Brilon. Nach einem brutalen Angriff auf das Thekenteam der ehemaligen Ratsschänke Brilon sind zwei Männer angeklagt. Vor Gericht feiern sie.

Nach den tätlichen Angriffen in der Ratsschänke Brilon (die WP berichtete) nimmt der Fall nun ein Ende und die Beteiligten können zur Ruhe kommen. Zwei Jahre lang hatten sowohl die Nebenkläger, die Zeugen als auch die Angeklagten auf einen Prozess gewartet, am Donnerstag (1. Februar) wurde vor das Schöffengericht in Brilon geladen.

Ein Video hatte damals das Ausmaß der Brutalität gezeigt

Schläger verprügeln Team und Gäste der Ratsschänke in Brilon

weitere Videos

    Ein Rückblick: Im Februar 2022 war es in der Kneipe neben dem Rathaus zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen. Grund waren die damals geltenden Corona-Regeln (2G+), die von einer Gruppe von Männern nicht beachtet worden waren. Ein Video hatte damals das Ausmaß der Brutalität gezeigt, mit der die Männer sich gegen die Durchsetzung der Corona-Maßnahmen stellten. Angeklagt wurden ein 32-jähriger Deutscher und 35-jähriger Türke aus Brilon, wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung unter Einsatz eines gefährlichen Werkzeuges. Ein gefährliches Werkzeug kann, wie in diesem Fall, schon ein Schuh sein. Eigentlich sollte der Fall schon im Januar 2023 vor Gericht verhandelt werden, doch der Prozess platzt damals, nicht zum ersten Mal. Durch Sachbearbeiter-Wechsel verzögert sich die Verhandlung weiter, bis jetzt.

    Mehr zum Thema: Angriff in der Ratsschänke

    Um 9.15 Uhr sitzen nicht nur die beiden Angeklagten mit ihren Verteidigern vor Richter Schwens, auch die Staatsanwältin sowie die Nebenkläger und ihre drei Anwälte sind erschienen. Als Nebenkläger treten der ehemalige Wirt auf, der krankheitsbedingt nicht vor Ort ist, ein Mitarbeiter sowie ein Gast, der erhebliche Verletzungen davongetragen hatte. Auch zahlreiche Zeugen werden noch erwartet. Nachdem die Nebenkläger den Gerichtssaal verlassen haben, verliest die Staatsanwältin die Anklage. Am 13. Februar 2022 soll der 35-jährige Angeklagte B. dem damaligen Wirt der Ratsschänke mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen haben, auch dem Mitarbeiter und Nebenkläger, der in dem Moment hinter der Theke gearbeitet hatte, soll er ins Gesicht geschlagen haben. Daraufhin soll der 32-jährige Angeklagte G. einem Gast eine Faust ins Gesicht geschlagen und zwei bis dreimal mit dem Fuß getreten haben. Ein Zeuge habe versucht, dazwischen zu gehen, ihm wurde durch G. mit der flachen Hand in den Hals geschlagen. Vor der Tür der Ratsschänke soll G. auf das Schienbein des Gastes, der zuvor schon schlichtend eingreifen wollte und nun als Nebenkläger auftritt, getreten haben, so fest, dass später ein Wadenbeinbruch diagnostiziert wurde.

    Die Vorfälle sind auf dem Video deutlich zu erkennen

    Richter Schwens schaltet den großen schwarzen Bildschirm hinter dem Richterpult ein. Dort läuft nun das Video, das eine Überwachungskamera in der besagten Nacht vom Geschehen an der Theke aufgenommen hat. Es zeigt, wie aufgeheizt die Stimmung damals war. Wie B. und G. einem Freund zur Seite springen, der minutenlang mit dem Wirt und seinem Mitarbeiter über die Maskenpflicht und den Impfnachweis diskutiert. Wie die drei das Thekenpersonal beleidigen, mit den Armen fuchteln, einen Stuhl umwerfen. Während der Freund das Lokal verlässt, macht B. eine Runde um die Theke, wird beleidigend, brüllt, dann greift er an. Das Video zeigt auch, wie G. um die Theke herumrennt, das Gesicht verzerrt, sofort zuschlägt. Sehr genau sind die in der Anklageschrift beschriebenen Vorfälle zu erkennen. Die beiden Angeklagten schweigen während sie auf den Bildschirm schauen, G.s Bein zittert nervös, sein Gesicht ist starr. B. zieht während des Videos den Pullover über das Kinn. G.s Pflichtverteidiger zuckt nur die Achseln, „Sieht gar nicht so schlimm aus, finde ich“, sagt er leise zu seinem Mandanten. Richter Schwens spult noch einmal zurück, zeigt mit dem Finger auf die weißen Turnschuhe, die G. trägt. „Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass der Angeklagte nur Turnschuhe trägt, kein festes Schuhwerk“, sagt er.

