Winterberg. Franziska Göddeke packt den Chefposten im Haus Nordhang in Winterberg mit 75 Prozent - und als Mutter. Dafür erntet sie Kritik. Sie wehrt sich.
Mit 75 Prozent einen Leitungsjob stemmen? Das geht. Franziska Göddeke beweist, dass sie als Führungskraft mit Verantwortung nicht nur ihren Job, sondern auch das Familienleben mit ihrer kleinen Tochter und Hund Mads unter einen Hut bekommt. Im WP-Gespräch erzählt sie, wie sie das schafft und wieso sie manchmal Gegenwind bekommt.
Franziska Göddeke leitet das Haus Nordhang in Winterberg
Das Haus Norhang in Winterberg liegt hinter dem Bahnhof. Im Sonnenschein wirkt es hell und idyllisch, nahezu ruhig. Die Einrichtung der Caritas ist für Sucherkrankte Anlaufpunkt und Hilfsanker, hier können sie Hilfe zur Selbsthilfe lernen und so ihre Suchterkrankung bekämpfen. Hier ist auch Franziska Göddekes Büro. Sie ist die Leiterin des Hauses Nordhang. Seit ihrer Elternzeit in 75 Prozent. Mit einer Kaffeetasse in der Hand, Hund Mads zu ihren Füßen, erzählt sie von ihrem Studium.
Hinter ihr liegt ein steiler Karriereweg
„Ich habe nach meinem Abitur in Winterberg erst eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht“, sagt sie. „Anschließend habe ich in verschiedenen Krankenhäusern in der Region gearbeitet. Mir war aber klar, dass ich Medizin studieren möchte.“ Ihre Wartezeit überbrückt sie mit ihrer Ausbildung, bis sie irgendwann nicht mehr warten möchte. Sie entscheidet sich, Pflegemanagement zu studieren - Vollzeit in Bochum. Nebenbei arbeitet sie weiterhin Teilzeit im Sauerland, sammelt praktische Erfahrungen. Nach dem Bachelor hängt sie ihren Master in Management und Betriebswirtschaft an. Ein steiler Karriereweg, der sie nach ihrem Abschluss zur Leiterin von zwei Einrichtungen der Caritas Brilon macht.
Mit 75 Prozent füllt sie die Leitungsstelle aus
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„2021 habe ich meine Tochter bekommen und 14 Monate Elternzeit genommen“, erzählt Göddeke. Danach beginnt sie mit einer Projekt-Teilzeitstelle, bis sie zur Leiterin des Hauses Nordhang wird, am 1. Januar 2023 übernimmt sie diese Verantwortung. „Ich bin ganz froh darüber, wie es gekommen ist. Für mich ist das eine tolle Herausforderung und dass ich nicht im Schichtdienst arbeiten muss, ist für mich persönlich ein großer Vorteil.“ Damit spielt sie auf ihre Familie an. Sie erklärt: „Ich arbeite 75 Prozent. So habe ich nicht den Druck, die Stunden einer Vollzeitkraft zu erfüllen. Was zusätzlich nötig ist, arbeite ich ab. Das wird mir dennoch bezahlt.“ Vier Tage die Woche arbeitet Franziska Göddeke also, bringt ihre Tochter um acht Uhr in die Kita und holt sie um halb fünf wieder ab, wenn die Kita schließt. „Ich setze mich oft abends noch einmal eine kurze Zeit hin und arbeite noch die letzten Dinge ab.“ Freitags ist dafür Familienzeit für sie und auch, wenn sie um fünf Uhr nach Hause kommt, gehört die Zeit ganz ihrer Tochter.
Lange Kita-Tage werden durch Bekannte und ihr Umfeld kritisiert
„Das ist alles machbar, man muss es aber wollen“, sagt sie über die Balance zwischen Leitungsjob und Mutter-sein. Manchmal bekommt sie dafür Kritik. Nicht aus dem Haus Nordhang. „Hier funktioniert das alles sehr gut, ich bin stets erreichbar oder rufe direkt zurück, wenn etwas ist.“ Unverständnis kommt eher aus dem privaten Umfeld. Dem Bekanntenkreis. Dann hört sie Sätze wie: „Das sind aber anstrengende Tage für das Kind, wenn es bis fünf Uhr in der Kita bleibt.“ Oder: „So lange bleibt dein Kind in der Kita?“ Franziska Göddeke sagt: „Hier herrscht oft noch das alte Rollenbild, die Mutter bleibt daheim. Aber wenn ich nach Hause komme, haben wir eine schöne Familienzeit und ich bin für meine Tochter da.“ Sie vernetze sich oft mit Frauen, die eine ähnliche Einstellung haben wie sie. „Ich finde, dass jeder für sich und seine Familie die Entscheidung treffen sollte, die für sie passt - ohne andere Familien zu bewerten.“
Arbeitgeber schafft Flexibilität für sie
Sie kritisiert, dass es in Deutschland zwar gewünscht und nötig, sei, dass beide Elternteile arbeiten gehen, das System aber nicht darauf ausgerichtet sei und manchmal gerade Mütter benachteilige. „Elternzeit zum Beispiel, man darf drei Jahre nehmen, wird aber nur eines bezahlt? Und dann gehen Mütter wieder arbeiten und die Kitagebühren sind so hoch, dass manche Mütter am Ende nur arbeiten gehen, um die Gebühren zu bezahlen.“ Franziska Göddeke ist es wichtig, arbeiten zu gehen. Ihren Karriereweg weiter zu gehen. „Natürlich bin ich meinem Arbeitgeber auch dankbar, dass er mir diese Flexibilität schafft. Wäre ich in der Pflege tätig, wäre das alles nicht so leicht, dort könnte ich kein Homeoffice machen.“ Die Arbeit ist ihr Motor, der sie antreibt.
Jeder Tag im Winterberger Haus Nordhang ist anders
Im Haus Nordhang ist kein Tag wie der andere. Nach der Übergabe am Morgen checkt Franziska Göddeke Post, erledigt Organisatorisches. „Es stehen auch viele Bewohnergespräche auf der Tagesordnung, ich habe relativ viel Kontakt mit den Menschen hier.“ Nur manchmal, wenn sie wichtige Gespräche führt, bleibt, ihre Bürotür zu. Ein- oder zweimal muss sie in der Woche nach Brilon fahren, zu Besprechungen. Sie pflegt Kontakt zu Krankenkassen, Sozialämtern. Sie löst die kleinen und großen Probleme im Alltag. „Kein Tag ist wie der andere, das mag ich. Ich habe ungern auf einer normalen Station gearbeitet, denn ich mag es, wenn unvorhergesehene Dinge passieren und alles kurzfristig umgeplant werden muss. Das macht Spaß, das macht es spannend.“
Die Mischung aus Vollzeit und Teilzeit macht das Arbeiten aus
Natürlich hatte sie Zweifel nach ihrer Elternzeit. Wie würde es sein, in den Job zurückzukehren? „Aber es hat gut funktioniert. Hier arbeite ich mit Vollzeit- und Teilzeitkräften zusammen, Väter und Mütter, und diese Mischung ist toll. Jeder bringt gute Ideen aus seiner eigenen Lebensrealität mit.“