Brilon. Müll oder Schatz? Mattes Ruhl aus Brilon kennt die Antwort und teilt seine erstaunlichsten Entdeckungen aus zwei Jahren im Entrümpelungsgeschäft.

Wenn Mattes Ruhl aus Brilon anrückt, dann räumt es ordentlich. Der junge Mann ist noch in der Ausbildung, hat sich aber nebenbei mit einem Gewerbe selbstständig gemacht, in dem man nicht zimperlich sein sollte und kräftig anpacken muss: Als 20-Jähriger hat der Briloner ein Entrümpelungs-Unternehmen gegründet. Im WP-Gespräch erzählt er, was er damit in den vergangenen zwei Jahren erlebt hat und wie seltsam manchmal die Nachbarn ticken, wenn ein Haus leergeräumt wird.

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Firmen-Gründung „Ruhl Räumt“

Im Hauptberuf ist Mattes Ruhl Auszubildender bei der Firma Egger. Er absolviert in dem Briloner Unternehmen eine Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik. Sein Entrümpelungs-Unternehmen hat er als Nebengewerbe angemeldet. Die Idee kam dem jungen Mann, nachdem er einem Kumpel geholfen hatte, ein Haus leerzuräumen, das er mit samt Inhalt gekauft hatte. Und nachdem er einer Bekannten bei der Entrümpelung einer Mietwohnung angepackt hatte, kam die Idee auf, diesen Service gewerblich anzubieten. Und so kam es im Februar 2022 zur Gründung von „Ruhl Räumt“

Nachbarn sind manchmal sehr neugierig

Der Briloner erzählt: „Wenn ich einen Auftrag bekommen habe, arbeite ich vor Ort möglichst unauffällig, damit nicht alle möglichen Leute aufmerksam werden. Ich lasse zum Beispiel die Deko vor den Fenstern oder vorm Haus bis zum Schluss stehen, damit das Haus bewohnt aussieht.“ Der junge Mann möchte durch seine Tätigkeit nicht unnötig neugierige Nachbarn, Schaulustige oder im schlimmsten Fall Einbrecher auf die Idee bringen, in ein leerstehendes Haus einzudringen. Unverschämtheiten habe er schon einige erlebt, berichtet der 22-Jährige: „Immer wieder passiert es mir zum Beispiel, dass Nachbarn einfach ins Haus reinkommen und behaupten: Das durfte ich schon immer. Und jetzt möchte ich mich nochmal umsehen. Das geht natürlich gar nicht. Das lasse ich grundsätzlich nicht zu; es sei denn, der Besitzer hat es ausdrücklich erlaubt, dass jemand reindarf und sich etwas mitnehmen darf.“

Für Betroffene ist Entrümpelung mit vielen Emotionen verbunden

Die Erstbesichtigung mit einem Entrümpelungs-Kunden ist, so erklärt Mattes Ruhl, kostenfrei. Für viele sei dieser Rundgang ein Abschiednehmen und Erinnern: „Wir gehen von Raum zu Raum, die Leute erzählen, welche Erinnerungen an sie die Zimmer haben, wie es war, als sie als Kinder in dem Haus gelebt haben. Das ist manchmal sehr emotional. Ich mache Fotos von allen Räumen und markiere die Sachen, die die Besitzer noch behalten wollen, mit Zetteln.“

Im Anschluss muss der Jungunternehmen einschätzen, wie lange er für die Entrümpelung brauchen wird und welche Entsorgungskosten voraussichtlich anfallen werden. Das sei anfangs sehr schwierig für ihn gewesen, erinnert sich der 22-jährige. Inzwischen blickt er auf zwei Jahre und mehr als 30 Aufträge als selbstständiger Entrümpler zurück. Das gibt ihm bei der Kalkulation seiner Angebote Sicherheit. Er sagt: „Klar, dass eine kleine aufgeräumte Wohnung überschaubarer ist als ein vollgetopftes Mehrfamilienhaus mit Garage und Keller.“ Pi mal Daumen brauche er für ein normales Einfamilienhaus etwa einen Monat Zeit. Erfahrungsgemäß würden dabei zwischen acht und zwölf Tonnen Entsorgungs-Masse anfallen. Er habe aber auch schon eine Wohnung mit Keller und Garage entsorgt, in der es am Ende 27-Tonnen waren. „Man glaubt nicht, wie viel in einen Schrank passen kann“, lacht der 22-Jährige.

