Brilon. Die Stadt fordert mehr Unterstützung vom Land, die IHK ist besorgt. Innerhalb eines Jahres halbieren sich die Einnahmen nahezu. Die Folgen der Krise.
Die Stadt Brilon verzeichnet einen deutlichen Rückgang ihrer Gewerbesteuereinnahmen. Während im letzten Jahr noch 42 Millionen Euro eingenommen wurden, ein neuer Rekord, werden es dieses Jahr voraussichtlich nur noch 23 Millionen sein, wie der Kämmerer der Stadt, Franz Heers, erläutert.
Branchenübergreifender Rückgang
„Es zeichnet sich aktuell ein branchenübergreifender Rückgang der Gewerbesteuerzahlungen ab“, so Heers. Die weitere Entwicklung im Jahr 2024 lasse sich noch nicht genau abschätzen, da das Gewerbesteueraufkommen aus laufenden Vorauszahlungen für 2024 und Abrechnungen aus Vorjahren bestehe. Heers betont jedoch, dass das Gewerbesteueraufkommen der Jahre 2021 bis 2023 für eine Kommune in der Größenordnung von Brilon sehr hoch gewesen sei. „Das jetzige Gewerbesteueraufkommen bewegt sich in einer Größenordnung wie in den Jahren zwischen 2016 und 2020“, erklärt der Kämmerer.
Trotz der Mindereinnahmen sieht Heers das Eigenkapital der Stadt Brilon nicht gefährdet. „Insbesondere die Überschüsse der letzten Jahre sorgten dafür, dass die Ausgleichsrücklage zum 31.12.2022 ein Volumen von rund 28,4 Millionen Euro erreicht hat“, erläutert er. Insgesamt belief sich das Eigenkapital der Stadt Brilon zum Jahresende 2022 auf knapp 121 Millionen Euro. „Maßgeblich für die Veränderung des Eigenkapitals ist das jeweilige Jahresergebnis, auf das die Höhe der Gewerbesteuer natürlich Einfluss hat“, so Heers. Aktuell deute nichts darauf hin, dass es zu einer deutlichen Abweichung von dem im Haushaltsplan geplanten Jahresfehlbetrag von 12,33 Millionen Euro kommen werde.
Keine Anhebung der Grundsteuer geplant
Eine Anhebung der Grundsteuer, um die Mindereinnahmen auszugleichen, sei laut Heers nicht angedacht. Auch eine kurzfristige Entlastung durch den Bund oder das Land sei nicht zu erwarten. „Seitens des Landes wurden zwar verschiedene Änderungen im kommunalen Haushaltsrecht vorgenommen, die es den Kommunen ermöglichen sollen, genehmigungsfähige Haushalte und Jahresabschlüsse aufzustellen“, erklärt der Kämmerer. „Hierdurch stehen den Kommunen jedoch keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung, welche die kommunalen Haushalte entlasten würden.“ Eine Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung durch Bund und Land sei dringend geboten, damit die zahlreichen Pflichtaufgaben angemessen erfüllt werden könnten.
Da die Entwicklung schon im letzten Jahr absehbar war und auch die meisten anderen Kommunen betrifft, schrieben 355 Bürgermeister im letzten Jahr an das Land. Die Rückmeldung war jedoch eher ernüchternd, wie Franz Heers gegenüber der Westfalenpost bestätigt: „Es gibt eine recht allgemein gehaltene Rückmeldung zum genannten Brandbrief. Seitens des Landes wurden verschiedene Änderungen im kommunalen Haushaltsrecht vorgenommen, die es den Kommunen u.a. ermöglichen sollen, genehmigungsfähige Haushalte und Jahresabschlüsse aufzustellen“, so Heers.
IHK Arnsberg betrachtet Entwicklung mit Sorge
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) in Arnsberg sieht die sinkenden Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen ebenfalls mit Sorge. Laut Geschäftsführer Jörg Nolte ist die Situation aktuell in allen Branchen schwierig, die nah am Baugewerbe sind oder sehr energieintensiv produzieren. Hier sind die Absatzzahlen oft gesunken, was auch die Gewinne schmälert. Große Kostensteigerungen, die nicht gleich an die Kunden weitergegeben werden können, senken natürlich auch den Gewinn. Und selbst wenn in einer Branche die Umsätze gestiegen sind, heißt das noch nicht, dass es auch die Gewinne sind. Kleine Kommunen haben zudem oft nur einen oder wenige sehr große Gewerbesteuerzahler, deren individuelle Situation die Gewerbesteuerzahlung stark beeinflussen kann.
Die negative Entwicklung der Gewerbesteuern bereitet der IHK Sorgen, nicht nur weil sie ihren Mitgliedsunternehmen erfolgreiche Geschäfte wünscht, sondern auch weil die Wirtschaft auf finanziell gut aufgestellte Kommunen angewiesen ist, die ihre Aufgaben in der Daseinsvorsorge erfüllen können. Wenn sich Stadtkämmerer gezwungen fühlen, 2025 die Gewerbesteuersätze zu erhöhen, wäre das eine zusätzliche Belastung für die Unternehmen. Die IHK kann die Städte und Gemeinden daher nur auffordern, mit diesem Instrument sehr bedacht umzugehen.
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Laut der jüngsten Konjunkturumfrage der IHK unter rund 400 Mitgliedsbetrieben verharrt die Lage auf unverändert schlechtem Niveau: „Zuletzt im April haben wir unsere Konjunkturumfrage unter rund 400 IHK-Mitgliedsbetrieben durchgeführt. Die Erwartungen haben sich zwar deutlich verbessert, bleiben aber im roten Bereich. Von einem optimistischen Blick nach vorne sind wir also noch ein gutes Stück entfernt“, so Jörg Nolte auf Anfrage der Westfalenpost.
Eine einzelne Ursache für den deutlichen Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen gibt es laut Nolte nicht. Während Corona habe es eine Sonder-Konjunktur für die Möbelindustrie und alle Bereiche rund um die eigenen vier Wände gegeben, die sich normalisiert hat. Hinzu kamen dann aber der Ukraine-Krieg und hohe Energiekosten, die hohe Inflation der letzten beiden Jahre sowie hohe Zinsen und damit eine deutliche Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten. Gleichzeitig sei es der Politik nicht gelungen, positive Botschaften zu setzen. Stattdessen seien Verunsicherungen und neue Regulierungen hinzugekommen.