Neheim. Pierre Hantzsche und Florian Bordieck sind homosexuell. Darum hofft das Paar auf mehr Wahrnehmung der Community innerhalb der Stadt Arnsberg.
Pierre Hantzsche und Florian Bordieck lieben sich. Sie sind schwul. Das Paar lebt seit 2018 zusammen in Neheim. In unserer Zeit ist das nichts Ungewöhnliches mehr, auf den ersten Blick zumindest.
Schauen wir genauer hin, begegnen den beiden auf ihrem Lebensweg Herausforderungen, die Heterosexuelle so nicht erfahren. Es hat sich schon viel getan, finden sie. Doch sie wünschen sich mehr Sichtbarkeit für ihre Lebensweise — gerade hier in der Kleinstadt.
Aus Sundern und dem Münsterland nach Neheim
Pierre ist 28 Jahre alt, arbeitet als Erzieher in einer Wohngruppe in Sundern und spielt im Theater. Florian ist 35, kommt vom Dorf, ist Versicherungskaufmann und in der Politik.
Ganz normal. Dass die beiden ein Paar sind — auch ganz normal. „Und trotzdem werden wir auf der Straße manchmal noch komisch angeguckt, wenn wir Händchen halten.“
Gut in Arnsberg aufgenommen
Irritierte Blicke sind zum Glück „das Schlimmste“, was den beiden begegnet. „Seitdem wir hier in Arnsberg sind, hatte nie jemand ein offensichtliches Problem mit unserer Sexualität“, sagt Florian.
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In Pierres Schulzeit sah das noch anders aus: „Ich war immer anders, mochte Popstars und Singen. Damit hatte ich es damals schwer“, erinnert er sich.
Mit seinem Outing hat es gedauert. Auch Florian wartete damit, bis er aus seinem Heimatdorf im Münsterland nach Düsseldorf gezogen war. Die Reaktionen: Durchweg positiv. Bei beiden. „Es hat sich schon vieles getan.“
Mehr queere Veranstaltungen?
Aber dass schon viel erreicht wurde, ist kein Grund, sich zufrieden zu geben. „Wenn ich noch einmal 18 Jahre alt wäre und noch nicht so selbstbewusst wie heute, wüsste ich nicht, wen ich hier in Arnsberg um Hilfe bitten sollte“, sagt Pierre.
Aus den Großstädten, in denen Florian schon gelebt hat, kennt das Paar viele Aktionen für die Community: „Bunte Abende“ in Restaurants oder Cafés, zu denen jeder kommen kann. Projekte in Schulklassen. Aufklärung, auch in den Medien.
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Wenig Präsenz von LGBTQ im Sauerland
Im Sauerland hat die nicht-heterosexuelle Gruppe bisher eher weniger Präsenz.
Dass die aber wichtig ist, haben die beiden auch gemerkt, als das queere Café in Neheim eröffnet wurde. Eine Treffpunkt für junge Menschen, die transsexuell oder nicht heterosexuell sind. Quasi für alle, deren Lebensstil von der heterosexuellen Norm abweicht. „So viele ältere Leute haben da auch gesagt: Schade, dass es sowas früher nicht gab“, sagt Florian.
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Die Zwei jedenfalls wären offen für solche Veranstaltungen, auch dabei zu helfen. Und dafür ist es ihnen auch wichtig, in den Medien wahrgenommen zu werden, und Klientel zu erreichen, das sich in der Materie nicht so gut auskennt.
Klischee „schwul“ in den Medien
Gerade in der Serien- und Filmwelt werden immer noch gewisse Klischees für die Darstellung der Gruppe genutzt. Wie die von Michael Bully Herbig in „Der Schuh des Manitu“ oder „Traumschiff Surprise“. Dabei bedeute schwul nicht gleich schwul.
„Ich will ja auch nicht als Schwuler gelten. Sondern einfach als Pierre.“ So lange man niemandem schade, könne man doch tun und lassen, was man will. „Das Leben ist bunt.“ Was zählt und gefeiert werden sollte, ist die Persönlichkeit und nicht die Sexualität.
Aufklärung von Stereotypen
Die Hemmschwelle müsse abgebaut werden, Angebote und Aufklärung für Kinder ausgeweitet. „Die Gesellschaft versucht immer, alles zu kategorisieren, labeln sagt man heute“, erklärt Pierre. Dabei sei das doch gar nicht nötig.
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„Männer dürfen auch sensibel sein, sie müssen nicht immer stark sein“, so Florian. „Die Welt ist voller Heterostereotypen, immer noch.“ Blau muss nicht für Jungen sein, Pink nicht für Mädchen. „Und Schwule sind nicht immer überdreht und feminin“, sagt Pierre.
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Alibifreundin statt Outing
Diese Stigmatisierung der Homosexualität führt häufig dazu, dass Menschen sich nicht zum Outing überwinden, stattdessen ein Doppelleben führen.
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Und selbst wenn das nachgelassen hat, tun sich für homosexuelle Paare weiter Probleme auf: „Über ein Kind denkt man zweimal nach. Man möchte ja nicht, dass es gemobbt wird“, erklärt Florian.
Es hat sich schon einiges getan, seit den frühen 2000ern. Heute lernen Kinder in Biologie viele Familiensysteme kennen, nicht nur „Vater, Mutter, Kind“. Durch die Coronapandemie und den Krieg bekommt die mentale Gesundheit wieder mehr Aufmerksamkeit. Bald kommt das Selbstbestimmungsgesetz.
Aber es geht noch mehr – gerade in den ländlichen Gebieten Deutschlands. Und dazu gehört es erstmal, sichtbar zu werden. In der Öffentlichkeit, durch Medien, Angebote und Veranstaltungen.