Arnsberg. Arnsbergs Verwaltungschef Ralf Bittner über Zusammenarbeit mit Politik und große Aufgaben.
Seit viereinhalb Jahren ist Ralf Bittner Bürgermeister der Stadt Arnsberg. Seit der Kommunalwahl 2020 gestaltet sich die politische Arbeit im Rat mit der schwarz-grünen Mehrheit aus CDU und Bündnis 90/Grüne zuweilen schwer. Über die vergangenen Monate und das Miteinander von Verwaltung und Politik im Rat sprach unsere Zeitung sowohl mit den Fraktionsspitzen als auch mit dem Bürgermeister. Er stellt sich nun dem Interview unserer Zeitung.
So will SPD-Fraktion im Rat weiterarbeiten>>>
Die letzten Ratssitzungen waren turbulent. Wie bewerten Sie zuletzt getroffene Entscheidungen in kontroversen Fragen und den Weg dorthin?
Ralf Bittner: Die Zusammenarbeit im Rat ist seit vielen Jahren grundsätzlich konstruktiv und geprägt von gegenseitigem Respekt. Was oft nicht gesehen wird: Sehr viele Entscheidungen fallen mit großer Mehrheit oder gar einstimmig im Rat aus. Das liegt zum Einen in der guten Vorbereitung und Begleitung der Vorlagen innerhalb meiner Verwaltung, aber auch zum Anderen in den intensiven Beratungen der Fraktionen in den Fachausschüssen und den Arbeitskreisen, in denen bereits vor der Ratssitzung Abstimmungen und inhaltliche Ausschärfungen erfolgen. Schade, dass oft nur die sehr wenigen Themen so negativ nach außen wahrgenommen werden, bei denen es nicht so ist. Denn auch das ist ein Zeichen gut funktionierender demokratischer Prozesse. Von 400 Vorlagen in meiner Amtszeit, die bis zum Rat liefen, sind allerdings keine fünf Prozent der Vorlagen im Rat stark verändert oder abgelehnt worden. Aufgrund meines demokratischen Grundverständnisses ist es aber nicht meine Aufgabe, diese Entscheidungen zu bewerten. Zumindest soweit es nach der Gemeindeordnung keine rechtliche Verpflichtung dazu gibt. Demokratie muss verschiedene Standpunkte aushalten können. Es ist aber meine Aufgabe, Vorlagen fachlich gut vorbereitet, sachlich abgewogen und finanziell umsetzbar in den Rat einzubringen.
So blicken die Grünen in Arnsberg auf die Ratsarbeit>>>
Wie entstehen diese Vorlagen?
Jede Vorlage durchläuft einen digital hinterlegten Workflow, wo alle beteiligten Fachdienste mit ihren Fachleuten eine Vorlage gemeinsam erstellen. In herausragenden Fällen wird vorab eine Grundausrichtung in der Bauinvestitionskonferenz oder in den Verwaltungskonferenzen und im Verwaltungsvorstand mit dem sachberührtem Fachdienst herbeigeführt. Abschließend werden alle Vorlagen mit der Kämmerei, dem Rechtsamt und der Rechnungsprüfung abgestimmt.
Das ist das Fazit der CDU-Fraktion>>>
Wie gestaltet sich für Sie die Zusammenarbeit als SPD-Bürgermeister mit einer schwarz-grünen Mehrheit?
Mir war immer, schon als langjähriges Ratsmitglied, nur wichtig, dass wir gemeinsam gute Ergebnisse für Arnsberg erzielen können – unabhängig von meinem sozialdemokratischem Hintergrund. Als Bürgermeister habe ich die gesamte Stadt im Blick. Darauf habe ich und alle Ratsmitglieder einen Eid geleistet. Es findet viel Kommunikation im Vorfeld der Ratssitzung statt. Es ist natürlich immer die Frage einer „Bring- oder Hol-Schuld“. Mittlerweile haben wir sechs Fraktionen und acht Parteien im Rat. So wäre es im übrigen auch eine – sehr stabile – Mehrheit, wenn eine Vorlage die Zustimmung der SPD- und der CDU-Fraktion finden würde. Oder am Beispiel der Vorlage zur A46/B7n, wo es mit „Schwarz-Grün“ zum Beispiel keine Mehrheit gäbe. Ebenso ist, wie bereits erfolgt, auch nicht immer eine Mehrheit da, nur weil es sich die Fraktionsvorsitzenden so vorstellen. Wenn allerdings vorherige Verständigungen aus Gremien wie dem Ältestenrat, wo alle Fraktionen vertreten sind, oder anderen Arbeitsgruppen im Rat keine Rolle mehr spielen, werden aus meiner Sicht grundlegende demokratische Spielregeln verletzt.
In die Diskussion ist die Kultur und der Stil der Ratsarbeit gekommen: wie bewerten Sie diese insgesamt?
Noch mal: Die Zusammenarbeit und das Miteinander im Rat erlebe ich überwiegend positiv geprägt und konstruktiv. Dass es an einzelnen Stellen mal „knallt“ ist für mich noch lange kein Indiz dafür, dass die Kultur der Zusammenarbeit in Schieflage geraten ist. Am Ende ist es wichtig, dass wir im Verlauf und auch nach den Sitzungen uns in die Augen schauen können und inhaltlich wie menschlich zueinanderfinden. Dennoch werde ich mich mit allen Fraktionen und Ratsmitgliedern noch einmal zusammen setzen, um über unsere demokratischen Grundwerte und unseren gegenseitigen wertschätzenden Umgang miteinander zu sprechen und diesen auch einzufordern.
Wie würden Sie Ihr Verhältnis als Bürgermeister und Verwaltungschef zu den Parteien im Rat beschreiben?
