Sundern. Was ist das Geheimnis der Clowns, die keine sind? Und wie nehmen Seniorinnen und Senioren in Sundern sie wahr? In dieser Reportage lesen Sie es:

Nervös knibbelt sie an ihrem Taschentuch. Legt es nicht aus der Hand. „Es wäre besser, wenn ich tot wäre“, sagt sie. Nicht das Einzige, das verrät, dass es der Dame in diesem Moment nicht gut geht. Traurige Augen, rot umrandet. Honigblond gefärbtes Haar ummantelt ihr Gesicht. Kurz und gelockt. Ein paar Fältchen lassen sich sehen. Dann, wenn sie ihre Stirn runzelt.

„Ich bin ja auch schon alt“, sagt sie, „80.“

„Stolzes Alter!“

„Ja, ich habe viel Schönes und Schlechtes erlebt.“

Kurz darauf fragt sie die Pflegekraft: „Wie lange bin ich hier eigentlich schon?“

„Joa, so drei Jahre!?“

„So lange schon. Und es war noch keiner da.“

Die Humorbotschafterinnen von links: Flotte Lotte (Melanie Wiesen), Pauline, Nini (Britta Heimes-Kästner), Mia Mumpitz (Julia Wille) unterwegs im St. Franziskus Seniorenhaus in Sundern.
Die Humorbotschafterinnen von links: Flotte Lotte (Melanie Wiesen), Pauline, Nini (Britta Heimes-Kästner), Mia Mumpitz (Julia Wille) unterwegs im St. Franziskus Seniorenhaus in Sundern. © Thora Meißner

Kein lustiger Einstieg für die ehrenamtliche „Flotte Lotte“, alias Melanie Wiesen. Sie ist Humorbotschafterin und das erste Mal dabei, wenn „die Clowns“ das Seniorenhaus St. Franziskus der Caritas in Sundern besuchen. Im Schlepptau „Mia Mumpitz“ (Julia Wille), „Nini“ (Britta Heimes-Kästner) und „Pauline“. Zu viert zaubern sie Lachfalten. Alle haben an der Caritas Humorschulung teilgenommen, die es seit 2016 jährlich in Arnsberg/Sundern gibt. Julia Wille führt diese Schulungen mittlerweile selbst durch – gemeinsam mit Christian Bach.

Die flotte Lotte legt einfach ihre Hand auf das Knie der älteren traurigen Dame. Sie hört zu. Sagt nichts. Ist einfach da.
Die flotte Lotte legt einfach ihre Hand auf das Knie der älteren traurigen Dame. Sie hört zu. Sagt nichts. Ist einfach da. © Thora Meißner

Einfach da sein, einfach zuhören

Humor funktioniert gerade nicht. Nicht einmal die rote Nase löst die traurige Dame von ihren negativen Gedanken. Darum geht es aber auch nicht. „Wir müssen nicht immer lustig und gut gelaunt herangehen“, erklärt Humorbotschafterin Pauline, „einfach da sein, einfach zuhören. Das hilft den Menschen auch.“ Die flotte Lotte erkennt dies und reagiert prompt. Geht in die Hocke, schaut der Dame ins Gesicht und sagt nichts. Hört einfach zu.

Die flotte Lotte und Pauline hören einfach zu. Es muss nicht immer „lustig“ zugehen.
Die flotte Lotte und Pauline hören einfach zu. Es muss nicht immer „lustig“ zugehen. © Thora Meißner

Pauline arbeitet auch hauptamtlich im St. Franziskus Seniorenhaus. Darf sogar während ihrer Arbeitszeit einmal im Monat als Humorbotschafterin aktiv sein. Anfangs hatte sie Sorge, dass ihre Kollegen und Kolleginnen da kein Verständnis für hätten. „Völlig ohne Grund, denn ich wurde auch als Pauline super angenommen – als Bereicherung.“ Mia Mumpitz arbeitet ebenfalls im sozialen Bereich, genauso wie die Flotte Lotte. Nur Nini kommt aus einem völlig anderen Berufszweig. Arbeitet bei der Stadt Arnsberg. „Dieses Ehrenamt ist eine Art Ausgleich für meinen ansonsten eher weniger mit sozialer Arbeit verknüpften Beruf.“

Fingerspitzengefühl ein Muss

Flotte Lotte sitzt nun schweigend bei der traurigen Dame. Sie legt die Hand auf ihr Knie. Ohne etwas zu sagen. Ohne verwirrende Reaktionen. Aber vor allem: ohne Wertung. Stille herrscht. Aus einer anderen Ecke des Raums ertönt ein Lachen. Nini und ein älterer Herr sitzen auf der Couch. Singen fröhlich Martinslieder. Miteinander schwofen sie hin und her. „Es gibt kein festes Programm“, sagt Mia Mumpitz, „Wir schauen, was los ist und gehen mit.“ Gemeint ist, dass eine gewisse kreative Spontanität gefragt ist. „Vor allem, wenn wir bettlägerige Bewohnerinnen und Bewohner besuchen, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Menschlichkeit. Empathie.“

Kommentar von Thora Meißner <<<Das herzhafte Lachen>>>

Genau das lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Humorschulung. Den Umgang mit älteren Menschen. Den Umgang mit an Demenz erkrankten Frauen und Männern.„Man lernt auch viel über sich selbst“, sagt Nini. Lerne seine eigenen Grenzen kennen – und auch die der eigenen Rolle. Ein „Clown“ habe keine Hemmungen und dürfe ganz anders auf die Menschen zugehen, sie teilweise sogar umarmen. „Natürlich gibt es auch Menschen, die grundsätzlich keine Clowns mögen“, ergänzt Pauline, „oder sogar Angst haben!“ Es gehe also immer auch darum zu erkennen, was dieser älteren Person gerade guttut und was nicht.

