Oeventrop. Das ABZ Oeventrop ist eine Bildungseinrichtung für Menschen mit Behinderungen. Jeder wird individuell gefördert - wir haben uns angeschaut, wie.
„Hier wollte ich immer schon arbeiten.“ Jetzt hat sie es geschafft: Seit August letzten Jahres ist Laura Becker beim Arbeits- und Bildungszentrum Oeventrop der Caritas Arnsberg-Sundern als Sozialarbeiterin angestellt. Für sie ein absoluter Traumjob: Das ABZ ist eine vergleichsweise kleine Einrichtung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden bis zu zwei Jahre und drei Monate bei ihrer beruflichen Bildung begleitet und in ihren sozialen Kompetenzen gefördert.
Davor war die 28-Jährige in einer Klinik als Sozialarbeiterin angestellt, die Schnelllebigkeit davon gefiel ihr aber weniger. „Deswegen wusste ich, dass ich schnell sein muss, als ich die Stellenanzeige hier gesehen habe“, verrät sie. Für die Anstellung beim ABZ habe sie sogar ihre Elternzeit verkürzt, um schon im August anfangen zu können. Auch jetzt weiß sie: Das war die richtige Entscheidung.
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Bei einem Rundgang durch das Gebäude kennt sie alle Menschen mit Namen: Die Mitarbeitenden genauso wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. 53 sind es aktuell, die im ABZ ihre berufliche Bildung erfahren – ganz viele verschiedene Menschen, mit verschiedensten Krankheiten und Behinderungen. Einige kommen von den Förder- und Sonderschulen, um dort ihre berufliche Ausbildung zu bekommen; aber gerade die psychisch erkrankten Menschen sind oft etwas älter. Sie werden hier auf einen Wiedereinstieg ins Berufsleben vorbereitet. „Außerdem lernen alle unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer hier wichtige soziale Kompetenzen.“
Vielseitige Ausbildungsmöglichkeiten im ABZ Oeventrop
Zunächst gibt es eine so genannte Eingewöhnungsphase von etwa drei Monaten, danach beginnt für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die stärkenorientierte Ausbildung. Das ABZ hat verschiedene Bereiche, in denen die Menschen ausgebildet werden: in der Holz- und Metallverarbeitung lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, mit diesen Werkstoffen zu arbeiten und daraus Dinge wie zum Beispiel Bauchläden zu fertigen, dann auch in Kooperation mit der Werkstatt in Arnsberg. Im grünen Bereich lernen sie die Grundlagen der Gärtnerei und Pflanzenpflege – das wird zum Beispiel bei den Zimmerpflanzen und der Außenbepflanzung des ABZ angewandt. Im Bereich der Fertigung geht es besonders um Verpackung und Montage von kleineren Werkteilen. Im Lagerbereich lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht nur Kommissionierung, sie können auch verschiedene Flurförderscheine direkt im Haus machen. Der Hauswirtschaftsbereich ist für die Reinigung und die Küche zuständig. Und auch im Bürobereich können Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgebildet werden – sie sind aktiv in die täglichen Büro- und Verwaltungsarbeiten des Zentrums eingebunden, und helfen zum Beispiel bei E-Mails oder Telefonaten.
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„Alle diese Bereiche können in unserem Kiosk kombiniert werden“, erzählt Laura Becker. In dieser Übungsfirma würden nicht nur vielfältige Aufgaben kombiniert, sondern auch nahe an der „echten“ Arbeitswelt dargestellt werden. Hier kümmern sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer um die Warenbestände und die Bestellungen, frisch Gebackenes aus der Küche wird dort fast jeden Tag verkauft. Jeder Bereich wird von verschiedenen Menschen geleitet, die sich sowohl fachlich als auch pädagogisch gut auskennen. Unterstützt werden sie von Bildungsvermittlern, die nicht nur theoretische Inputs geben, sondern auch Kriseninterventionen im Privaten und Arbeitsumfeld der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vornehmen. Dazu gehört auch Laura Becker.
Individuelle Förderung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Das Ziel der Einrichtung: Alle sollen darin gefördert werden, was ihnen liegt und was ihnen Spaß macht, aber auch an den Schwächen soll gearbeitet werden. „Mit allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern arbeiten wir große und kleine Ziele aus, die wir in unsere Berichte über die Kompetenzverbesserung aufnehmen“, erzählt Laura Becker – das gehört zu ihren Aufgaben. So bekommt nicht nur der Kostenträger regelmäßig Updates zu den Fortschritten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sondern man kann auch daran festmachen, wie die Entwicklung der Einzelnen voranschreitet. „Das ist natürlich für jeden individuell“, sagt Laura Becker. Was für den einen ein riesiger Erfolg sei, könne für den anderen wiederum gar nicht von Bedeutung sein. Da komme es auf die jeweilige Schwere der Krankheit oder Behinderung an.
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Mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die die „kognitiv stärksten“ der Einrichtung sind, soll Mitte März auf eine Messe für Inklusion gefahren werden, die in Dortmund stattfindet. Laura Becker und ihre Kollegin, Standortleitung Stefanie Bierwagen, haben die Gruppe bereits ausgesucht, und wollen nun mit den Mitgliedern erarbeiten, was das genau bedeutet.
