Arnsberg. Rassismus in Arnsberg? Affen-Vergleich und Wahrheitssuche. Schwierige Recherche zwischen Gefühlen, Interessen und Sichtweisen.
„Der Job des Busfahrers ist auch nicht mehr das Gleiche wert wie früher. Denn die Affen tun es jetzt auch“, ertönt für alle Fahrgäste hörbar durch das Funkgerät. So jedenfalls erzählt es ein Busfahrer aus Guinea. Seit 26 Jahren lebt er in Deutschland. Er berichtet von etlichen Vorfällen, die er unter „rassistisch geprägtes Mobbing“ einstuft. Seit etwa drei Jahren arbeitet er bei einem Verkehrsunternehmen (RLG) in Arnsberg. Und bereits vier Monate nach seinem ersten Tag habe es begonnen, so sagt er.
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Wir begeben uns auf eine Gratwanderung zwischen menschlichen Empfindlichkeiten, politischen Interessen und unternehmerischen Sichtweisen, die uns tagtäglich in unterschiedlichster Form begegnen können. Inmitten eines Zwiespalts glaubhafter Behauptungen und fehlender Belegbarkeit.
Als seine Mutter ihn zum Beispiel für 30 Tage besucht habe und wieder abgereist sei, habe man es so abgetan: „Hier gibt’s keine großen Bäume zum Klettern. Affen fühlen sich im Wald wohler.“ Schwere Vorwürfe erhebt er. Gegen die Kollegen und Kolleginnen. Gegen die Vorgesetzten. Belegen kann er diese nicht.
Und dennoch taucht dieses exemplarische Beispiel auch in der Haushaltsrede von Dietmar Schwalm der Kreistagsfraktion FWG & Linke auf. Die Kreistagsfraktion hatte zuvor die Bereitstellung von Haushaltsmitteln zur Durchführung von Projekten und Beratungsangeboten gegen Diskriminierung und Rassismus beantragt – mit wenig Erfolg.
Kreistag lehnt Antrag auf finanzielle Mittel ab
Denn der Kreistag lehnte den Antrag mehrheitlich unter der Begründung ab, dass bei all den vielfältigen Aktivitäten, die es bereits gäbe (das Angebot interkultureller Trainings, Schulungen von sozial-pädagogischem Personal, Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage, die Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit des Caritasverbandes und vielem mehr), keine finanziellen Mittel in den Haushalt 2023 einzustellen seien.
Dennoch scheinen all diese Angebote und Projekte nicht auszureichen, um „rassistisch geprägtes Mobbing“ in Unternehmen zu vermeiden – glaubt man dem guineanischen Busfahrer. „Ich war, bin und bleibe der Andere“, sagt er, „dabei habe ich mich bemüht, damit man mich akzeptiert.“ Er spricht davon, in Deutschland seine Ausbildung zum Busfahrer inklusive IHK-Prüfung abgeschlossen und sich integriert zu haben. Seit 2011 sei er deutscher Staatsbürger.
Vehement gegen Rassismus
Bemüht habe sich auch das Verkehrsunternehmen. Das jedenfalls beteuert Geschäftsführer André Pieperjohanns. „Ich habe im September 2021 von den Vorwürfen des Mitarbeiters gehört“, sagt er, „und war sehr betroffen.“ Alle seien bislang mit ihm zufrieden gewesen – auch die Fahrdienstleitung in Arnsberg vor Ort. „Ich habe ihn aber auch als sehr introvertierten Mitarbeiter kennengelernt“, führt er weiter aus, „während andere mittendrin waren, hat er sich immer ein bisschen abgesondert.“
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Natürlich sei dies kein „Freifahrtschein“ und er könne auch nicht ausschließen beziehungsweise nachprüfen, ob Kollegen und Kolleginnen den betroffenen Mitarbeiter tatsächlich beleidigt hätten oder nicht. Aber man habe ihm damals, so auch im Beisein von Dietmar Schwalm, zugesichert, zu ihm zu stehen. „Ich habe mir die Zeit genommen, persönlich mit dem Mitarbeiter und seinem Berater zu sprechen“, sagt André Pieperjohanns, „gleichzeitig haben wir auch unsere gesamte Belegschaft sensibilisiert und um Rücksichtnahme ihm gegenüber gebeten.“ Dennoch hätten die Vorwürfe seitens des guineanischen Busfahrers nicht abgenommen.
