Neheim. Das St.-Ursula-Gymnasium befasst sich im Geschichtsunterricht mit der DDR. Positive Resonanz bei Schülern

Die einen mögen es, andere wiederum hassen es. Die Rede ist vom Schulfach Geschichte. Nicht selten begründen Schülerinnen und Schüler ihre chronische Unlust mit dem Begriff Langeweile. „Warum soll ich etwas lernen, was Jahrzehnte, Jahrhunderte und manchmal sogar Jahrtausende zurückliegt?“ Diese Frage stellen sich dann viele Jugendliche, wenn sie in der Schule sitzen und sich mit den Römern, der Französischen Revolution oder dem Deutschen Kaiserreich befassen müssen.

Aufregung um einen Brunnen in Sundern>>>

Fabian Timpe sieht das alles ein bisschen anders. Er ist Geschichtslehrer am St.-Ursula-Gymnasium in Neheim und versucht, den Unterricht eben alles andere als langweilig zu gestalten. Im Gegenteil, sein Anspruch ist es, Schülerinnen und Schülern das Thema möglichst spannend und vielfältig zu präsentieren. „Wenn wir über den 1. oder 2. Weltkrieg sprechen, ermutige ich beispielsweise die Kinder und Jugendlichen, auch historische Zeugnisse aus der Familie mitzubringen. Das können dann auch mal alte Feldpostbriefe der Soldaten sein“, erklärt Timpe.

Direkte Quelle der Vergangenheit

Generell ist der Studienrat großer Freund der sogenannten „Oral History“ – also den Zeitzeugenberichten. „Das, was Zeitzeugen zu berichten haben, kann ich als Pädagoge gar nicht leisten. Sie können den Alltag der damaligen Zeit mit eindrücklichen Worten schildern. Sie sind also eine direkte Quelle der Vergangenheit und deshalb sehr wichtig.“ Timpe weiß aber auch, dass mit fortschreitender Zeit immer mehr dieser Zeitzeugen wegfallen. „Es gibt heutzutage nicht mehr viele Überlebende der Konzentrationslager während der NS-Zeit. Aber wir haben zum Glück noch viele Zeitzeugen aus der DDR.“

Und deshalb war Timpe auch so froh, dass es ihm unlängst gelang, auf Vermittlung der Konrad Adenauer Stiftung den ehemaligen DDR-Bürger Christoph Hecke nach Neheim zu bringen. 90 Minuten lang berichtete Hecke aus seinem Leben hinter der Mauer. Was es zum Beispiel bedeutete, dass er nicht in den Westen reisen durfte und wie die Meinungsfreiheit in einer Diktatur unterdrückt wurde.

Noch mehr Historisches>>>

Im Anschluss durften die Schülerinnen und Schüler, die den Vortrag verfolgt hatten, dem Zeitzeugen auch noch Fragen stellen. So berichtete Christoph Hecke über ein Problem, das damals wie heute ein großes Thema ist – die Umweltverschmutzung. In den Flüssen auf DDR-Gebiet gab es kaum noch Fische und überall stank es nach Kohle und Schwermetall. Hecke erklärte den interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern aber auch, wie schwer es für ihn war, seine Familie zu besuchen, nachdem er 1979 aus der DDR ausgewiesen wurde. „Es ging nur, wenn wir uns in Polen und Tschechien sahen. Und es gehörte ein großer Aufwand dazu, weil alles immer von der Stasi beobachtet wurde.“

Positive Resonanz bei Schülern

Die beiden 17-jährigen Schülerinnen Theresa Kemper und Emilia Sczesny sowie der 15-jährige Schüler Niklas Grabitz gehörten zu dem Auditorium, das den Worten Christoph Heckes aufmerksam folgte. „Ich finde das Thema wahnsinnig wichtig. Denn im Schulunterricht wird die DDR gerne vergessen. Dabei waren es schreckliche Zustände für einen Teil Deutschlands, und diese Zeit liegt noch gar nicht lange zurück“, berichtet Theresa Kemper. Emilia Sczesny pflichtet ihr bei und hat einen Wunsch: „Ich fände es besser, wenn man die DDR früher im Geschichtsunterricht thematisieren und vor allen Dingen weiter vertiefen würde.“

Diese Wünsche fallen auf fruchtbaren Boden, wenn es nach Fabian Timpe ginge. „Es ist leider aktuell so, dass es von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gehandhabt wird. In Berlin oder Thüringen wird die DDR im Schulunterricht natürlich deutlich ausführlicher besprochen. Hier in NRW sind die Lehrpläne beispielsweise schon angepasst worden, aber es ist sicherlich noch viel Luft nach oben, was das Thema betrifft. Ich denke aber, dass es umso wichtiger ist, das aufzugreifen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen in Europa.“

Ein ergreifendes Theaterstück>>>

Diesen aktuellen Bezug erkennt auch die 17-jährige Theresa. „Die Demokratie in Europa gerät ins Wanken. Umso wichtiger ist es, aufzuzeigen, was mit den Menschen passieren kann, wenn sie plötzlich in einem Unrechtsstaat leben müssen.“ Niklas Grabitz wiederum findet auch die Unterschiede in den Schulsystemen zwischen der DDR und der BRD spannend. „Dass es im Osten damals schon diese Form von Gehirnwäsche in den Schulen gab, war mir anfangs gar nicht so bewusst und kann man sich heutzutage auch nicht mehr vorstellen.“

Theresa, Emilia und Niklas fänden auch Exkursionen zu DDR-Gedenkstätten gut. Dabei stoßen sie bei Fabian Timpe auf offene Ohren. „Ich bin ein großer Freund von außerschulischen Lernorten. Aber durch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie hinsichtlich des Lernstoffs ist so etwas momentan nicht so leicht umzusetzen“, so Timpe. Generell habe er schon mit der Schulleitung gesprochen und auch empfohlen, dass man ein Thema wie die DDR-Zeit künftig ausführlicher behandeln solle. Auch mit der Fachschaft Geschichte gab es bereits Gespräche.

Und bis dahin sind dann Besuche von Zeitzeugen im St.-Ursula-Gymnasium, wie der von Christoph Hecke zuletzt, umso wertvoller. Schon allein, um zu beweisen, dass Geschichte nicht dröge und langweilig sein muss.