Hochsauerlandkreis. Die Feuerwehren im Hochsauerland leisten viel - auch wenn es darum geht, immer wieder Nachwuchs für die wichtigen Aufgaben zu finden.

„Wir haben kein Personal! Im Brandfall gilt: Schlüssel im Gemeindebüro holen. Umsichtig zur Einsatzstelle fahren. Selbständig mit Löscharbeiten beginnen. Viel Erfolg!“ Keine Sorge: Dieses Transparent hängt an keinem Feuerwehrhaus des Sauerlandes. Auf der Urlauberinsel Sylt, wo sich kaum noch Einheimische Wohnraum leisten können und dementsprechend keine Insulaner als Freiwillige Feuerwehrleute parat stehen, hat die Löschgruppe Hörnum mit dieser wirksamen Aktion auf ihre heikle Situation auf sich aufmerksam gemacht. Wie ist es um unsere Feuerwehren bestellt? Müssen auch sie sich mit Gaffern und Pöbeleien auseinandersetzen? Rücken genug Wehrleute nach, um im Ernstfall auszurücken? Antworten darauf gibt der Sprecher des Kreisfeuerwehrverbandes Jens Vogelsang aus Winterberg-Hildfeld.

Mit diesem Transparent macht die Feuerwehr in Hörnum auf Sylt auf ihre personellen Engpässe deutlich. So etwas ist im HSK auf lange Sicht nicht denkbar. Aber die Wehren arbeiten intensiv an der Nachwuchsförderung.
Mit diesem Transparent macht die Feuerwehr in Hörnum auf Sylt auf ihre personellen Engpässe deutlich. So etwas ist im HSK auf lange Sicht nicht denkbar. Aber die Wehren arbeiten intensiv an der Nachwuchsförderung. © WP | WP

Wie viele Menschen im HSK engagieren sich eigentlich in der Feuerwehr – das heißt: Wie viele Einzelne sind aktiv tätig, wie viele Löschgruppen haben wir? Wie ist das Zahlenverhältnis Männer bzw. Frauen?

Jens Vogelsang: Jede Kommune im Hochsauerlandkreis unterhält eine Freiwillige Feuerwehr, somit existieren im Kreis 12 Freiwillige Feuerwehren. Je nach Größe der Kommune teilt sich die Feuerwehr in mehrere ortsbezogene Einheiten auf – früher sagte man Löschgruppen. Insgesamt gibt es im HSK 132 Feuerwehreinheiten. Hinzu kommen noch sieben Feuerwehrmusikzüge bzw. -spielmannszüge. Insgesamt sind 4.446 Personen in den Einsatzabteilungen der Freiwilligen Feuerwehren im Hochsauerlandkreis aktiv – davon 4.177 Männer und 269 Frauen. Hinzu kommen noch 52 hauptamtliche Kräfte, insbesondere bei der Freiwilligen Feuerwehr Arnsberg und außerdem 948 Mitglieder in den Ehrenabteilungen, 334 Musiker und 46 Kräfte in Unterstützungsabteilungen. Der Feuerwehrverband Hochsauerlandkreis e.V. ist somit der mitgliederstärkste Verband in Nordrhein-Westfalen.

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Das ist eine gigantische Zahl. Bei der Zahl der Frauen ist aber noch Luft nach oben…

Ja, das stimmt. Auch der Landesfeuerwehrverband arbeitet daran, noch mehr Frauen für die Feuerwehr zu gewinnen. Ich kann an dieser Stelle auch Frauen nur ermutigen, bei uns mitzumachen.

Jens Vogelsang ist Sprecher des HSK-Kreisfeuerwehrverbandes  
Jens Vogelsang ist Sprecher des HSK-Kreisfeuerwehrverbandes   © Brilon | WP

Was macht eine Ehrenabteilung?

Mit 67 Jahren – das ist gesetzlich so geregelt – dürfen die Kameraden nicht mehr zum Einsatz rausfahren. Auch wer aus gesundheitlichen Gründen keinen Einsatz mehr leisten kann, kann in die Ehrenabteilung wechseln und muss die „Feuerwehr-Familie“ nicht verlassen. Die Ehrenabteilungen sind unsere guten Seelen. Sie kümmern sich um viele andere Dinge hinter den Kulissen, halten die Gerätehäuser in Schuss und pflegen auch über die aktive Zeit hinaus die Kameradschaft untereinander.

Das Stichwort „Kameradschaft“ fällt oft bei der Feuerwehr. Warum ist das so wichtig?