Grundsätzlich positioniert sich der Geschäftsführer des Verkehrsunternehmens vehement gegen Rassismus. „Rassismus darf in unserem Unternehmen, weder in Arnsberg oder auch anderswo, keinen Platz finden. Ganz im Gegenteil“, sagt er. Denn in Arnsberg allein arbeiteten 72 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 15 unterschiedlichen Ländern – und alle müssten miteinander klarkommen. „Fakt ist nun einmal, dass die Migrationsquoten steigen. Wir sind aufgrund des Fahrermangels zudem auf Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund angewiesen.“
„Ich bin schwarz“
Der Mitarbeiter aus Guinea sieht dies anders. „Ich bin schwarz“, sagt er, „es wäre etwas anderes, käme ich aus Syrien oder so.“ Er glaubt, dass es allein an seiner Hautfarbe liegt. Denn die Kollegen aus Syrien seien ja auch Muslime, so dass die Religion seiner Meinung nach keine Rolle spiele. Durch das Verkehrsunternehmen sei ihm auch eine Psychotherapeutin an die Seite gestellt worden. „Ich bin neun Mal dort gewesen“, sagt er selbst. Geholfen habe ihm dies nicht. „Ich habe gedacht, sie kann dafür sorgen, dass das aufhört. Aber das hat sie nicht.“
Dass die Psychotherapeutin nicht einbezogen wurde, um Sachverhalte aufzuklären oder auszumerzen, sondern um seine Resilienz zu stärken, sei ihm nicht bewusst gewesen. Noch heute ginge es ihm schlecht. Er leide oft unter Kopfschmerzen, könne nicht richtig schlafen und habe zudem auch noch Zukunftsängste. Denn inzwischen, nach langer Krankschreibung, arbeitet er nicht mehr in dem Verkehrsunternehmen. Nun habe er Angst, keine neue Anstellung als Busfahrer zu erhalten. Er habe Angst, was dann mit ihm und seiner Familie geschehe.
Auch im Verkehrsunternehmen herrscht Angst. „Ich fühle mich gescheitert bei dem Thema“, sagt André Pieperjohanns. Es existiere ein extremer Druck im Unternehmen. „Schon, als der erste Zeitungsbericht auftauchte, traute sich kein Mitarbeiter und keine Mitarbeiterin mehr, mit dem Betroffenen zu sprechen – alle hatten Angst, dass das, was sie sagen, am nächsten Tag in der Zeitung steht.“
Er wirft ein, dass es zu ebensolchen Vorwürfen in keinem anderen Fall gekommen sei – ganz im Gegenteil, sowohl die Integration von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund als auch die Zusammenarbeit im Unternehmen verlaufe durchweg positiv. „Generell ist es für ein Verkehrsunternehmen wie das unsere schädigend, wenn wir Rassismus zulassen würden“, sagt der Geschäftsführer, „daher positioniere ich mich auch vehement dagegen – jeder Mensch ist gleich.“ Jedes Unternehmen hätte im Grunde Angst, mit Vorwürfen, wie diesen des Rassismus, konfrontiert zu werden.
Festgefahrene Situation in Arnsberg
Doch wie ist eine solch festgefahrene Situation nun lösbar? Wenn, wie hier, Aussage gegen Aussage steht und keine der beiden Seiten ihren Standpunkt beweisen kann? Eine Möglichkeit wäre, die Servicestelle Antidiskriminierungsarbeit des Caritasverbandes Arnsberg-Sundern e.V., hier explizit Daniel Büenfeld, einzubeziehen. Denn dieser ist genau für solche Fälle da.
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„Ich würde da auch erstmal ’offen’ heran gehen und mir die Sichtweisen aller Beteiligten anschauen“, sagt er, „und dann schauen, wie die Problemsituation ist. Letztendlich das Ganze dahingehend moderieren, dass alle damit gut leben können.“