Hüsten. Liegt das Sauerländer Silicon Valley in Arnsberg? Dort hat Anna Diehl das Start-Up „Learniversity“ gegründet. Ein Blick auf die Idee dahinter.

Es ist eine Situation, wie sie jeder aus einem Weiterbildungsseminar kennt. Die Referentin Paula begrüßt herzlich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem Konferenzraum eines Büros. Das Ungewöhnliche: In dem Raum befindet sich außer Paula niemand, alle Stühle sind unbesetzt. Denn Paula ist nicht real, sondern eine virtuelle Simulation der digitalen Lernplattform „Learniversity“.

Vor etwa anderthalb Jahren hat die gebürtige Arnsbergerin Anna Diehl das Start-Up in Hüsten gegründet und leitet es bis heute als Geschäftsführerin. Die 32 Jahre alte studierte Betriebswirtin will damit einen Prozess anstoßen, vor dem einige Firmen im Sauerland derzeit stehen: Ein traditionsreiches Familienunternehmen als künftige Nachfolgerin digital zu transformieren.

Bereits im Jahr 2013 stieg Anna Diehl in das von ihren Eltern Reinhard und Christiane Schnettler 1992 gegründete Hüstener Unternehmen „PTS Training Service“ ein. In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Firma zu einem in Europa anerkannten Weiterbildungszentrum für die Pharma- und Medizinproduktindustrie etabliert.

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Nach wie vor besteht das traditionelle Geschäftsmodell im Wesentlichen aus Präsenzveranstaltungen von Seminaren in Hotels. Mit der Lernplattform „Learniversity“ möchte Anna Diehl nun den Digitalisierungsprozess vorantreiben und damit auch außerhalb der Pharma-Branche neue Zielgruppen ansprechen – darunter auch regionale Mittelständler aus Arnsberg und der Umgebung.

Wie „Learniversity“ die junge Generation ansprechen möchte

Dabei setzt „Learniversity“ auf einen fortlaufenden Trend, der in der Corona-Pandemie noch einmal beschleunigt wurde. Durch neue digitale Technologien lässt es sich zum einen viel besser von überall aus lernen. Seminare als Präsenzveranstaltungen werden seltener angeboten oder als hybride Modelle im Einklang mit Webinaren oder E-Learnings organisiert.

Die animierte Referentin Paula begrüßt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des E-Learnings.
Die animierte Referentin Paula begrüßt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des E-Learnings. © Learniversity | Anna Diehl

Zum anderen führt Anna Diehl veränderte Lebensmodelle in den nachkommenden Generationen als einen weiteren Treiber für die Geschäftsgründung an. Als junge Mutter im Alter von 32 Jahren und zwei Kindern erlebe sie selbst, dass digitale Weiterbildungsformate freundlicher seien, „um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen“, erklärt sie.

Bei „Learniversity“ umfasst die digitale Lernplattform drei Geschäftsbereiche:

  • Erstens bieten Anna Diehl und ihr Team von derzeit fünf Mitarbeitenden sogenannte Webinare und E-Learnings für die persönliche Weiterbildung der Kundinnen und Kunden an.
  • Zweitens können Unternehmen die „Learniversity“ damit beauftragen, ein internes Schulungssystem – ein sogenanntes Learning Management System – für die eigenen Mitarbeitenden zu entwickeln.
  • Drittens erstellt die „Learniversity“ für unabhängige Referentinnen und Referenten, die von der modernen Unternehmerin gerne „Publisher“ genannt werden, eine Plattform, damit diese ihr Wissen an die Kundinnen und Kunden verkaufen können.

Dabei schaut Anna Diehl aus dem beschaulichen Hüsten auch auf die global agierenden Internetriesen aus dem Silicon Valley in den USA. „Es gibt im Internet eine ausgeprägte Gratismentalität. Die großen Plattformen sind die Profiteure davon“, kritisiert die Betriebswirtin.

Mit der „Learniversity“ möchte sie dieses Prinzip umkehren, damit alle was davon haben: der Kunde kann sich neues Wissen aneignen, die Referentin bekommt Geld für die Vermittlung und die Firma „PTS Training Service“ verdient als Plattformbetreiberin natürlich auch mit. „Eine Win-Win-Win-Situation“, wie es Anna Diehl nennt. Aber kann sich der Hüstener David gegen die Goliaths aus den USA durchsetzen?

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„Für hochwertigen Content ist man gerne bereit, Geld zu zahlen“, meint Anna Diehl zuversichtlich. Konkret sieht das dann so aus: Wer als Referent oder Referentin beispielsweise ein E-Learning anbieten möchte, kann das unter Leitung der Mitarbeitenden der „Learniversity“ vor Ort in dem extra eingerichteten Studio produzieren lassen. Mit dem Greenscreen können später ebenfalls virtuelle Hintergründe wie bei der digitalen Simulation von Referentin Paula in das Video platziert werden – sofern gewollt.

Daten in NRW gespeichert

Für die „Learniversity“ hat die Hüstener Firma „PTS Training Service“ einen Cloud-Standort in Nordrhein-Westfalen gemietet, auf dem die personenbezogenen Daten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Referentinnen und Referenten gespeichert werden.

Wer als Privatkunde oder Unternehmen die Leistungen der „Learniversity“ bucht, erhält zusätzlich eine Qualitätsprüfung, Marketing und Vertrieb sowie ein Zertifikat für den jeweiligen Kurs, um diesen bei Behörden nachweisen zu können. Vor allem in der Pharma-Branche ist das relevant.

Mehr Informationen gibt es auf der Internetseite der digitalen Lernplattform auf www.learniversity.eu.

Möglich sind aber auch unter anderem animierte Erklärvideos oder ein Quiz zur Abfrage der gelernten Inhalte. Diesen so genannten Gamification-Ansatz, also das Prinzip, Elemente aus einem Videospiel für die Wissensvermittlung zu verwenden, gefällt Anna Diehl sehr: „Wissensvermittlung macht viel mehr Spaß, wenn man es spielerisch erlernt“, erklärt sie.

Mit ihrer Unternehmensgründung sieht sich die junge Betriebswirtin Anna Diehl bislang auf einem guten Weg. Hilfreich ist dabei auch der Umstand, dass sie als Nachfolgerin selbst auf einen mehr als 30 Jahre alten Wissensschatz zurückgreifen kann. „Wir haben die Erfahrung, wie man Wissen aufbereiten kann. Künftig soll das unter ihrer Leitung dann auch mit neuen Tools und moderner Software in der digitalen Welt gelingen.