Arnsberg. Vor mehr als 40 Jahren hat das Jugendbegegnungszentrum in Arnsberg eröffnet. Wie sieht es nun aus und was brauchen Kinder derzeit? Ein Einblick.
Raphael Röhrig erinnert sich gerne an die Gruppe Jugendlicher, die vor einigen Jahren das Jugendbegegnungszentrum (JBZ) in der Arnsberger Ringlebestraße 12 besucht hat. „Wir sind J!“, hätten sie immer gesagt. Ein Sinnbild für die starke Identifikation der Clique mit dem Treffpunkt, so der Leiter.
Obwohl die Kinder und Jugendlichen, die das JBZ besuchen, in ihrer Nationalität, ihrem Bildungsverlauf oder ihrer sozialen Herkunft „total divers“ seien, könne immer wieder ein Gemeinschaftsgefüge entstehen, meint der Sozialpädagoge im Gespräch mit dieser Redaktion. Er erklärt, wie das funktionieren kann.
In Arnsberg gibt es vielfältige Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche: Sportvereine, Musikunterricht, Nachhilfe und vieles mehr. Wie wollt Ihr die jungen Menschen vom JBZ überzeugen?
Raphael Röhrig: Wir verfolgen einen anderen Ansatz und haben keine klassische Vereinsstruktur, sondern jedes Kind kann kommen, wann es möchte. Natürlich haben wir Öffnungszeiten, aber alles ist zwanglos. Es gibt immer wieder Kinder und Jugendliche, die nicht in Vereinsstrukturen eingebunden sind und die bei uns eine andere Form der Freizeitbeschäftigung finden. Der „offene Treffpunkt“ zum Beispiel, bei dem die jungen Menschen sich austauschen, Musik hören sowie Tischkicker oder Billard spielen können, ist dabei der Kern unserer Arbeit. Freiwilligkeit ist eines der Grundprinzipien von Jugendbegegnungszentren.
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An wen richtet sich Euer Angebot dann konkret?
Unser Ziel ist es, für alle da zu sein. Aber natürlich entwickeln sich im Alltag immer wieder bestimmte Cliquen heraus, die uns besuchen. Wer kommt, ist von Generation zu Generation, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, sogar von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Wir möchten, dass sich Kinder und Jugendliche im JBZ wohlfühlen und sich hier eine Art „zweites Zuhause“ für sie entwickelt. Sie sollen viel mitbestimmen und dürfen die Räumlichkeiten für ihre Ideen nutzen.
Steckbrief: Das ist JBZ-Leiter Raphael Röhrig
Als Jugendlicher hatte Raphael Röhrig wenig Berührungspunkte mit einem Kinder- und Jugendtreff. „Wir haben uns einfach als Gruppe im Dorf getroffen“, sagt der gebürtige Rumbecker.Als Praktikant während seiner Studienzeit im Fach Soziale Arbeit (Bachelor und Master) lernte der heute 33 Jahre alte Sozialpädagoge das Jugendbegegnungszentrum (JBZ) in Arnsberg kennen.Seit 2013 war er zunächst als pädagogischer Mitarbeiter aktiv, ehe er 2018 die Leitungsfunktion von Peter Radischewski übernahm.
Das JBZ gibt es bereits seit 1976. Sie sind seit fast neun Jahren zunächst als Mitarbeiter und später als Leiter hier aktiv. Wenn Sie zurückblicken, wie hat sich die Jugendsozialarbeit verändert?
In der Zeit, in der ich jetzt hier bin, hat sich auf den ersten Blick nicht viel verändert. Kinder und Jugendliche haben heute viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten in ihrer Freizeit als früher. Social Media spielt dabei eine besondere Rolle. Trotzdem besuchen uns weiterhin viele Kinder und Jugendliche und halten sich auch gerne im Jugendbegegnungszentrum auf. Ich weiß aus Erzählungen von Kolleginnen und Kollegen, die teilweise auch in den 1980er und 1990er Jahren hier gearbeitet haben, dass es immer wieder unterschiedliche Gruppierungen gab – so zum Beispiel auch Punker. Seitdem ich hier bin, ist es eher so, dass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 20 Jahren den „offenen Treffpunkt“ nutzen.
