Neheim. Porträts ertrunkener Zwangsarbeiterinnen hängen jetzt an der Neheimer Autobahnbrücke. Die Künstlerin will ihre Geschichten erzählen.
Hoch oben an den Pfeilern der Autobahnbrücke hängen sie nun, Passanten schauen zu ihnen hinauf: Es ist in dieser Hinsicht auch ein radikaler Perspektivwechsel, den Künstlerin Astrid Breuer mit der Installation von 17 Schwarz-Weiß-Porträts ukrainischer Zwangsarbeiterinnen schafft.
Im Zweiten Weltkrieg schauten viele Deutsche zu den Mädchen und Frauen herab, wer ihnen jetzt ins Gesicht blicken möchte, muss den Kopf heben. Wo die Frauen nun im 21. Jahrhundert mit entspannten Gesichtszügen auf das Leben blicken, kämpften sie in der Nacht der Möhnekatastrophe vergeblich gegen das Ertrinken. Eingesperrt in Baracken hatten sie keine Chance, den tödlichen Wassermassen zu entkommen.
An ihr Schicksal hat die Neheimer Künstlerin Astrid Breuer schon mit mehreren viel beachteten Projekten erinnert. Jetzt soll ihre Geschichte dauerhaft im Stadtleben präsent sein. „Ich habe lange darauf hingearbeitet und freue mich, dass es jetzt so weit ist“, sagt Breuer. Mit Unterstützung von Bürgerstiftung, Aktivem Neheim, Stadt Arnsberg und KunstWerk entsteht so ein besonderer Erinnerungsort.
Rund 10.000 Euro hat allein der Druck der Metallplatten gekostet, die jeweils zwei Meter hoch und einen Meter breit sind. Je nach Lichteinfall werden zu einer Art Polaroid oder spiegeln die Umgebung – ein gewollter Effekt. Vergangenheit und Gegenwart, Erinnerung und Vergessen, Leben und Tod – die Grenzen verlaufen fließend, verschieben sich je nach Perspektive. „Es ist so etwas mühseliger, die Porträts anzusehen, man muss sich den richtigen Standpunkt suchen“, sagt Breuer.
So sollen die Betrachter körperlich, aber vor allem auch gedanklich in Bewegung kommen: „Ich möchte Geschichten erzählen, für mich hat Kunst auch eine soziale Funktion. Sie soll den Menschen einbeziehen, ihn bewegen, zum Nachdenken bringen, verändern.“
Hinweis am Ruhrtalradweg
Breuer erzählt jetzt auf neue Weise die Geschichten von 17 Mädchen und Frauen aus der Ukraine, in deren Unterlagen der handschriftliche Vermerk zu finden war, dass sie bei der Möhnekatastrophe im Mai 1943 ihr Leben verloren. Sie sind 17 von ungefähr 700 Zwangsarbeiterinnen, die in jener Nacht in Neheim ertranken. Unter ihnen ist zum Beispiel Nadja, die im Alter von 18 Jahren starb. Auch ihre Mutter war eine der Zwangsarbeiterinnen. Heute hängen ihre Porträts nebeneinander an zwei Pfeilern. Weitere Arbeiten und Informationstafeln folgen noch, im Frühjahr oder soll es eine feierliche Eröffnung geben.
Die ersten Betrachterinnen und Betrachter haben die Bilder längst gefunden, es sind Spaziergängern, Radfahrer, auch Kinder und Jugendliche, die sich auf der Skateranlage austoben. „Es ist mir ganz wichtig, den Kids nicht ihren Platz wegzunehmen“, sagt Breuer. „Es soll kein Friedhof sein, es soll hier weiter gelacht und gelebt werden.“
Im Gegenteil würde sie sich freuen, wenn der Ort noch belebter würde, als Treffpunkt und als kultureller Veranstaltungsort. In jedem Fall wird es bald eine Informationstafel am Ruhrtalradweg geben, um auch Auswärtige auf das Projekt aufmerksam zu machen. Ein QR-Code führt zu weiteren Informationen.
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