Arnsberg. Die Arnsberger Streetworker Christina Roth und Johannes Eickelmann sind in einem Projekt stadtweit an Brennpunkten in der Jugendarbeit unterwegs.

Sie arbeiten da, wo manch anderer gerne einen Bogen herum macht: direkt an sogenannten Brennpunkten, an denen sich junge Menschen treffen, die mitunter in Konflikt mit ihrer Umwelt geraten oder als vermeintlicher Störfaktoren in der heilen Welt empfunden werden. Und das nicht mit drohend erhobenem Zeigefinger, sondern mit ruhiger Ansprache: die Streetworker Christina Roth (32) und Johannes Eickelmann (32).

„Es ist wichtig, die Jugendlichen vernünftig anzusprechen und nicht sofort mit Sanktionen zu drohen. Wir sind schließlich keine anonyme Task-Force,“ sagt Christina Roth. Entscheidend sei vielmehr, den Grund für ein möglicherweise unpassendes Verhalten von Jugendlichen zu finden. „Weil man dann in der Regel gezielt helfen oder zu einem anderen Verhalten anregen kann.“

Bald stehen den Streetworkern Räumlichkeiten in der „Haltstelle“ zur Verfügung

Schwerpunkte der Streetworker-Arbeit sind die großen Stadtteile Arnsberg, Neheim, Hüsten und Oeventrop.

In den kleineren Ortsteilen gibt es derzeit keine sonderlichen Probleme.

Zielgruppe der Streetworker sind die 14- bis 25-Jährigen.

Die Streetworker übernehmen zudem auf Anfrage - z.B. der Gerichtshilfe - auch Einzelbetreuung in Fällen, in denen die Lebenssituation Jugendlicher schwierig ist.

Die Streetworker in Arnsberg verfügen - wenn Corona es erlaubt - bald auch über Räumlichkeiten für Aktionen und Projektarbeit: die „Haltestelle“ in der ehemaligen Realschule Neheim. Die „Haltestelle“ ist aber keine Konkurrenz zu den bekannten Jugendzentren.

Das Zauberwort dabei ist Vertrauen, die wichtigste Basis von Streetwork. Denn fehle ein solcher Zugang, so Johannes Eickelmann, „dann lässt sich auch wenig bewirken“. Daher werden die Jugendlichen auch stets niederschwellig angesprochen, um in Ruhe in den Dialog eintreten zu können. „Und das passt auch meist.“

So läuft die Arbeit der Arnsberger Streetworker – beide studierte Sozialarbeiter – praktisch in einem privaten Rahmen ab. „Eben auf einer Vertrauensbasis,“ schildert Roth. Allerdings würde ein eher kleiner Teil der kontaktierten Jugendlichen zwar zunächst jeglichen Dialog ablehnen, „aber wenn wir dann doch mit ihnen ins Gespräch kommen, läuft es richtig gut.“ Jugendarbeit habe eben auch viel mit Geduld zu tun.

So seien die Erfahrungen auf beiden Seiten - auf der der Jugendlichen und der der Streetworker - auch mehrheitlich positiv, ergänzt Johannes Eickelmann. „Oft ist es sogar so, dass die jungen Menschen begeistert sind, was das Arnsberger Jugendamt in seiner Gesamtheit so alles bietet. Dann heißt es: ,Hey, ihr macht ja coole Sachen‘.“

Auch Eltern sind beim Grillen dabei

Coole Sachen, das sind zum Beispiel gemeinsame Aktionen mit u. a. dem JBZ Liebfrauen, dem Jugendtreff Gierskämpen, dem KiJu Neheim oder dem Jugendzentrum Hüsten. „Oder einfach ein gemeinsames Grillen,“ erklärt Roth, „zu dem wir die Jugendlichen einladen.“ Und dazu kommen mitunter sogar die Eltern. „Die wollen schließlich richtigerweise wissen, mit wem sich ihre Kinder da treffen,“ ergänzt Eickelmann. Und so wachsen gegenseitiges Vertrauen – und Verständnis. „Deshalb ist es für uns dann auch besonders schön, wenn sich die Jugendlichen von sich aus mit ihren Fragen und Problemen an uns wenden,“ so Christina Roth. Vordringlichste Themen dabei seien Schulabschluss sowie Job- und Wohnungssuche. „Da ist der Bedarf am größten.“

