Niedereimer. Transsexuelle Arnsbergerin kämpft um Bewilligung der Hormontherapie und geschlechtsangleichender Operation.

Für Emma Viegener ist klar. „Als Mann kann ich nicht weiterleben“, sagt sie. Deswegen will sie auch nicht aufgeben und klein beigeben. Die 52-Jährige aus Niedereimer will kämpfen um ihre Zukunft als Frau, aber auch um die gesellschaftliche Akzeptanz von Transsexualität. Sie, die jetzt noch lebt in einem männlichen Körper, muss weiter harte Bretter beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) bohren, um Therapien und Operationen zur Geschlechtsangleichung bewilligt zu bekommen. Ihr kommt es vor wie ein Kampf gegen Windmühlen.

Vollständiges Outing der Transsexualität vor zwei Jahren

Emma Viegener (52) wurde als Christian in der Stadt Hagen geboren.

Vor fünf Jahren zog sie mit ihrer Frau Katrin Viegener nach Arnsberg. Beruflich tätig sind bzw. waren beide in der Altenpflege - als Altenpflegerin und Seniorenbetreuungsassistentin.

Transsexualität oder Transsexualismus bezeichnet laut Wikipedia die subjektive unvollständige Identifikation eines Menschen mit seinen objektiven ganzheitlichen Geschlechtsmerkmalen. Verspürt wird das vielfach schon in der Kindheit.

Öffentlich steht Emma Viegener seit zwei Jahren zur Identifikation als Frau. Das Outing innerhalb der Ehe erfolgte vor vier Jahren.

Geboren als Christian

Emma Viegener ist transsexuell. Geboren wurde sie als Christian. Mit diesem Namen ist sie nach wie vor beim Einwohnermeldeamt und auf dem Personalausweis registriert. Unabhängig von der medizinischen Geschlechtsanpassung ist ein Antrag beim Landgericht Dortmund auf Personenstandsänderung gestellt. „Bis dahin habe ich einen sogenannten Ergänzungsausweis, der mich zum Beispiel berechtigt, mein Konto auf den weiblichen Namen anzulegen“, erzählt sie.

Der medizinische Weg ist beschwerlicher. Und hat eine Vorgeschichte: „Ich fühlte mich als Kind schon immer mehr zu Mädchen und Frauen hingezogen“, erzählt Emma Viegener. Der klassische Bursche war sie als Christian nicht. Sie hatte Beziehungen als Mann zu Frauen. „Ich habe aber immer gewusst, dass ich vielleicht eine Frau bin, es aber verdrängt“, sagt sie. In den 80er-Jahren war Transsexualität ja ohnehin noch ein Tabuthema.

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Internes Outing

Ihr internes Outing gegenüber ihrer Frau Katrin hatte Emma vor gut vier Jahren - initiiert durch ein Fotoshooting in Frauenkleidern. Seitdem lebt sie als Frau schon an der Seite ihrer Frau. „Es wurde aber immer schwieriger, sich zu verstecken“, erzählt Emma Viegener. Eines Tages, nachdem sie ihre Frau zur Arbeit gebracht hatte, fasste Emma den Mut und fuhr zum Möhnesee und ging dort als Frau spazieren.

Das war der Durchbruch - in vielerlei Hinsicht. Bis dahin hatte sie Angststörungen und eine Art Menschen-Phobie. „Durch mein öffentliches Frau-Sein ist das weg“, erzählt sie. Sie lebe besser und traue sich rauszugehen. „Emma ist viel selbstbewusster geworden“, sagt Ehefrau und Altenpflegerin Katrin. Ob die psychischen Störungen, die zur Arbeitsunfähigkeit Emmas in ihrem Beruf als Altenbetreuerin führten, eine Folge der lange nicht gelebten Transsexualität sind, kann Emma Viegener nur spekulieren. Sie weiß aber heute: „Ich habe mich 50 Jahre lang verkleidet!“

Emma Viegener in ihrer Küche in Niedereimer.
Emma Viegener in ihrer Küche in Niedereimer. © Martin Haselhorst

Hormontherapie ist Grundlage

Das soll aufhören. Jetzt trägt Emma Frauenkleider und die Haare lang, dezente Schminke und Schmuck. Der Körper aber ist noch der eines Mannes. „Da bin ich auf Status null“, erzählt Emma.

Im ersten Schritt muss eine Hormontherapie her. Der MDK verlangt für eine Kostenübernahme einen einjährigen Alltagstest, den Emma aber schon mindestens zwei Jahre hinter sich hat. Auch die Diagnose F 64.0 auf Anerkennung als Transsexualität wurde gestellt. Ein transsexueller Lebenslauf muss nachgewiesen und psychologische Gutachten vorgelegt werden. Eine Kostenübernahme wurde abgelehnt. „Man sei nicht sicher, ob es nicht andere Gründe für meine Transsexualität geben könnte“, so Emma Viegener. Es kam wiederholt zum Widerspruch, verzögerten Prozessen und einem Verstreichen von Fristen. „Jetzt geht alles wieder von vorne los“, fürchtet Emma Viegener. Dabei könne sie sofort loslegen. „Ich habe hier keinerlei Probleme mit sozialer Akzeptanz im Ort“, erzählt die Frau. Auch ihre Eltern haben inzwischen keine Probleme damit. „Natürlich war es erst nicht leicht für sie. Sie hatten ja 50 Jahre lang einen Sohn gehabt und jetzt eine Tochter“.

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Medizinischer Eingriff

Emma Viegener will die weiteren Schritte gehen. Erst nach sechsmonatiger Hormonbehandlung empfiehlt sich eine Gesichtshaarentfernung durch eine Lasertherapie. „Der Bartwuchs ist für mich wirklich ein Problem“, sagt Emma Viegener. Erst zwei Jahre nach Beginn der Hormontherapie kann die geschlechtsangleichende Operation erfolgen. Das Brustwachstum spielt für Emma Viegener nicht die große Rolle. „Ich will ja keine Dolly Buster sein“, erzählt sie. Ein schwerwiegender medizinischer Eingriff ist die OP in mehreren Schritten an den Genitalien: künstliche Vagina, Modellieren von Schamlippen aus Hodensack und Klitoris aus Penis. „Der Prozess würde alles in allem drei Jahren dauern“, sagt Emma Viegener. Und Schritt für Schritt muss sie sich von der Krankenkasse genehmigen lassen.

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So kurios es klingt: Transsexualität muss für die Kassen als Krankheit gelten - und die Hormonbehandlungen und OP sollen helfen, diese zu lindern. Emma Viegener fühlt sich nicht krank, nur gefangen im falschen Körper. Das bremst sie aus: „Wenn ich wüsste, es geht endlich voran, könnte ich auch wieder erwerbstätig werden“, sagt sie. Ein „normales“ Leben führen als Frau.