Rabimmel, rabammel, rabumm

Drei Herren beobachten an verschiedenen Tischen sitzend die vier Humorbotschafterinnen. Eine Dame hält ein Mittagsschläfchen. Scheint vom Besuch nichts mitzubekommen. Ihren Donut und ihren Tee rührt sie nicht an. Mittendrin sitzt eine etwas jüngere Dame. Springt direkt auf, als sie Mia Mumpitz sieht und entführt sie in die Weiten der Flure. Stockernst. Verzieht kaum eine Miene. Ihre Sätze wirken trocken. Scheinbar ohne Gefühl. Doch sie zeigt, wie sehr sie die Nähe der Humorbotschafterin schätzt. Denn Hand in Hand laufen sie und Mia Mumpitz hin und her.

Mia Mumpitz in den Fluren des Seniorenhauses. Ihre Begleitung läuft gerne.
Mia Mumpitz in den Fluren des Seniorenhauses. Ihre Begleitung läuft gerne. © Thora Meißner

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Pauline hat sich einem älteren Herrn angenommen, versucht ihn zum Essen zu animieren. Nur stückweise funktioniert es. Indes ertönt „Rabimmel, rabammel, rabumm“ aus dem Flur. Mia Mumpitz und ihre Begleitung singen. In der Ecke nimmt ein Ballonhund auf der Couch Platz – und natürlich bekommt er einen Namen. „Franz-Josef“, sagt der Mann, „der Köter heißt genauso wie ich.“ Nini lacht. Kurze Zeit später heißt der Ballonhund Max. Mia Mumpitz kommt dazu. Ihre Schlodderbuxe soll auch einen Namen bekommen. Sie entscheidet sich für Franz-Josef. Der Mann lacht.

Herz und Verstand

Spontan ohne Plan, aber mit Herz und Verstand. Das ist es, was die Humorbotschafterinnen und -botschafter ausmacht. Daher lernen sie innerhalb der Humorschulung auch, sich in ihrer Rolle wohlzufühlen. Dies sei die große Voraussetzung, erklärt Pauline. Aber auch, die Tiefs und Hochs mitzunehmen – genau herauszukristallisieren, was die Bewohnerin oder der Bewohner gerade braucht. Das könne auch mal „nichts“ sein. „Es ist sehr wichtig, sich innerlich darauf einzustimmen“, sagt Mia Mumpitz, „ebenso aber auch authentisch zu sein.“ Ginge es ihr selbst an diesem Tag nicht so gut, müsse sie nicht „die gute Laune“ mimen, sondern könne sich auch mal einen Tipp von den älteren Menschen geben lassen. „Sie freuen sich sehr, wenn sie selbst mal einen Rat geben können.“

Plötzlich duftet es nach Frischgebackenem. Einige Bewohnerinnen und Bewohner folgen den vier Humorbotschafterinnen ins Erdgeschoss des St. Franziskus Seniorenhauses. In ihm leben aktuell 62 Menschen. Nur wenige sitzen gemeinsam am großen Tisch, um die leckeren Kekse und den wohltuenden Tee zu genießen. Und mittendrin: Mia Mumpitz, die ihre Modellierballons auf dem Tisch ausbreitet und beginnt, Figuren zu kreieren. Auch die anfangs traurige Dame ist dabei. Sitzt direkt neben Mia Mumpitz. Sie ergattert den ersten Ballon. Es scheint, als habe ihr dies ein kleines Lächeln entlockt.

Humorschulungen

Interesse am Clownshippen?

Der Caritasverband Arnsberg-Sundern e.V. bietet am Dienstag, 29. November, 19 Uhr, im Bürgerbahnhof in Arnsberg einen Infoabend für alle interessierten Humorbotschafterinnen und Humorbotschafter in spe.

Die Humorschulung selbst beginnt am 3. Februar und endet am 13. Mai.

Immer freitags von 18 bis 21 Uhr und samstags von 9 bis 16 Uhr.

Kurze Zeit später große Aufbruchstimmung. Die Messe beginnt in Kürze. Die Damen und Herren möchten teilnehmen. Mia Mumpitz, Pauline, Nini und die flotte Lotte haben auch diesmal wieder ihr Bestes gegeben, um den Menschen im Seniorenhaus eine Freude zu bereiten – nicht kitschig, keineswegs albern und absolut auf Augenhöhe.

Das Köfferchen ist immer dabei. In ihm eine gewisse Auswahl an Equipment. Nicht immer muss alles auch genutzt werden - das entscheidet die Spontanität.
Das Köfferchen ist immer dabei. In ihm eine gewisse Auswahl an Equipment. Nicht immer muss alles auch genutzt werden - das entscheidet die Spontanität. © Thora Meißner

Auch Anna Skoczynski ist zufrieden. Sie ist die Haus- & Pflegedienstleitung und steht absolut hinter diesem Projekt. „Im Alltag ist diese intensive Betreuung und der damit verbundene Zeitaufwand nicht immer möglich“, sagt sie, „daher unterstützte ich dieses Projekt sehr gerne.“ Aktuell werden weitere Interessierte, die an der Humorschulung ab Januar 2023 teilnehmen möchten, gesucht.

Nini trinkt einen Tee mit „der Läuferin“. Leckere Kekse gibt es auch.
Nini trinkt einen Tee mit „der Läuferin“. Leckere Kekse gibt es auch. © Thora Meißner