Das JBZ in Arnsberg schult im Bereich Toleranz und Gemeinschaftsbildung
Das ist die Phase, in der sich junge Menschen ausprobieren. Wie helft Ihr ihnen in der Persönlichkeitsentwicklung?
Mit der Kernarbeit, dem „offenen Treffpunkt“, wollen wir sie in allen verschiedenen Lebensphasen begleiten. Wir haben ein offenes Ohr für Anliegen, Interessen und Probleme, egal ob in der Schule, der Familie oder im Freundeskreis. Wir können sie bei der Berufsfindung oder der Wohnungssuche unterstützen. Das Miteinander, das entsteht, wenn zwischen 20 und 30 Jugendliche beim „offenen Treff“ hier sind, sorgt auch immer für niederschwellig Erfahrungen im Bereich der Toleranz und Gemeinschaftsbildung. Das schult die jungen Menschen.
Drei Projekte zurzeit
Das Jugendbegegnungszentrum (JBZ) in der Ringlebestraße 12 in Arnsberg ist ein Haus der offenen Tür in Trägerschaft der katholischen Propsteipfarrei St. Laurentius Arnsberg. Das JBZ wurde am 1. Mai 1976 eröffnet. Seit 2011 hat es einen eigenen Förderverein, den „Freundes- und Förderkreis des JBZ Liebfrauen“.Zurzeit wird jeden Dienstag von 17 bis 21 Uhr, donnerstags von 16 bis 22 Uhr sowie freitags von 16 bis 22 Uhr ein „offener Treffpunkt“ angeboten. In Ergänzung gibt es drei besondere Projekte: den Kinder- und Jugendzirkus Fantastello. Jeden Dienstag von 18 bis 20 Uhr proben die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer für mehrere Zirkusaufführungen in der Stadt. Dabei sollen unter anderem Motorik, Beweglichkeit und Kreativität geschult werden.den Bootsbau freitags in der Zeit von 16 bis 19 Uhr. „Das Projekt gibt es schon sehr lange“, so der Sozialpädagoge. Es richtet sich an junge Menschen, die ein Abenteuer suchen und beim Bau eines Segelbootes handwerklich aktiv sein wollen.den Mädchentreff jeden Montag von 17.30 bis 19.30 Uhr, um jungen Frauen einen geschützten Raum für ihre Anliegen bieten zu können. Die Mädchen können das Programm selbst mitgestalten.Mehr Informationen gibt es auf der Internetseite unter www.jbz-arnsberg.de sowie auf der Facebook- und Instagram-Seite des Jugendbegegnungszentrums.
Welche Anliegen haben die Kinder und Jugendlichen? Auch mit Blick auf zwei Jahre Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen für junge Menschen.
Sie sind einfach wieder froh, dass sie einen Ort außerhalb von Elternhaus und Schule haben, wo sie einfach sie selbst sein und sich ausleben können. Wir haben im JBZ derzeit eine neue Generation von Jugendlichen, die während der Corona-Zeit hier reingeschwappt ist. Mit ihnen sind wir gerade in der sogenannten Aufbauphase. Interessen und Anliegen bilden sich erst heraus, wenn die Kinder und Jugendlichen längere Zeit bei uns sind und wir eine Beziehung aufgebaut und eine Vertrauensbasis haben.
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Wie sieht moderne Jugendsozialarbeit aus?
Wir wissen, dass wir auf Social-Media-Plattformen wie Facebook und Instagram präsent sein müssen. Für uns stellt sich dabei die Frage: Wie werden Kinder und Jugendliche auf uns aufmerksam? Bei Kindern passiert das häufig über die Eltern oder über unsere Vorstellungsrunden in den Schulen. Bei Jugendlichen ist das schwieriger. Vor Corona hatten wir auch zeitweise eine Phase, in der hier wenig los war. Mit unseren besonderen Aktionen wie dem Bootsbau, den Zirkus Fantastello und dem Mädchentreff wollen wir in den Schulen weiter Werbung betreiben. Eine persönliche Ansprache ist dabei wichtig. Es ist aber auch immer ein „Fischen im Dunkeln“, man kann es nicht immer genau sagen, warum die Kinder und Jugendlichen zu uns kommen.