Arnsberg/Neheim. Wir haben mit drei lokalen Bioladen-Inhabern über die aktuelle Situation gesprochen. Wie sie gegen Inflation und Co. ankämpfen müssen.
„Mit 390 Euro Hartz IV kommt man nicht weit im Bio-Markt“, hatte es mal der Sänger Felix Kummer der Band „Kraftklub“ im Song „Schüsse in die Luft“ formuliert. An dieser Aussage dürfte tatsächlich etwas Wahres dran sein. Denn egal, ob tatsächlich auf Sozialhilfe angewiesen, oder einfach nur normalverdienend: den Aufpreis, den man als Kunde in Bio-Läden zahlt, können viele Deutsche nicht stemmen.
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Wenn dann auch noch die horrende Inflation die Preise aller Produkte, Bio wie konventionell, in schwindelerregende Höhen ansteigen lässt, ist am Ende des Monats beim Durchschnittshaushalt erst recht kein Geld mehr für Bio-Waren da. Diese Entwicklung, so verständlich sie ist, erscheint eigentlich ausgesprochen bedauerlich, wo ökologisch nachhaltig zu leben doch eine der zentralen Herausforderungen moderner Gesellschaften ist.
Der Trend eines rückläufigen Umsatzes und einer geschrumpften Nachfrage nach Bio-Produkten macht sich auch in Neheim und in der Umgebung bemerkbar. Hier sind einige Bio-Märkte vertreten, und manch einer ist sogar tief in der Stadt verwurzelt. Dazu gehört auch das Geschäft „Mommertz“ in der Nähe der Sankt-Johannes-Kirche. Vor bereits über 50 Jahren noch als „Reformhaus“ eröffnet, ist der Markt heute auf Bio-Artikel spezialisiert. Nicole Mommertz-Elert arbeitet seit 32 Jahren hier, vor 17 hat sie den Laden von ihrem Vater übernommen und leitet nun das Geschäft. In der Zeit habe sie lange eine steigende Nachfrage an ihren Produkten beobachtet und ihre Kundschaft sei deutlich pluralistischer geworden, bilde mittlerweile den Querschnitt der Gesellschaft ab.
Spezielle Angebote
Dieses Jahr geht die Kurve jedoch nach unten. „Ein paar Kunden sagen schon, dass sie sich zum Beispiel den Kuchen nicht mehr leisten können. Da wird nicht nur wegen der Figur verzichtet“, witzelt Nicole Mommertz-Elert. Um dem entgegenzuwirken, hat sie einige Konzepte entwickelt, die ihre Produkte weiterhin für eine möglichst breite Masse attraktiv halten sollen: „Wir haben eine Kundenkarte, mit der die Kunden drei Prozent beim Einkauf sparen können“. Daneben gibt es aber auch Rabatte auf Waren mit geringer Haltbarkeitsdauer und die sogenannten „Montagsangebote“, bei denen vor allem Grundnahrungsmittel vergünstigt werden.
Nachfrage in den letzten 14 Jahren gestiegen - bis jetzt
Ähnlich sieht die Situation beim Bioladen „Regenbogen“ aus. Dieser ist sowohl in Arnsberg am Gutenbergplatz als auch am Neheimer Engelbertplatz niedergelassen. Dass das Geschäft in Arnsberg gleich doppelt vertreten ist, liege an der in den vergangenen 14 Jahren stetig gestiegenen Nachfrage an Bio-Waren, erklärt Marius Hoffmann, der Marktleiter des Ladens: „Im Vergleich zum Vorjahr ist der Umsatz aber um zirka 15 Prozent zurückgegangen“. Ob dies der Inflation oder der Energiekrise geschuldet sei, wüsste er nicht sicher, aber die zurückhaltende Einstellung sei schon bemerkbar. „Besonders die Laufkundschaft und Neukunden fehlen“, stellt Marius Hoffmann fest. Sein Konzept, die „Günstlingsaktion“, besteht ebenfalls darin, essenzielle Lebensmittel wie Äpfel, Milch und Brot auf Discounter-Niveau anzubieten: „Daran verdienen wir nichts mehr, aber gewinnen vielleicht neue Kunden.“ Diese Produkte würden sechsmal öfter als normalerweise nachgefragt und erreichten ein bunteres Publikum als die anderen Waren.
Niedrigere Preise seien nicht stemmbar
Eine homogenere Menge ansprechen möchte der „Hofladen Sauerland“. Geschäftsführer Christian Schulte erklärt: „Wir konzentrieren uns auf unsere Zielgruppe, und die ist eher zahlungskräftig.“ Die Idee hinter dem Markt liege darin, regionale Produkte anzubieten, wovon einige auch Bio-Waren seien. Niedrigere Preise seien für den ebenfalls von steigenden Energie- und Produktionskosten betroffenen Hofladen nicht stemmbar, „sonst gehen wir im Wettbewerb unter“, beschreibt Christian Schulte die Lage.
Neben den Läden, in denen schließlich die Waren verkauft werden, spielen natürlich auch die Höfe dahinter eine zentrale Rolle. Einer von ihnen ist der „Tigges Bio-Hof“. „Wir haben auf das rückläufige Interesse reagiert, indem wir eine ,Solidarische Landwirtschaft’ gegründet haben“, erläutert Ulla Tigges. Dabei werden die Verbraucher direkt in den Prozess eingebunden, in dem sie sich genossenschaftsähnlich an den Kosten einer Gärtnerei beteiligen. Dabei soll ihr Ertrag aber auch den Bedarf der zirka 100 Familien decken: „Es geht darum, ohne Marktgeschehen den Verbraucher noch näher heranzuholen“.
Mit „390 Euro Hartz IV“ im Monat dürfte ein Einkauf in Arnsberger Bio-Märkten aber wohl noch immer kompliziert werden. Die Läden bieten aber teilweise ansprechende Angebote, die es Normalverdienern ermöglichen, trotz Inflation die ein oder andere Bio-Ware zu kaufen. Mehl und Öl sind beispielsweise auf durchschnittlichem Niveau. Vielleicht sind Bio-Läden ja bald das Zuhause der Krisenhorter…