Arnsberg. Das Gericht zeigt die Bilder des Waffenteil-Arsenals im Neheimer Ohl und wirft Fragen nach dem wirklichen Ausmaß des Waffenhandels auf.
Das Landgericht Arnsberg baut die Monitore auf. Auf vier Bildschirmen werden die Fotos von der Beweissicherung aus dem März 2019 bei der Durchsuchung des Hauses eines damaligen Umarex-Mitarbeiters gezeigt. Richter, Verteidiger, Staatsanwalt und Prozessbeobachter sehen auf gefühlt hundert Bildern Pistolen, Gewehre, Schalldämpfer, Munition und unzählige Waffenteile. Vor Gericht wird klar: Das Haus im Neheimer „Ohl“ beherbergte unbemerkt von der Öffentlichkeit über Jahre hinweg eine kleine Waffenfabrik. Wie kann das sein?
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Nicht alles war illegal im Haus. Die Familie des portugiesischen Mitarbeiters, der schon viele Jahre beim Arnsberger Waffenhersteller im Unternehmen gearbeitet hatte, war offiziell in Heimarbeit eingebunden. Einzelne Waffenteile wurden da für die Produktion und Montage im Werk vorbereitet. „Davon habe ich mir auch Sachen genommen“, sagt der Angeklagte vor Gericht. Kistenweise lagert Material in seinem Haus. Das Kürzel H2066 auf den grauen Materialboxen steht für die ausgelagerte Produktionshilfe. Sogar im Kinderzimmer fanden die Ermittler Kisten mit einzelnen kleinen Waffenteilen. „Mein Stiefsohn hat mir geholfen bei der Heimarbeit“, so der Portugiese. Das Gericht will wissen, warum nie auffiel, dass V. Material abzwackte. „Es wurde nie gefragt, wo die Klamotten geblieben sind“, sagt der Angeklagte.
Umarex überprüft Heimarbeiter
Das lässt Umarex-Geschäftsführer Eyck Pflaumer auf Nachfrage unserer Zeitung so nicht stehen. Entsprechend den gesetzlichen Rahmenbedingungen biete die Firma Umarex seit Jahrzehnten Heimarbeit an, wie auch viele andere Unternehmen in Arnsberg und Umgebung. „Alle Heimarbeiter, soweit diese nicht bereits Mitarbeiter der Firma Umarex sind, benötigen ein polizeiliches Führungszeugnis und die Personendaten werden anhand der Antiterrorlisten täglich abgeglichen“, erklärt Pflaumer. Heimarbeit werde genutzt, um einfache Arbeitsgänge an nicht waffenbuchpflichtigen Teilen und Baugruppen, die keine „relevanten Teile“ nach dem Waffengesetz sind, für frei verkäufliche Waffen durchzuführen. „Bestände und Mengen werden vergleichbar mit regulären Warenein- und -ausgangskontrollen überprüft“, sagt der Geschäftsführer, „wesentliche Waffenteile, die der Angeklagte verwendet hat, wurden illegal entwendet oder selbst hergestellt – die Teile wurden nicht regulär herausgegeben“.
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Die Durchsuchung im Privathaus des Hauptangeklagten fand statt, nachdem dieser in einer Umarex-Sicherheitsschleuse aufgefallen war, als er mit einem Pistolenlauf im Rucksack den Betrieb verlassen wollte. Seit zunehmend aus Umarex-Teilen gebaute P22-Pistolen im kriminellen Milieu aufgetaucht waren, hatte das Unternehmen die Sicherheitsvorkehrungen in Kooperation mit den Behörden massiv erhöht. Als der Angeklagte V. aufgefallen und sofort gekündigt worden war, dauerte es keine Stunde, bis die Polizei zur Hausdurchsuchung im Ohl war. V. hatte noch versucht, fertige Waffen, Munition und Teile sowie bei Umarex ausgedruckte Skizzen und „Materialpläne“ für einzelne Waffen zu verstecken. Mal in der Sitzauflagen-Box auf der Terrasse, mal im Schlafzimmer. Waffenteile für den Bau von P22-, PK380-, CCP- und PPK-Pistole oder eine von einem Mendener Zwischenhändler gekaufte Weltkriegsmaschinenpistole und Gaspistolen lagerten im Haus.
Verkaufszahlen noch unklar
Rund 100 Waffen des Typs P22 und 20 PK380 soll V. nach Angaben eines vor Gericht aussagenden Einsatzleiter der Sonderkommission möglicherweise in Umlauf gebracht haben. An solche Mengen konnte sich V. bei seiner Einlassung allerdings nicht erinnern. „Die Waffen haben ihren Weg in unterschiedlichste kriminelle Milieus gefunden“, so der Polizist.
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Vor Gericht wachsen Zweifel, ob V. nicht sogar noch in mehr Geschäfte verwickelt gewesen sein könnte oder weitere Waffen verkaufen wollte. Er selber hatte vor Gericht gesagt, seit Beginn nicht des Jahres mit dem Handeln aufgehört haben zu wollen. „Da war aber noch Zubehör für 50 weitere Pistolen im Haus“, so der Polizist vor Gericht, „wir hatten das Gefühl, dass mehr Waffen verkauft worden sind, als V. und sein Mendener Zwischenhändler H. einräumen“.Auch der Richter Daniel Lan-gesberg stellt V. immer wieder die Frage nach der Menge des Materials. „Im Haus war Munition für das Aufladen sehr vieler Waffen“, so der Richter. V. erwidert, dass es Munition nur in großen Verpackungseinheiten illegal zu kaufen gab.
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