Arnsberg. Fünf Arnsberger Unternehmen erhalten erstes Testat zur Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanzierung.
Sie gehört zur Generation Zukunft. Friederike Menge ist Juniorchefin des Hotel- und Restaurantbetriebs Menge in Arnsberg. „Wir wollen mehr in Richtung Nachhaltigkeit machen“, sagt sie. In siebter Generation wird sie den Familienbetrieb bald übernehmen. „Wir wollen Veränderung, aber langsam, schrittweise und gesund“, betont die junge Frau. Sie gehört zu einer Peer-Gruppe von fünf Arnsberger und drei weiteren Unternehmen, die sich einem achtmonatigen Entwicklungs- und Evaluationsprozess stellten und nun ihre ersten Testate „gemeinwohlbilanzierendes Unternehmen“ erhielten.
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Großes Spektrum
Die Übergabe der zwei Jahre lang gültigen Zertifikate erfolgt im Hotel Menge. Die Vorstellungsrunde der Betriebe - im vertrauten Sitzkreis - spiegelt die Vielfalt der Motivationen wider. „Gemeinwohlökonomie sehe ich ganzheitlich, hier geht es nicht nur um Natur, sondern um ein großes Spektrum“, sagt Friederike Menge. Und auch und vor allem um Menschen: „Uns ist die soziale Nachhaltigkeit wichtig“, sagen Geschäftsführer Christian Stockmann und Projektbetreuer Torsten Kapteiner vom Caritasverband Arnsberg/Sundern, „es müssen mehrere Perspektiven in den Blick genommen werden“.
20 Felder einer Matrix
Die teilnehmenden Betriebe überprüfen sich selbst im Austausch mit anderen auf Herz und Niere in verschiedenen Themenfeldern einer Gemeinwohl-Ökonomie-Matrix. Insgesamt 20 dieser Felder gibt es. „Kernpunkte sind Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und demokratische Beteiligung“, erklärt Gerlinde Lamberty, die die Gruppe als GWÖ-Beraterin moderiert und betreut.
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Die Hüstenerin Juliane Schnettler vom Conceptstore Arnsberg arbeitet in der Bekleidungsbranche und wollte kein „Weiter so“. Das Thema Ressourcenverschwendung treibt sie um, so dass sie auf recycelte Kleidung setzt. „Wirtschaft muss doch in erster Linie unser Leben erhalten“, sagt sie, „die Gemeinwohlökonomie kann da ein Schritt sein“.
Von Beginn an im Prozess beteiligt war auch Christine Becker von Becker Druck in Arnsberg. Sie sieht Gemeinwohl-Ökonomie in der Tradition eines Familienbetriebs. „Das ist die Fortentwicklung des bestehenden Modells“, so die Unternehmerin.
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„Stärken und Schwächen“
Nachhaltigkeit sollte ohnehin das Thema eines Bioladens sein. Dennoch ist auch Thomas Wälter und Michael Hofmann vom „Regenbogen“-Bioladen die Teilnahme am Prozess wichtig. „Man bekommt Stärken und Schwächen aufgezeigt“, weiß Thomas Wälter. Sehr wohl gebe es da auch bei Bio-Betrieben „noch Baustellen“. Insbesondere das Thema Lohnniveau zeige noch Lücken auf. „Aber natürlich gibt es da auch für uns Grenzen“, so Wälter.
Als Zuschauer sitzt Sebastian Witte in der Runde. Er ist der Nachhaltigkeitsmanager bei der Stadt Arnsberg. „Die Gemeinwohl-Ökonomie-Initiative passt in unsere städtische Strategie“. sagt er. Auch die Stadt wolle die heimischen Unternehmen davon überzeugen, dass „das qualitative Wachstum vom quantitativen Wachstum entkoppelt werden muss“. Es sei Aufgabe der Stadt, solche Prozesse anzustoßen. „Wir brauchen Antworten, wie die Welt positiv zu gestalten ist“, sagt Sebastian Witte. Die Stadt selber wolle sich zeitnah auch am GWÖ-Format beteiligen.
Re-Bilanzierung nach zwei Jahren
Mit dem nun erhaltenen Testat ist der Prozess nicht abgeschlossen. Nach zwei Jahren wird neu bilanziert. Die beteiligten Unternehmen haben sich da schon Ziele gesetzt, wie sie sich weiter entwickeln wollen. Der Caritasverband will das Thema breit in der Belegschaft streuen. „Wir brauchen eine Beteiligung der 1500 Herzen“, sagt Christian Stockmann. Ein Blick soll auch auf die Lieferantenseite gerichtet werden. „Da haben wir mit unserem Einkaufsvolumen großen Einfluss“.
Juliane Schnettler will den Second-Hand-Kleidungsverkauf weiter ausbauen, während Christiane Becker neben den Mitarbeitern auch die Kundenseite mitnehmen möchte, um weniger Verschnitt und Abfall beim Erstellen von Druckprodukten aufkommen zu lassen. Thomas Wälter (Bioladen) geht es auch um Nachfolgeregelungen, Mitarbeiterorganisation und Feedback-Kultur.
Friederike Menge will künftig nicht nur wie bisher auf die Qualität und Regionalität der genutzten Produkte, sondern auch auf die Gemeinwohlorientierung von Lieferanten schauen. Auch neue Bezahlmodelle für Mitarbeitende will sie sich anschauen. „Es braucht nicht immer das Hau-Ruck“, sagt die Jung-Gastronomin, „es können auch die kleinen Schritte sein“.