Wer mich kennt weiß: Ich bin jederzeit für die Fraktionsmitglieder und einzelnen RatskollegInnen über verschiedenste Kanäle ansprechbar. Viele nutzen diese Möglichkeit. Ich habe zu Beginn meines Amtsantritts angeboten, Fraktionsgespräche zusätzlich zum Ältestenrat und weiteren Gremien zu führen und erneuere gerne hiermit dieses Angebot. Ebenfalls steht mein Angebot, in die Fraktionssitzungen zu kommen, um über die Vorlagen des Rates zu sprechen. Das hierzu öfter und regelmäßig Einladungen und Gespräche seitens der SPD-Fraktion erfolgen, ist aufgrund meiner Vita erwartbar. Aber als Bürgermeister will ich selbstverständlich allen Fraktionen und Ratsmitgliedern als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. In jeglichem Arbeitskontext lebt die Zusammenarbeit von einem guten Miteinander. Zu vielen habe ich persönlich und teilweise auch privat ein sehr enges vertrauensvolles Verhältnis – parteiübergreifend.
So blickt die FDP auf die Ratsarbeit>>>
Sehen Sie mit Blick auf die kommunalpolitischen Verfahren auch Dinge, die Sie hätten besser machen können?
Wichtig ist es mir zu betonen: Wir haben gute Fachausschüsse, zu denen wir uns im Vorfeld viele Gedanken gemacht haben. Einige Ausschüsse haben wir als Verwaltung ganz neu eingerichtet, wie den Ausschuss für Nachhaltigkeit, Digitaler Wandel und Stadtgesellschaft und den Ausschuss für Sicherheit und Ordnung. So haben wir gemeinsam die fachliche Kompetenz erweitern können und bereichern die jeweiligen Diskussionen. In diese Fachausschüsse geben wir gut vorbereitete Vorlagen, die dann dort diskutiert werden und gegebenenfalls mit Empfehlungen in den Rat gegeben werden. Die hohe Anzahl der mehrheitlich positiv beschlossenen Vorlagen macht deutlich, dass dieses Verfahren gut funktioniert. Mit ein paar der jüngsten kommunalpolitischen Verfahren wurde allerdings Unsicherheit bei den wirklich Betroffenen, wie zuletzt ganzen Schulgemeinschaften, erzeugt. Das ist ein Punkt, der mir als Bürgermeister nahegeht. Hier möchte ich künftig, dass wir vonseiten der Verwaltung die Betroffenen noch besser mitnehmen.
Verspüren Sie bereits Tendenzen zum Wahlkampf im politischen Handeln der Parteien mit Blick auf 2025?
Das können nur die Parteien selbst beantworten. Ich persönlich bin weit weg von Wahlkampf. Mit dem Antreten als Bürgermeister bin ich von Anfang an mit großen Themen konfrontiert worden, die überwiegend nicht vorhersehbar waren: Angefangen von Flüchtlingskrise, Klimakrise mit ihren schon jetzt sehr deutlich spürbaren Auswirkung direkt vor Ort, Energiekrise und Corona oder auch dem Mega-Projekt des Rathausneubaus und der umfangreichen Sanierungen. All diese Themen bewältige ich als Bürgermeiste gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen für die Menschen in dieser Stadt und gebe gemeinsam mit meiner Verwaltung mein Bestes dafür. Bürgermeister bin ich 24/7 mit jeder Faser und werde das ohne Kalkül weiter sein und beschäftige mich nicht mit meinen oder anderswo veranlassten Wahlkampfdingen.
Was sind für Sie die nun größten Herausforderungen im Stadtrat?
Vorsitzender des Rates ist ein Teil meines Amtes. Als Verwaltungschef mit in der gesamtstädtischen Verwaltung rund 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt auch den Kolleginnen und Kollegen sowie der Organisation meine besondere Aufmerksamkeit. Und die Führung und Organisationshoheit liegt immer und unwiderruflich nach Gemeindeordnung beim Bürgermeister. Ebenso die Verantwortung in den Gremien unseres Klinikums oder auch unserer Stadtwerke. Mit den neuen Formaten der Online-Sprechstunden, Unternehmensstammtisch, Jugendsprechstunden und auch dem neu startenden Bürger/-innenrat können viele schwierige Themen mit und in der Bürgerschaft gut begleitet werden. Letztlich fallen die Entscheidungen dann aber im Stadtrat. Als eine der vorrangigen Aufgaben muss es einen Konsens in der Schulentwicklungsplanung geben. Dazu werden wir schon im Dezember eine Entscheidung treffen müssen. Insgesamt werden wir vor dem Hintergrund der genannten Krisen verantwortungsvolle, maßvolle gemeinschaftliche Entscheidungen vor allen in finanziellen Fragen mit Blick auf Bauprojekte treffen müssen.
Gibt es aktuell nicht andere Probleme, die die Menschen beschäftigen?
Neben dem „normalen“ Alltagsgeschäft liegt mein Augenmerk besonders auf der Bewältigung der Krisen und deren Szenarien – von den Auswirkungen des Krieges bis hin zu Energie- und Klimafragen sowie Corona. Dabei den Blick auf „Arnsberg 2030“ und die Ziele der Strategie halten und die Stadt gemeinsam nachhaltig entwickeln und für unsere Bürger nach vorne bringen. Bei all den großen Themen geht es aber auch immer darum, viele Herausforderungen vor Ort, die das Leben der BürgerInnen direkt prägen, gut zu begleiten: Wie bezahlbaren Wohnraum schaffen, Mobilitätsfragen endlich entscheidend nach vorne bringen und nicht zuletzt als Stadt dem Label „Familienfreundlich“ nach Schaffung Hunderter neuer Plätze bei toller Qualität auch beim Punkt der Kita-Gebühren gerecht zu werden.