Arnsberg. Arnsberger Selbsthilfegruppen zur Unterstützung: Vier Frauen und ein Mann erzählen, was ihnen Hoffnung gibt.
Cornelia Schloetmann (61) aus Arnsberg ist schwerhörig und lebt seit ihrer Kindheit mit dieser Beeinträchtigung. „In die vierte Klasse bin ich nur versetzt worden, weil ich ein ärztliches Attest vorweisen konnte“, verrät sie. Bei Diktaten bekam sie beispielsweise nicht alles mit, daher fielen ihre Klassenarbeiten schlecht aus. Entsprechend schwer verlief ihre weitere Schullaufbahn und auch im Berufsleben hatte es die Arnsbergerin nicht leicht.
Sauerländer Hörtreff
Vor 15 Jahren las Cornelia Schloetmann dann in der Zeitung, dass es die Selbsthilfegruppe „Sauerländer Hörtreff“ gibt, wo sich Betroffene austauschen können. Und seit nunmehr elf Jahren leitet sie diese Gruppe sogar. „Der Treff hat mir bei der Auseinandersetzung mit meiner Hörbeeinträchtigung geholfen. Hier gibt es die nötigen Informationen im Umgang mit Schwerhörigkeit“, sagt sie. Zum Teil könne die Selbsthilfegruppe (SHG) sogar als eine Form von Therapie angesehen werden. „Hier bin ich unter Betroffenen, die ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht haben und das gibt mir Kraft, meine Schwerhörigkeit zu akzeptieren.“
Die Gruppentreffen finden jeden zweiten Freitag im Monat im Bürgerzentrum Arnsberg (Clemens-August-Straße 116) von 17.30 bis 19.30 Uhr statt. Zudem gibt es verschiedene Projekte, wie Yoga für Schwerhörige oder Informationen über neue Techniken für Hörgeräte. „Wir treffen uns auch privat zum Essen, gehen gemeinsam ins Museum oder wandern am Wochenende“, sagt die 61-Jährige.
Selbsthilfegruppe Brustkrebs
Eine andere Selbsthilfegruppe zum Thema „Brustkrebs“, die von der städtischen Gleichstellungsstelle unterstützt und gefördert wird, hat kurz nach ihrer Gründung eine große Resonanz erfahren. Anfangs trafen sich die Frauen einmal im Monat, doch nun wurde die Gruppe auf zwei Runden geteilt, so dass sich jeweils fünf oder sechs Frauen jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat, 15 bis 17 Uhr, im Bürgerzentrum Arnsberg treffen. Eine davon ist Katja Rotermund (51). Sie erhielt vor sechs Jahren die „Schockdiagnose Brustkrebs“. Da waren ihre zwei Kinder noch klein und sie alleinerziehend. „Zum Glück wohne ich bei meinen Eltern im Haus“, verrät sie. Auch Freunde und Bekannte hätten ihr in der schlimmen Phase ihrer Krankheit beigestanden.
Nachdem eine Brust abgenommen werden musste, entschied sich die damals 45-Jährige für eine Rekonstruktion. „Das war bei mir allerdings gar nicht so einfach, da ich sehr schlank bin“, gesteht sie. Jedes Gramm Fett an ihr wurde für die sogenannte „DIEP-Flap-Methode“ der Implantatchirurgie in Augenschein genommen. „Insgesamt sieben Operationen waren nötig, um die Brust wieder aufzubauen“, sagt Katja Rotermund. Das Gewebe dafür wurde ihr aus dem Oberschenkel und der Seite entnommen.
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Mittlerweile gilt sie als geheilt, obwohl der psychische Druck bliebe und die Angst, dass die Krankheit zurückkommen könnte. „Immer wenn ich einen Nachsorgetermin habe, kann ich die Nacht davor nicht schlafen“, verrät sie. Dann rattert es in ihrem Kopf und ein ungutes Gefühl beschleicht sie. Daher fühle sie sich in der neugegründeten Selbsthilfegruppe gut aufgehoben. „Ich kann meine Erfahrungen teilen und versuche, anderen Betroffenen zu helfen“, sagt sie.
Parkinson-Patientin
Sandra Blume ist 48 Jahre alt und damit eine eher untypische Parkinson-Patientin: „Vom ersten Treffen der Selbsthilfegruppe JUPA Sorpesee habe ich in der Westfalenpost gelesen“, sagt sie. Die Gruppe richtet sich an Betroffene, die jünger als 60 sind. Parkinson sei keine reine Alterserkrankung, so Sandra Blume. „Zehn Prozent sind sogar jünger als 50 Jahre. Daher habe ich mich gefreut, dass auch in unserer Region eine Selbsthilfegruppe für diese Zielgruppe aufgebaut wird.“
Die Diagnose Parkinson sei zunächst mit vielen Unsicherheiten verbunden, gerade wenn man sehr jung erkrankt, gesteht sie. „Da gerät die bisherige Lebensplanung ins Wanken. Mir war es von Beginn meiner Erkrankung an wichtig, mich gut zu informieren und mich mit anderen Betroffenen auszutauschen. In der Gruppe werden Themen besprochen, wie zum Beispiel die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises, aber es gibt auch Raum für unbeschwerte Unterhaltungen. Wir können noch so viel Positives erleben.“
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Derzeit sind die Treffen alle zwei Monate geplant, das nächste findet am 2. Mai statt. Es gibt zudem die Möglichkeit, sich per Mail oder über eine WhatsApp-Gruppe auszutauschen. Nähere Infos über Sandra Blume (sandra.blume@gmx.de).
