Arnsberg. Bernd Löhr: Für Arnsberger Krisenfall-Planung und Vorbereitung auf Szenarien einen Mittelweg gesucht.
Das Krisenmanagement der Stadt Arnsberg hat sich intensiv mit einem Blackout-Szenario auseinandergesetzt. Inzwischen ist die Sorge vor flächendeckenden Stromausfällen, Energieausfällen und -mangellagen im Vergleich zum Sommer deutlich gesunken. Unsere Zeitung fragte Bernd Löhr, maßgeblich verantwortlich im Krisenmanagement, was mit den Planungen und Konzepten nun passiert.
Wie wird die Infrastruktur gesichert>>>
Steht das Krisenmanagement für einen Blackout nun oder muss es in Details noch entwickelt werden?
Das Vorsorgekonzept zu einem möglichen „Blackout 72 Stunden“ steht nun größtenteils nach wochenlanger Arbeit und beinhaltet mittlerweile weit mehr als 50 unterschiedliche Themenfelder. Einige Einzelthemen befinden sich noch in der finalen Abstimmung, da es teilweise aufwendig ist, wenn neben eigenen Organisationseinheiten auch Dritte beteiligt sind oder bauliche Veränderungen erforderlich werden. Vieles ist jedoch angestoßen und bereits arbeitsfähig.
Was passiert mit Gas und Strom?>>>
Wie ist gewährleistet, dass der Plan stets aktuell bleibt und nicht schnell vergessen in Schubladen liegt?
Wir sehen diese Vorsorgeplanung als ein dynamisches Werk des kommunalen Krisenmanagements, welches zukünftig ständig angepasst und ergänzt werden wird. Es wäre fatal, wenn diese umfangreiche Konzeption nur für den Moment erstellt worden wäre. Sie beinhaltet zudem viele einzelne Themen und Bereiche, die auch in anderen denkbaren Situationen, wie bei Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Sturmschäden, genutzt werden können. Zudem kann es auch immer zu kleinflächigen Stromausfällen kommen, bei denen dann auch diese umfangreiche Ausarbeitung sehr hilfreich werden kann. Das Vorsorgekonzept ermöglicht uns als Kommune jedoch als Basis auch grundsätzliche Möglichkeiten der Vorsorge für andere denkbare Szenarien in unserer Stadt..
Wie funktioniert die Kommunikation?>>>
Welche Reaktionen haben Sie auf diese Vorsorgeanstrengungen erfahren? Vorwurf der Panikmache oder Lob?
Wir haben bei der Einschätzung der Situation stets einen für alle nachvollziehbaren Mittelweg beschritten, um die Bevölkerung nicht unnötig zu verunsichern oder gar Panik zu verbreiten. Nichts zu planen ist genauso falsch, wie in der Sache zu dramatisieren. Die Reaktionen sind dabei überwiegend sehr positiv ausgefallen und wir haben viel Zuspruch für unsere Vorsorgeplanung erhalten. Natürlich gab es auch kritische Stimmen und uns wurde Panikmache unterstellt, aber es ist nun mal unsere kommunale Verpflichtung auf derartige Szenarien im Rahmen unserer Möglichkeiten weitestgehend vorbereitet zu sein.
Wieviel Ehrenamt kann und muss eingebunden werden?
Ohne Ehrenamt geht es generell nicht in unserer Gesellschaft und in so einem Fall schon gar nicht! Beispielhaft sei hier die Freiwillige Feuerwehr genannt, welche zu ihrem vermutlich in diesem Szenario erhöhtem Einsatzaufkommen auch noch zusätzliche Aufgaben übernehmen wird. Der Betrieb der einzelnen Notfalltreffpunkte in den Ortsteilen ist ohne ehrenamtliches Personal, die Kommunikationsmöglichkeiten und sonstigen technischen Ausstattungen der Feuerwehr ansonsten nicht so einfach zu gewährleisten. Die Hilfsorganisationen in der Stadt bereiten sich zudem auf derartige Situationen vor und zählen zu den wichtigen Bausteinen der Notfallplanung. Aber auch die vielen anderen ehrenamtlich tätigen Menschen in unserer Stadt werden gebraucht. Es wird im Ernstfall nur funktionieren, wenn wir als Stadtgesellschaft gut vorbereitet sind, zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen!
Welche weiteren Szenarien wären abgedeckt oder sollen noch eine eigene detaillierte Planung erhalten?
Unsere Planung fußt als Grundlage zunächst auf einem größeren Stromausfall im Stadtgebiet von bis zu 72 Stunden. Etwaige Stromausfälle in Folge eines Gasmangels sind nicht völlig auszuschließen, aber nach aktuellem Stand nicht zu erwarten. Es kann jedoch jederzeit durch technische Ursachen zu Ausfällen kommen, welche aber vermutlich eher kleineren Umfangs sind und sich auf einzelne Stadtteile oder Stadtquartiere begrenzen. In derartigen Situationen greifen dann auch die jetzt von uns vorgeplanten Maßnahmen, alles allerdings eine Nummer kleiner. Gleiches gilt auch für die Auswirkungen durch Naturkatastrophen, wenn einzelne Bereiche oder Gebiete komplett von der Öffentlichkeit abgeschnitten sind oder durch Überflutungen die technische Infrastruktur der Versorgungsunternehmen ausfällt.
Sehen Sie mit Blick auf Vorsorge vorm Blackout eine neue Qualität des Katastrophenschutzes?
Mit der deutschen Wiedervereinigung wurden viele bis dahin gut funktionierende Einrichtungen des Katastrophenschutzes aufgrund der fehlenden Bedrohungslage bereits in den 1990er-Jahren als überflüssig betrachtet. In den vergangenen Jahren wurden jedoch aus unterschiedlichen Ereignissen heraus wieder Verbesserungen des Zivil- und Katastrophenschutzes durch Bund und Länder vorgenommen. Aufgrund der aktuellen Situation in Folge des russischen Angriffskrieges erfolgt aktuell ein erneutes Umdenken. Nun liegt es an uns als Gesellschaft, und vorrangig am politischen Willen des Bundes und der Länder, das Thema dauerhaft auszubauen. In Fachkreisen spricht man auch von der sogenannten „Katastrophen-Demenz“, in der man leider allzu schnell das Erfordernis vergisst, sobald sich alles wieder beruhigt hat.
Wie evaluiert sich ein Krisenmanagement in seiner Effektivität, wenn es nie Anwendung finden muss?
Viele Themen der kommunalen Vorsorgeplanungen sowie auch des Zivil- und Katastrophenschutzes basieren auf theoretischen Annahmen und treten zum Glück niemals ein. Einen großflächigen Blackout hat es in der Form in Deutschland so noch nicht gegeben und dieser ist auch äußerst unwahrscheinlich. Allerdings gibt es auf diesem Gebiet immer wieder neue Erkenntnisse und Lehren aus weitaus kleineren realen Szenarien. Die kommunale Vorsorgeplanung muss daher stets durch die Erkenntnisse aus realen Ereignissen erweitert und angepasst werden. Ein gutes Netzwerk hilft uns dabei. Wir lernen auch von anderen, die derartige Situationen erleben und überwinden mussten