Arnsberg. Seit mehr als fünf Jahrzehnten leidet die Arnsbergerin Maria unter Depressionen. Nun sucht sie Betroffene zur gegenseitige Unterstützung.
„Ohne meinen Mann wäre ich längst nicht mehr da“, sagt Maria (Name geändert). Manchmal merke er vor ihr, dass sie dabei ist, wieder in eine Phase zu rutschen. Wenn sie Suizidgedanken hege, denke sie an ihren Mann und an ihre Familie - und bliebe. Seit ihrer Jugend leidet Maria aus Arnsberg an Depressionen. Und das sei nun mehr als fünf Jahrzehnte her. Zu diesem Zeitpunkt wusste man noch nichts über die, wie Maria sie nennt, „schlimmste Krankheit der Welt“.
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Alles beginnt mit körperlichen Beschwerden. Herzrasen, Krämpfe, ein Unwohlsein, zunehmende Angstzustände, ohne zu wissen, warum - und unter weiteren schwächenden Symptomen auch Libidoverlust. Sie rennt von Arzt zu Arzt, lässt sich von Kopf bis Fuß untersuchen. Nichts. Es gibt keine Diagnose, nur Beruhigungsmittel, die sie schnell in eine Abhängigkeit manövrieren.
Arnsbergerin in psychiatrische Klinik eingewiesen
„Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit, der Überforderung und der abgrundtiefen Niedergeschlagenheit, als ob ich in einer Falle gefangen wäre, aus der es kein Entrinnen gibt“, versucht sie das, was sie fühlt, in Worte zu fassen. Jahrzehnte lang wird sie „falsch“ behandelt - bis sie vor gut 20 Jahren komplett zusammenbricht. Monatelang wird sie in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
Erst dort diagnostiziert man ihr die chronische Depression. Ein „reiß dich zusammen“ aus dem Freundes- und Bekanntenkreis hilft nun nicht mehr - ganz im Gegenteil sei es das Schlimmste, was man zu einer Person inmitten einer Depressionsphase sagen könne. Denn genau das sei ja das Problem. „Ich schleppe mich durch den Tag und warte nur darauf, dass er endet. Manchmal machen sich diffuse Ängste oder Panikattacken bemerkbar, ohne dass ich das Warum kenne. Wie soll ich mich da zusammenreißen?“, sagt Maria.
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Sie sei medikamentös sehr gut eingestellt, erklärt sie, und dennoch bekomme sie immer wieder diese Depressionsphasen. Oft müsste sie dann Verabredungen absagen, oft werde sie auch missverstanden, wenn sie ihre Mimik nicht im Griff habe. „Ich sehe oft traurig oder schlecht gelaunt aus“, erklärt sie, „es ist dann so schwer, mich verstellen zu müssen und ein lachendes Gesicht zu zeigen.“ Sie ziehe sich dann zurück - und verliere damit auch immer mehr Menschen um sie herum.
Gegenseitige Unterstützung gesucht
„Ich habe erleben müssen, wie gute Bekannte, die nur von meiner Erkrankung wussten, den Bürgersteig wechselten, wenn sie mich in der Ferne sahen“, so Maria. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass depressive Menschen verstehen, wie ich mich fühle. Dass ich mich mit ihnen verständigen kann, wenn es mir besonders schlecht geht.“
Während des Gesprächs mit dieser Zeitung schießen ihr immer wieder Tränen in die Augen. Sie werden glasig. Gekonnt jedoch versucht Maria, ihre Tränen zurückzuhalten und zu verstecken. Insbesondere, als das Gespräch auf ihren Ehemann fällt. „Ich fühle mich dann schuldig und wie ein Klotz am Bein“, sagt sie, „weil er sein Leben nicht sorgenfrei leben kann.“
Depressionen sind eine Krankheit
„Ich wünsche mir so sehr, dass sich einige Mitbürgerinnen und Mitbürger, die diese Erkrankung haben, auf diesen Artikel bei der Westfalenpost melden, damit man sich gegenseitig unterstützen kann“, sagt Maria.
Denn in der Vergangenheit stellte sie immer wieder fest, dass ein gegenseitiger Austausch guttut und enorm hilft. Allerdings möchte sie sich nicht „den Hut“ einer offiziellen Selbsthilfegruppe aufsetzen. Daher sucht sie privat nach ein paar Menschen, die ebenfalls in dieser Situation stecken.
Wer Interesse an einem Austausch mit der Arnsbergerin hat, kann sich via Mail an thora. meissner@funkemedien.de wenden. Die Redakteurin wird Ihre Mail dann direkt an Maria weiterleiten.
Sie weiß, dass er hinter ihr steht - und dennoch sind es diese kleinen Momente, die sie in die nächste Phase schieben. „Schon ein Geruch kann triggern“, sagt sie, „oder ein Satz.“ Maria hat zwei große Wünsche: Erstens, dass das Thema „Depressionen“ endlich aus der Tabuzone herausgeholt und in die Mitte der Gesellschaft gerückt wird - und zweitens, dass sich viele Menschen, die ebenfalls unter Depressionen leiden, sich auf diesen Artikel meldeten, damit man sich gegenseitig unterstützen könne.