Inklusion und Integration im ABZ Oeventrop
„Was ist denn Inklusion überhaupt?“ Viele haben ein paar Ideen, diese werfen aber auch neue Fragen auf. Zum Beispiel: „Was ist denn der Unterschied zwischen Inklusion und Integration?“ Stefanie Bierwagen erklärt es am Ende: Für Integration müssen sich diejenigen, die in eine bestehende Gruppe einfinden wollen, anpassen, es braucht eine so genannte Anpassungsleistung. Für Inklusion werden die Umstände in der Gruppe so angepasst, dass theoretisch alle teilnehmen können – es wird keine Anpassungsleistung in irgendeiner Form verlangt.
Unternehmenspass: ABZ Oeventrop der Caritas Arnsberg-Sundern
Mitarbeiter: 14
Standorte: 1
Branche: Sozialer Bereich
Tarif: Caritas AVR
Arbeitszeit: Orientiert an den Bedarfen der Mitarbeiter zwischen 7.30 und 16 Uhr
Arbeitsplatz: Vor Ort im ABZ
Kooperation: Unternehmen, Dienstleister im Einzugsgebiet als Praktikumspartner
Benefits: Unter anderem Betriebliche Altersversorgung (KZVK), E-Bike-Leasing
Weiterbildungen: Vielfältige Fort- und Weiterbildungen auch zur persönlichen Entwicklung
Weitere Besonderheiten: Urlaubs- und Weihnachtsgeld, 30 Tage Urlaub und „Arbeitszeitverkürzungstag“
Kontakt: Arbeits- und Bildungszentrum Oeventrop, Im Neyl 20/20A, 59823 Arnsberg; Website: https://caritas-arnsberg.de
Das wird an verschiedenen Beispielen, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ihrem Alltag kennen, festgemacht. So sind zum Beispiel die meisten Dinge im ABZ nicht nur mit Schriftsprache beschriftet, sondern auch mit den Sogenannten Metacom-Symbolen. Die Metacom-Symbole zeigen Eigenschaften, Dinge, Emotionen, Fragen, Zeit, Verben und vieles mehr in einfachen verständlichen Bildern, die auch Menschen, die nicht oder nicht gut lesen können, beim Verständnis von Beschriftung helfen. Sie werden aber auch von Menschen, die lesen können, verstanden. Damit sind sie ein Beispiel für Inklusion.
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Laura Becker übernimmt dann die Erklärung, was eine Messe ist – doch es wird schwieriger. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dreizehn sind es, werden langsam unruhig, die Konzentration ist nach einer halben Stunde, die sie sich mit einem so schwierigen Thema beschäftigt haben, vorbei. So sammelt sie erst ein paar Stichpunkte an der Tafel, schließlich erklärt sie noch ein bisschen was dazu, schließt aber recht schnell ab. Einen Film, den sie eigentlich noch zeigen wollten, heben die Sozialarbeiterinnen sich für das nächste Treffen auf.
Auch das gehört dazu. Denn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind oft nicht ganz so schnell oder weit, brauchen öfter eine Pause als Menschen ohne Beeinträchtigung. Deswegen gibt es im ABZ auch verschiedene Ruheräume oder -ecken, damit sich alle mal zurückziehen können, wenn sie das brauchen.
Arbeitsplätze für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer finden
„Wir möchten natürlich für alle unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen ordentlichen Arbeitsplatz finden“, erzählt Laura Becker. Auch dabei unterstützen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen: Mittlerweile hat das ABZ ein großes Netzwerk an verschiedenen Firmen und Unternehmen, die immer wieder Praktikumsmöglichkeiten anbieten – auch auf dem ersten Arbeitsmarkt. Das funktioniert natürlich nicht bei allen, aber sie versuchen es. Eine ehemalige Teilnehmerin ist heute zum Beispiel festangestellter Teil des Verwaltungsteams. „Sie ist eine wunderbare Bereicherung für uns, eine echte Hilfe!“ Das gelte für alle, die in ihrer Ausbildung Arbeiten für das ABZ übernehmen, zum Beispiel im Büro.
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„Interessant ist natürlich, dass wir von außen nicht inklusiv sind“, gibt Stefanie Bierwagen zu. Aber es funktioniere nicht anders: Die Menschen mit Behinderung haben nuneinmal besondere Bedürfnisse, die hier möglichst gut erfüllt werden – das sei wichtig. Ein Mensch ohne besondere Bedürfnisse ist im ABZ also nicht richtig. „Der Weg nach außen ist schwierig“, sagt auch Laura Becker. Aber sie versuchen es. Wenn es nicht funktioniert, dann bekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer oft am Ende der Ausbildung, die bis zu zwei Jahre andauern kann, eine Stelle in einer der Werkstätten und anderen Einrichtungen der Caritas.
Einige haben es aber auch auf den ersten Arbeitsmarkt geschafft, haben Anstellungen als Gärtner, Bürohilfe oder Pferdepfleger gefunden: Diese werden im Treppenhaus der Einrichtung auf großen Fotos zelebriert. Laura Becker und ihre Kolleginnen und Kollegen sind stolz auf alle, die ihre Ausbildung abschließen, und geben sich Mühe, möglichst für jede und jeden den richtigen Arbeitsplatz zu finden.