Ekelig: „Messie“-Wohnung leergeräumt

„Super ist der Typ Rentnerwohnung, in der es noch nach Reinigungsmitteln riecht und man das Gefühl hat, man sollte sich die Schuhe ausziehen, damit man nichts dreckig macht“, lacht Mattes Ruhl. Doch leider musste der junge Mann auch schon die Erfahrung machen, dass es auch ganz anders geht: „Ich habe auch schon mal eine Messie-Wohnung leergeräumt. Ich bin ziemlich unempfindlich, aber das war richtig schlimm und ekelig mit Schimmel, Maden und anderem Ungeziefer. Da kann man dann nur mit Ganzkörper-Schutzanzug, Mundschutz und Schuhüberziehern arbeiten. In so einem Fall kann man nichts mehr benutzen. Dann kommt alles unsortiert in den Container.“

Das sei aber eher die Ausnahme: „Normalerweise trenne ich aus Nachhaltigkeitsgründen alles vor der Entsorgung: Plastik, Glas, Metall, Holz, Restmüll. Das kostet zwar unglaublich viel Zeit, aber unterm Strich spart der Kunde dabei Geld.“ Mattes Ruhl rechnet vor, dass Sperrmüll zum Beispiel 204 Euro plus Steuern pro Tonne kostet. Für Metall, das er abliefert, bekommt er aber sogar noch Geld. Durch das Trennen müsse der Kunde zwar ehr Stunden bezahlen, trotzdem würde es so am Ende für günstiger.

„Ich finde es sehr spannend zu sehen, wie unterschiedlich Menschen leben, was ihnen wichtig war und was sich im Laufe eines Lebens ansammelt. Es ist erstaunlich, wie viele Handtücher und Bettwäsche oder auch Gartenwerkzeuge mache Menschen besitzen“, schmunzelt Mattes Ruhl. Er hat die Erfahrung gemacht, dass insbesondere die ältere Generation sehr viel gesammelt hat. Oft finde er mehrere Geschirre, Besteck-Kästen und ganze Schränke voll Kleidung vor – Dinge, für die die Besitzer einst viel Geld bezahlt haben, die aber heute gar nichts oder nur sehr wenig wert seien.

Wichtig: Diskretion und Ehrlichkeit

Er betont, dass ihm bei seiner Arbeit Diskretion sehr wichtig sei: „Wenn ich zum Beispiel Briefe und Unterlagen finde, dann lese ich die natürlich nicht. Ich kläre mit den Besitzern, ob sie vernichtet werden sollen. Manchmal habe ich ganze Boxen voll mit Papierkram, den ich entsorgen muss.“ Bei seiner Arbeit stößt der junge Mann auf vieles, was das Leben der Hausbewohner geprägt hat. Gefunden hat er zum Beispiel „1o-Billionen-Mark-Scheine“, die an die Inflation 1923 erinnern, aber auch Dokumente und Abzeichen aus der Nazi-Zeit, alte Schulbücher, abgelaufene Lebensmittel, Verkehrszeichen, selbstgebrannten Schnaps, alte Dia- und Schallplattensammlungen und ganze Regale voll Eingemachtes.

„Auch alte Scheunenfenster sammeln die Leute gerne“, so die Erfahrung des Aufräum-Profis. Dafür finde man sogar meistens noch einen Interessenten. „Offenbar sind die als Spiegel oder Deko-Artikel sehr beliebt.“ Etwas ganz Skurrilles oder besonders Wertvolles habe er bisher noch nicht gefunden, berichtet Mattes Ruhl. Aber immer wieder mal sehr interessante Dinge, wie ein altes handbetriebenes Waschfass, ein altes Spinnrad oder auch mal noch ein gutes Möbelstück oder eine Flasche Champagner.

Im Vertrag sei geregelt, dass alles, was im Haus ist, in sein Eigentum übergehe. Das heiße aber nicht, dass er alles einfach behalten dürfe. Wenn ich zum Beispiel einen Umschlag mit Geld oder einen Goldbarren finden würde, dann wäre ich verpflichtet, ihn abzugeben. Bei sehr persönlichen Dingen, wie zum Beispiel Ausweisen, Schmuck oder Fotos frage ich auf jeden Fall den Besitzer, ob er die Sachen haben möchte.“ Wenn nicht, verschenkt oder verkauft er das, was noch zu gebrauchen ist oder behält auch das eine oder andere Stück für sich: „Ich finde es gut, wenn es für die Sachen noch einen zweiten Sinn gibt und nicht einfach alles weggeworfen wird.“