    Die ehemalige Ratsschänke wird nun nicht mehr von dem damaligen Wirt betriebe. Jetzt heißt das Lokal Puzzles.
    Die ehemalige Ratsschänke wird nun nicht mehr von dem damaligen Wirt betriebe. Jetzt heißt das Lokal Puzzles. © Fabian Vogel | Fabian Vogel

    B.s Verteidiger beugt sich vor, als das Licht im Saal wieder angeht. „Wir würden nun gern ein Rechtsgespräch anbieten.“ Richter Schwens nickt. Ein Rechtsgespräch ist der im Rahmen eines Verfahrens angestrebte Versuch, eine Einigung der Parteien herbeizuführen. Dies geschieht unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auch die Angeklagten verlassen den Saal. Im Flur klatschen sie sich ab. Sie lachen, reden laut. Einige Freunde kommen nach und nach dazu, während im Saal verhandelt wird. Die Männer umarmen sich, grinsen. Die Nebenkläger sitzen still auf der Bank. „Die haben nichts dazugelernt“, sagt einer von ihnen. Manche von ihnen schweigen nur, ihre Gesichter ernst, tippen auf dem Smartphone herum.

    Die haben nichts dazugelernt.
    Nebenkläger

    Was außerhalb der Kneipe geschehen sei, ist nicht ganz klar

    Nach rund einer Stunde wird die Öffentlichkeit wieder in den Saal gerufen. Richter Schwens verkündet, dass das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt wird. „Hintergrund ist, dass nun zwei Jahre lang das Damoklesschwert einer Verurteilung über den beiden Angeklagten hängt, dass sich das Verfahren derart verzögert hat, liegt aber in der Verantwortung des Gerichts.“ Nicht nur die Verzögerung sorgt aber für eine Einstellung des Verfahrens. Was außerhalb der Kneipe geschehen sei, dazu gebe es nur eine Zeugenaussage, die des verletzten Nebenklägers. Den Vorwurf der schweren Körperverletzung als gemeinschaftliches Vergehen könne man in dieser Form nicht mehr beibehalten. „Wir gehen nun von vorsätzlicher Körperverletzung aus“, so Schwens. Das Gericht entscheidet also mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft, das Verfahren einzustellen. Die beiden Angeklagten grinsen, G. hebt die Hand vor den Mund, schaut belustigt zu seinem Pflichtverteidiger.

    Die Zuschauer beginnen zu Johlen

    B. und G. werden dazu verpflichtet, jeweils 500 Euro an den ehemaligen Wirt und seinen Mitarbeiter zu bezahlen. G. muss zusätzlich noch 3000 Euro an denjenigen Nebenkläger bezahlen, der einen Wadenbeinbruch davongetragen hat. Dieser hatte, nach der Beratung mit seinem Rechtsanwalt Oliver Brock, der Zahlung zugestimmt. Bezahlen die Angeklagten fristgerecht die Strafen, droht ihnen keine Verurteilung und sie erscheinen nicht mit einer Vorstrafe im Strafregister. Richter Schwens wendet sich mit einem Schlusswort an B. „So ein Verhalten dulden wir hier nicht, ich verstehe, dass das in Ihrem Kulturkreis so gehandhabt werden mag, in Deutschland ist das nicht in Ordnung.“ Die Freunde auf den Zuschauerrängen beginnen zu Johlen. Für G. hat Schwens nur die Worte übrig: „Machen Sie ein bisschen ruhiger.“