Und weil Streetworker auch gute Netzwerker sein müssen, können Christina Roth und Johannes Eickelmann meist gezielte Hilfe anbieten und Gespräche mit ihren Kooperationspartner wie Jobcenter, Schulsozialarbeit oder auch – wenn nötig – Jugendgerichtshilfe anbieten. „Auf Wunsch begleiten wir dabei die Jugendlichen, weil sie mit uns bereits vertraut sind,“ erklärt Roth. „Denn jeder neue Kontakt ist für sie auch eine neue Hemmschwelle.“

Alle Ressourcen nutzen

Ziel der Streetworker ist es, unter Nutzung aller Ressourcen des Arnsberger Jugendamtes und der Kooperationspartner, den Jugendlichen auf eher unkonventionelle Weise langfristige Perspektiven für ein geregeltes Leben und für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Geschehen aufzuzeigen. „Daher ist es besonders gut,“ so Eickelmann, „wenn sich die jungen Menschen aktiv in unsere Projekte und Aktionen integrieren lassen.“ So erfahren sie, dass man Einfluss nehmen kann, „aber vor allem wird ihr Handeln Wert geschätzt und sie werden Ernst genommen. Und das ist sehr wichtig für ihre weitere Entwicklung.“ So soll auch zeitnah das Projekt „#mischdichein“ starten, das Jugendliche für das politische Geschehen interessieren soll.

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Die beiden engagierten Streetworker werden im Rahmen ihrer Arbeit häufig auch von Erwachsenen, die an den sogenannten Brennpunkten wohnen, kontaktiert. Christina Roth: „Auch die finden es dann toll, mit in mögliche Lösungsfindungen einbezogen zu werden und sind dankbar dafür.“ Und ganz nebenbei entstehe so gegenseitiges Verständnis – als ein Kitt für gesellschaftliches Miteinander.

Das Pilot-Projekt „Streetwork“, angesiedelt im Jugendamt der Stadt, ist im Dezember 2019 angelaufen und endet bereits im November 2021. Doch die Stimmen mehren sich, diese Form der mobilen Jugendarbeit zu entfristen. Weil sich dahinter eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe verbirgt, die in anderen Kommunen seit langen Jahren von Erfolg gekrönt ist.

Hinzu kommt: Die Corona-Pandemie hat durch die damit verbundenen vielen Einschränkungen die Arbeit auch der Streetworker stark beeinträchtigt. „Im Normalfall ist hier noch viel mehr möglich,“ sagt Christina Roth.

Drei Fragen an: Chantal Debus (CDU), Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses

1 Wo sehen Sie die Wirksamkeit von Streetwork für die Stadt?

Streetwork holt die Kinder und Jugendlichen dort ab, wo sie eben gerade sind – an allen bekannten Treffpunkten in der gesamten Stadt. Streetworker gehen auf einer anderen Ebene auf die Kids zu, als das vielleicht Behörden oder die Polizei tun. Da geht es oft um Autorität, Verbote und Konsequenzen. Die Arnsberger Streetworker zeigen jedoch Alternativen auf, reichen Hände in Problemsituationen und sind Ansprechpartner, die alle von der Stadt angebotenen Freizeitmöglichkeiten und Hilfe­stellungen kennen und auch vermitteln können. Kinder und Jugendliche sollen sich in dieser Stadt gut aufgehoben fühlen – und die beiden tragen, gemeinsam mit den anderen Akteuren der Jugendhilfe, mit ihrer Arbeit einen ganz wesentlichen Teil dazu bei.

Chantal Debus (CDU), Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses.
Chantal Debus (CDU), Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses. © WP | CDU Arnsberg

2 Wie stehen Sie zur unbefristeten Fortführung der Arbeit?

Tina und Jo haben einen guten Draht zu den Kids, was ihre Arbeit umso wertvoller und erfolgversprechender macht. Daher werde ich mich dafür einsetzen, dass die bisher bereits eingerichteten Stellen langfristig als unbefristete Stellen in den Stellenplan der Stadt Arnsberg aufgenommen werden.

3 Rechnen Sie dafür mit breiter politischer Unterstützung?

Am langen Ende geht es leider, wie so oft bei solchen Themen, ums liebe Geld. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir zu diesem Thema einen Konsens finden, den alle wichtigen politischen Parteien im Rat gemeinsam zu einem Beschluss tragen.