Hochsauerlandkreis. Das Deutschlandticket steht im Sauerland vor einer ungewissen Zukunft. Es gibt massive finazielle Einbußen. Verkehrsunternehmen schlagen Alarm.

Am 1. Mai 2024 jährte sich die Einführung des Deutschlandtickets, das von vielen als Tarifrevolution gefeiert wurde. Die Monatsflatrate für Bus und Bahn sollte eine Vereinheitlichung des ÖPNV und eine Verbesserung der Mobilität in Deutschland bringen. Doch die Realität sieht laut des Verkehrsverbandes Westfalentarif doch etwas anders aus. Der Westfalentarif ist der flächenmäßig größte Nahverkehrstarif in NRW und der zweitgrößte deutsche Gemeinschaftstarif.

Verband fordert Stärkung des ÖPNV

Trotz des Lobes für das Deutschlandticket steht laut Westfalentarif fest, dass es allein nicht ausreiche, um die Klimaschutzziele Deutschlands zu erreichen. Der Rückgang der Fahrgeldeinnahmen durch das Ticket habe massive Einschnitte in die Finanzen der Verkehrsunternehmen gebracht. Die nötige Veränderung im Verkehrssektor erfordert daher nicht nur ein preisgünstiges Ticket, sondern auch eine umfassende Stärkung und der Ausbau des ÖPNV.

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Das bestätigt auch Annette Zurmühl, Pressesprecherin der Regionalverkehr Ruhr-Lippe GmbH
(RLG) gegenüber der Westfalenpost: „Ja, durch das Deutschlandticket gibt es große Einnahmerückgänge, da durch Neukunden die Einnahmenausfälle durch die niedrigeren Ticketkosten nicht aufgefangen werden können. Die Einnahmeverluste durch das Deutschlandticket sind bis 2025 für die gesamte Branche durch Ausgleichszahlungen von Bund und Land in Höhe von drei Milliarden Euro pro Jahr abgesichert. Ob das Deutschlandticket darüber hinaus zum derzeitigen Preis von 49 Euro pro Monat angeboten werden kann, hängt davon ab, ob die langfristige Finanzierung der Einnahmeverluste durch Bund und Land sichergestellt werden kann“, so Zurmühl.

Starkes Stadt-Land Gefälle bei der Nutzung des Tickets

Die aktuellen Zahlen zeigten nach Ansicht von Westfalentarif auch, dass vor allem in ländlichen Gebieten und kleineren Städten das Deutschlandticket noch nicht ausreichend genutzt werde. Viele Menschen seien nach wie vor auf ihr Auto angewiesen und sehen keinen Anreiz, auf den ÖPNV umzusteigen. Eine verstärkte Neukundengewinnung und Verbesserung des ÖPNV-Angebots sei daher dringend notwendig, um das Ticket weiter zu verbreiten. Denn anhand der vorliegenden Zahlen stellt der Verband fest: „Je höher die ÖPNV-Zufriedenheit, desto höher die Deutschlandticket-Besitzquote. Das bedeutet: Je besser das ÖPNV-Angebot, desto mehr Neukunden gibt es“, so das Fazit vom Westfalentarif.

Annette Zurmühl ist beim RLG für das Verkehrsmanagement zuständig.
Annette Zurmühl ist beim RLG für das Verkehrsmanagement zuständig. © Regionalverkehr Ruhr-Lippe GmbH | Regionalverkehr Ruhr-Lippe GmbH

Im Gebiet des RLG sind aktuell 4000 Nutzer des Deutschlandtickets registriert. Zählt man Jobtickets (1200) und Schülertickets (17.000) hinzu, wächst die Zahl jedoch deutlich. Insgesamt kommt man somit auf eine Gesamtnutzerzahl von 22.200, wobei möglicherweise noch 2.100 Sozialtickets hinzukommen werden, die zum 1. April auf das Deutschlandticket umgestellt wurden. Aktuell lägen hierzu laut RLG aber noch keine belastbare Zahlen vor, da es hier zwischen dem 1. Januar und 1. April einen fließenden Übergang zwischen der bisherigen Lösung und der neuen Struktur gegeben habe. Zum Vergleich: Im Hochsauerlandkreis sind (Stand: 1. Januar 2024) laut Kraftfahrzeugbundesamt insgesamt ca. 173.000 Autos angemeldet, hinzu kommen laut Statistik noch etwa 15.000 Krafträder.

Zukunft des Tickets muss finanziell gesichert werden

Der Europäische Gerichtshof habe laut Westfalentarif klargestellt, dass Bund und Länder die Einnahmeausfälle der Verkehrsunternehmen durch das Deutschlandticket kompensieren müssen. Eine langfristige Finanzierung sei deswegen aus Sicht des Verbandes unerlässlich, um die Zukunft des Tickets zu sichern.

So sieht das auch die RLG: „Das Deutschlandticket benötigt eine langfristige Finanzierungssicherheit. Wenn den Verkehrsunternehmen keine ausreichenden Mittel zur Verfügung gestellt werden, wird der Ticketpreis erhöht werden müssen. Mindereinnahmen, die durch eine Finanzierungslücke beim Deutschlandticket entstehen, können nicht von den Verkehrsunternehmen ausgeglichen werden“, so Zurmühl. Bei einem kommunalen Unternehmen wie der RLG müsste, bei Unterfinanzierung des Deutschlandtickets von Bund und Land, gegebenenfalls die Eigentümer die Finanzierungslücke schließen. Dieses würde die Kreise vor große Herausforderungen stellen und vermutlich auch Auswirkungen auf unser Angebot haben, vermutet die RLG-Sprecherin.

Der Westfalentarif wird am Ende seines Briefes deutlich: „Gute Medikamente müssen eben auch verträglich sein. In diesem Fall nicht nur für den Patienten Klima, sondern für alle, die von ihm betroffen sind“, so das Signal des Verbandes an die politischen Entscheidungsträger.