Neheim. 17 Portraits erinnern an Zwangsarbeiterinnen, die bei der Möhnekatastrophe ertranken. Das Denkmal wurde jetzt seiner Bestimmung übergeben.
Ein Abend mit großer Bedeutung – so lässt sich die offizielle feierliche Eröffnung des Denkmals „Opfer der Möhnewiesen“ wohl am besten beschreiben. Lange vor dem Start des Kunstprojektes wusste die Künstlerin Astrid Breuer bereits, dass es eine Herzensangelegenheit ist. Die Recherchen der Geschichtswerkstatt „Zwangsarbeit Arnsberg“ sorgten dafür, dass Breuer nicht mehr vom Thema loskam. Schließlich stieß sie auf eine Abschlussdokumentation mit den Personalkarteikarten der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.
Früheres Zwangsarbeiterlager in der Nähe des heutigen Ateliers von Astrid Breuer
Die handschriftlichen Vermerke „bei Wasserkatastrophe ertrunken“ neben den Lichtbildern gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. „Der Gedanke, dass nur wenige Meter von meinem Atelier entfernt, Hunderte Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ihr Leben verloren hatten, ließ mich einfach nicht mehr los. Das musste ich künstlerisch aufarbeiten, für mich und für diese Stadt“, erklärt Breuer.
Mit 17 Schülerinnen und Schülern des Neheimer St.-Ursula-Gymnasiums gestaltete sie 2016 dann 17 Zwangarbeiterinnen-Portraits, welche 2018 den NRW-Jugendkulturpreis erhielten. Den Standort für das Kunstwerk betrachtet sie als richtig: „Hier trifft junges Leben auf wichtige Geschichte, dass freut mich sehr. Andererseits finde ich die Symbolik des Ortes sehr berührend. Nicht weit von hier war eines der Arbeitslager. Viele verloren genau hier ihr Leben.“
Nicht rostende Stahlplatten
Nun wurden die 17 Portraits offizielle ihrer Bestimmung übergeben. Das Werk soll Erinnerungs- und Mahnmal zugleich sein. Damit die Erinnerungsstätte möglichst lange erhalten bleiben kann, wurden die Portraits aus nicht rostenden Stahlplatten gefertigt. Auch Wilm-Hendric Cronenberg, Vorsitzender der Bürgerstiftung Arnsberg, lobt das Projekt: „Sobald das Virus es zulässt, wollen wir mit dieser Arbeit an die Schulen. Ich denke, dass weckt mehr Emotionen als die Schulbücher.“
Allein in Neheim starben mehr als 840 Menschen
Die Möhnekatastrophe ereignete sich während des Zweiten Weltkriegs in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943. Britische Bomberpiloten zerstörten die Möhnesperrmauer und eine Flutwelle ergoss sich ins Möhnetal.
Die Zerstörungen waren in Neheim besonders groß. Die meisten der Opfer waren eingeschlossene Zwangsarbeiterinnen.
Allein in Neheim starben mehr als 700 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen sowie über 140 Neheimer Bürger und Bürgerinnen. In der Region starben insgesamt 1285 Menschen (diese Zahl stammt vom Neheimer Möhnekatastrophen-Denkmal in der Fußgängerzone).
Reiner Ahlborn, der damals die Recherchen der Geschichtswerkstatt „Zwangsarbeit Arnsberg“ leitete, erklärt, warum das Projekt wichtig ist. „Jeder Sechste, der damals in Neheim lebte, war ein Zwangsarbeiter. Viele Zeitzeugen erinnern sich an das Geräusch der Holzschuhe, es war das Zeichen, sich für die Schule fertig zu machen. An den Wochenenden konnten Bürger sich Zwangsarbeiterinnen ausleihen, für die Haus- und Gartenarbeit. Was haben sie getan, um das Leid dieser Menschen zu lindern? Uns wurde oft gesagt, wir sollen diese alten Geschichten ruhen lassen und endlich einen Schlussstrich ziehen. Aber das geht nicht. Wir tragen eine moralische Verantwortung.“
Namen der ertrunkenen Zwangsarbeiterinnen wurden verlesen
Das bestätigt auch Bürgermeister Ralf Paul Bittner. Sichtlich emotional erklärt er, wie unvorstellbar es sei, dass noch 75 Jahre nach den grausamen Vorfällen in Deutschland, über aufkommenden Antisemitismus gesprochen werden muss. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. So steht es in unserem Grundgesetz. Wir alle müssen dafür eintreten.“ Zwischen den Reden wurden die Namen der verstorbenen Zwangsarbeiterinnen unter Einsatz von Licht- und Nebeleffekten verlesen. „Niemand soll vergessen werden“, so lautet das Credo des Abends.