Adipositas-Gruppe
Wer Maria Hof (58) von früher kennt, hat eine schlanke, sportliche Frau vor Augen. Doch ständige Diäten führten unweigerlich zum „Jojo-Effekt“ und über die Jahre hinweg bekam sie mehr und mehr Kilos auf die Hüften. Als Maria schließlich 150 Kilo bei einer Körpergröße von 1,68 Meter wog, musste sie die Reißleine ziehen. „Plötzlich habe ich keine Luft mehr bekommen“, erinnert sie sich. Sie kam schlecht die Treppe hinauf, hatte Wasser in den Beinen und einen viel zu hohen Blutdruck. „Damit kam die Entscheidung, mich operieren zu lassen.“ Nach der Magenverkleinerung verlor sie an Gewicht und gewann an Lebensqualität. Inzwischen leitet die 58-Jährige die Selbsthilfegruppe Adipositas in Arnsberg. Der Austausch mit anderen Betroffenen gibt ihr Kraft. „Jeder muss seinen eigenen Weg finden, um dauerhaft sein Wohlfühlgewicht zu erhalten“, rät sie. Die monatlichen Treffen finden nach telefonischer Absprache unter 0151/ 44245321 in Arnsberg statt.
Leben mit ADHS
René Pijler (44) leidet seit seiner Kindheit unter einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung, kurz: ADHS. Das sei in seiner Familie wohl erblich, seit drei Generationen, meint er. Die Diagnose hat René allerdings erst mit 28 Jahren erhalten „Als Schüler hat man meine Krankheit noch nicht erkannt. Das ist auch der Grund für meine ramponierte Schullaufbahn“, sagt er.
In der siebten Klasse sei er von der Hauptschule abgegangen, nachdem er drei Schulklassen wiederholen musste. „Immer wieder schickten die Lehrer mich zum Schulpsychologen“, erinnert er sich. Der machte Eignungstests mit René, die er allesamt bestand. „So konnte man mich nicht auf die Sonderschule schicken“, sagt der heute 44-Jährige. Nach der Schule brach er dann seine Lehre ab und kam beruflich nicht ins Rollen. Erst nachdem René seine ADHS-Diagnose und damit auch die richtigen Medikamente erhielt, ging es bergauf. „Seitdem kam ich im Leben besser zurecht.“ Er absolvierte schließlich eine Ausbildung und fand seinen Traumberuf als Berufskraftfahrer.
>>>Schockdiagnose Brustkrebs<<<
Seit 2019 leitet er die ADHS-Selbsthilfegruppe in Arnsberg. „Wir treffen uns jeden ersten Mittwoch im Monat im Förderkreis für psychische Gesundheit in der Goethestraße 19“, verrät er. Das sei ein sehr netter Kreis. Man treffe sich auch privat, beispielsweise zu Grillabenden und Familienwandertagen. „In der Gruppe fühle ich mich sehr wohl. Es sind darüber auch schon einige Freundschaften entstanden.“
Nähere Infos zu den Gruppentreffen gibt René unter Telefon: 0171/3062822.
Selbsthilfegruppen von A bis Z
„Im ganzen Stadtgebiet treffen sich derzeit rund 60 Selbsthilfegruppen von A bis Z, zum Beispiel im Bürgerzentrum Bahnhof Arnsberg, in Räumlichkeiten von Vereinen, in Beratungsstellen, Kliniken oder in Räumen kirchlicher Träger“, erklärt Stefanie Bönsch von der Arnsberger Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (AKIS). Die Kontaktstelle wurde im Jahre 1992 in Trägerschaft des Sozialamtes der Stadt gegründet und stand fortan als Büro für die Arnsberger Selbsthilfegruppen zur Verfügung. Im Jahre 2006 erfolgte dann die Anerkennung als Selbsthilfekontaktstelle für den gesamten Hochsauerlandkreis durch das Land NRW und die Krankenkassenverbände. „Wir sind Ansprechpartner sowohl für Betroffene, Angehörige, Selbsthilfegruppen als auch für Fachleute des Gesundheits- und Sozialwesens.“ Einen Überblick über Aufgaben und Angebote finden Interessierte im Netz unter www.arnsberg.de/selbsthilfe.