Hüsten. In die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe stecken die Städte Arnsberg und Sundern den größten Anteil ihrer Investitionen. Warum es sich lohnt!

„Ich vermisse schon, dass mich jemand fragt, wie mein Tag war“, sagt Gyselle. Die 18-Jährige lebt gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Angelina seit Juli diesen Jahres in der sogenannten „WG8“ des Kinder- und Jugendhauses Marienfrieden in Hüsten. Die Wohngemeinschaft dient der ambulanten Betreuung mit dem Ziel der Verselbstständigung der jungen Erwachsenen.

Neben der Möglichkeit, mit anderen gleichaltrigen Bewohnerinnen und Bewohnern zusammenzuleben und niederschwellig durch die Jugendhilfe begleitet zu werden, dient ihnen diese Wohnform sozusagen als „Vorstufe“ zu den eigenen vier Wänden. „Jede von uns hat einen eigenen Ansprechpartner“, sagt Gyselle, „sie helfen uns bei Behördengängen und bei allen anderen Fragen.“

„Wir sind freiwillig von zu Hause weg“

Vor rund fünf Jahren ziehen die Schwestern in die Elisabethgruppe des Heims. „Wir sind freiwillig von zu Hause weg“, sagt Angelina, „es ging halt einfach nicht mehr.“ Mit 13 Jahren müssen sie ihr Leben komplett umstellen - leben plötzlich mit vielen weiteren Kindern und Jugendlichen in einer Gruppe und werden von mindestens vier Erzieherinnen und Erziehern betreut.

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„Anfangs habe ich nur auf dem Zimmer rumgehangen“, sagt Angelina. Denn in den ersten Tagen ist alles fremd. Die Gesichter, der strukturierte Tagesablauf und auch die Tatsache, dass man sich zu seiner neuen sogenannten „Bezugsperson“ zunächst einmal eine gewisse Beziehung aufbauen muss. Angelina ist zu diesem Zeitpunkt eher aufbrausend, sitzt viel in ihrem Zimmer und liest. „Ich wurde aber super aufgenommen. Sie merkten, wenn ich mal meinen Freiraum brauchte und waren trotzdem immer für mich da - selbst wenn ich sie zuvor irgendwie vor den Kopf gestoßen habe.“

Pferde im Marienfrieden geben ihnen Ruhe

Generell ist Angelina eher der Einzelkämpfertyp, versucht vieles für sich selbst zu regeln. Und dennoch sind auch die Kinder, die bereits länger im Kinderheim leben, ihnen eine große Hilfe. „Im Grunde war das wie ein familiäres Nest, in das du immer wieder zurückkommst“, sagt Gyselle, die ein eher geselliger Typ ist und die Gruppe als Halt braucht. Genau das ist es, was das Kinder- und Jugendhaus Marienfrieden auch sein möchte: ein zweites Zuhause.

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Auch die beiden Pferde des Hauses helfen den Mädchen ungemein. Geben ihnen Ruhe und eine Beschäftigung. „Wir sind nicht nur geritten, sondern haben uns auch um die Stallarbeit und so gekümmert“, sagt Gyselle. Sie und Angelina stehen nun inmitten ihrer Phase vom betreuten zum selbstständigen Wohnen - möchten das Angebot aber noch mindestens bis zum Abschluss ihrer Ausbildungen nutzen. Spätestens mit 25 Jahren ist jedoch Schluss.

Familiendreh- und Angelpunkt inmitten Arnsbergs

Justin ist nicht freiwillig in das Kinderheim gezogen und lebt dennoch nun seit über sechs Jahren in der Michaelgruppe. Er sei mit seiner Mutter nicht mehr klargekommen. „Am Anfang war ich sehr schüchtern“, sagt der 15-jährige Schüler. Die Regeln seien schon schwierig gewesen, aber mittlerweile habe er sich daran gewöhnt - sie seien ok. Mit seinem „Bezugserzieher“ versteht er sich gut - das sei aber nicht immer so gewesen.

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„Früher hatte ich mich öfter mit ihm in den Haaren, aber heute ist es echt cool“, sagt Justin. Schon bald möchte er den Realschulabschluss in der Tasche haben, um dann eine Ausbildung im Handwerk zu machen. „Mein Praktikum mache ich bei einem Heizungsinstallateur.“ Später, so erzählt er, möchte er das betreute Wohnen in Anspruch nehmen. Denn auch, wenn er sich aktuell wohlfühlt, denkt er über das eigene Leben „draußen“ nach. Außerdem scheint die räumliche Trennung von seiner Mutter seiner Beziehung zu ihr gutzutun. „Mittlerweile verstehe ich mich auch wieder besser mit meiner Mutter“, sagt er.

Gute Zusammenarbeit mit Eltern

Genau darum geht es auch in der Arbeit der Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen des in Trägerschaft des Sozialdienstes katholischer Frauen e.V. Hochsauerland liegenden Kinderheims. „Wir stellen einen Dreh- und Angelpunkt für Familien dar“, sagt Melanie Sander, stellv. Geschäftsführerin und Erziehungsleitung, „es geht vorwiegend auch um Partizipation.“ Die Eltern-Kind-Arbeit stehe im Mittelpunkt. Daher sei es auch möglich, dass Mütter oder Väter „einfach so“ vorbeikämen und ihr Kind besuchten. Natürlich nur dann, wenn es dem Kindeswohl entspräche.

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Eltern werden also rundum in die Erziehungsarbeit ihrer Kinder einbezogen - im Alltag als auch in den regelmäßig stattfindenden Hilfeplangesprächen. „Auch in den Tischvorlagen kommen die Eltern zu Wort“, bestätigt Melanie Sander. Auch Ann-Katrin Schitz, stellv. Gruppenleitung der Samuelgruppe, bestätigt die gute und vor allem intensive Zusammenarbeit mit den Eltern.

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© Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Allgemein sei es nicht immer einfach, mit den Schicksalen der Kinder und Jugendlichen umzugehen. „Deshalb ist es so wichtig, mit Herz und gesundem Menschenverstand heranzugehen“. Eine Mammutaufgabe für das gesamte Team. Denn letztendlich ist das große Ziel, dass das Kind am Ende sagt: „Das ist mein Zuhause, ich hab´s gut hier!“