel ständig verfeinern, verbessern und einfach alles wiederholen“, unterstreicht Sutorius. „Da kann es auch mal sein, dass man mitten in der Nacht für ein paar Stunden in der Kirche übt“, sagt der junge Kirchenmusiker mit einem Lächeln.

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Doch zur täglichen Arbeit des hauptamtlichen Kirchenmusikers gehört auch noch die Rolle des Kantors. „Wir betreuen auch Chöre und Gesangsgruppen. Natürlich muss das auch vorbereitet und in den Wochenplan eingearbeitet werden. Das ist natürlich Arbeit, die viele Gemeindemitglieder – wenn sie nicht gerade selbst Teil eines solchen Chores sind – gar nicht mitbekommen. Über Langeweile konnte ich mich in all den Jahren meiner Tätigkeit jedenfalls nicht beklagen. So eine 40-Stunden-Woche bekommt man locker gefüllt“, betont Hartwig Diehl.

Auch die Chorarbeit unterliege dem Wandel der Zeit. Benjamin Sutorius möchte daher neue Chöre in der Gemeinde St. Johannes Baptist Neheim und Voßwinkel aufbauen und innovative musikalische Projekte starten. Vorgänger Hartwig Diehl ist sich sicher, dass das von Erfolg gekrönt wird. „Die Gemeinde hat den besten Nachfolger gefunden, den ich mir vorstellen konnte. Benjamin ist ein Gewinn für die Kirche und für den schönsten Konzertsaal der Stadt.“

Großes Abschiedskonzert

Zum Abschied von Hartwig Diehl ist ein Überraschungskonzert am 13. August in der Kirche St. Johannes Baptist Neheim und Voßwinkel geplant. Präsentiert werden Orgel, Gesang und Chor mit Musikerinnen und Musikern, die Hartwig Diehl im Laufe seiner Karriere begleitet haben.

Man kann sich auf Zeitgenössisches, Klassisches und Improvisationen freuen. Das Konzert beginnt um 16 Uhr, der Eintritt ist frei.