Gerade im Einsatz müssen wir uns aufeinander verlassen können. Bei einem Wohnungsbrand zum Beispiel gehen immer mindestens zwei Leute gemeinsam mit Atemschutz in das Gebäude. Das sind nicht immer dieselben Teams. Der Einsatzleiter entscheidet vor Ort, wer mit wem zusammenarbeitet. Das ist oft auch eine Frage der Erfahrung. Bei einem schweren Verkehrsunfall würde man nicht einen Anfänger nach vorn schicken. Aber immer gilt: Jeder passt mit auf den anderen auf und auf jeden ist im Ernstfall Verlass.

Ist es diese viel zitierte Kameradschaft oder ist es der Wunsch, helfen zu wollen oder ist es technisch-handwerkliches Interesse, das die Menschen zur Feuerwehr bringt?

Ich denke, es ist ein Mix aus allem. Die Feuerwehr ist alles in allem sehr breit aufgestellt. Grundlehrgänge sind für alle obligat. Aber danach muss nicht jeder immer vorn am Strahlrohr stehen. Allein im Bereich Technik gibt es ja viele Aufgabenbereiche. Da ist der Maschinist/die Maschinistin, da sind Funker und Funkerinnen und mittlerweile gibt es eigene Lehrgänge für Feuerwehrleute, die Drohnen steuern. Autos werden immer moderner und sicherer. Da muss auch das feuerwehrtechnische Equipment mithalten und immer auf dem neuesten Stand sein. So sicher die Fahrgastzelle eines modernen Autos auch ist – bei einem Unfall muss auch unsere Ausrüstung Schritt halten, um Verletzte mit moderner Technik bergen zu können.

Wie ist es um den Nachwuchs bestellt? Ist ein solches Szenario wie auf Sylt bei uns denkbar? Gab es schon Wehren, die mangels Mitglieder geschlossen werden mussten?

Dies war in der Art im Hochsauerlandkreis bisher noch nicht der Fall. Bisher konnten immer frühzeitig Wege zur Nachwuchsgewinnung gefunden werden. Die Kommunen, die für den Feuerschutz zuständig sind, stellen des Weiteren über ihre jeweiligen Alarm- und Ausrückeordnungen sicher, dass für jedes Einsatz-Szenario ausreichend Einsatzkräfte alarmiert werden. Darüber hinaus wird natürlich geschaut, wo eventuell Fusionen Sinn machen, um Synergien zu nutzen. Hierfür ist aber immer eine örtliche und individuelle Betrachtung erforderlich.

Um Nachwuchs zu gewinnen, gibt es die Jugendfeuerwehren und relativ neu auch Kinderfeuerwehren. Hat sich das Konstrukt bewährt?

Ja, auf jeden Fall. Die ersten Kinderfeuerwehren im Hochsauerlandkreis wurden 2017 in Arnsberg und Medebach gegründet. Der Eintritt in die Jugendfeuerwehr ist rechtlich erst ab zehn Jahren möglich. Die Kinderfeuerwehr bietet hier eine gute Möglichkeit, die Kleinen bereits frühzeitig für die Feuerwehr zu begeistern. Sie ist ein weiterer Baustein, den Nachwuchs für die Jugendfeuerwehr und letztlich für die Einsatzabteilung zu sichern.

Was ist denn ­- abgesehen vom unterschiedlichen Alterseintritt - der inhaltliche Unterschied zwischen Kinder- und Jugendfeuerwehr? Ab welchem Alter kann ich in welche Gruppe eintreten?

Für die Kinderfeuerwehr gilt von sechs bis zehn Jahren, für die Jugendfeuerwehr von 10 bis 18 Jahren. Die Kinderfeuerwehr ist die „Kinderabteilung“ der Freiwilligen Feuerwehren. werden hier altersgerecht und spielerisch mit viel Spaß und Freude an das Thema „Feuerwehr“ herangeführt. Dies beinhaltet u.a. das Vermitteln von Gemeinschaft, Nächstenhilfe und das dem Alter entsprechende Verhalten in Notsituationen. In der Jugendfeuerwehr werden die Mädchen und Jungen dann intensiver an die Feuerwehr herangeführt. Zu den Aufgaben der Jugendfeuerwehr gehört allerdings nicht nur die Nachwuchsgewinnung für die Einsatzabteilung. Vielmehr wird bei Spiel, Wettkampf, Zeltlager, Sport, Jugendbildung und bei Begegnungen mit anderen Jugendgruppen auch eine qualifizierte Jugendarbeit geleistet.

Können die Wehren allen Interessierten einen Platz in Kinder- oder Jugendwehr bieten, gibt es Wartelisten oder suchen Sie händeringend Leute?

Hier gibt es teilweise regionale Unterschiede. Grundsätzlich können alle Interessierten zeitnah, im Regelfall sofort, in die Jugendfeuerwehr eintreten. Im Bereich der Kinderfeuerwehren wird das Angebot laufend ausgebaut.

Wie sieht es mit dem Übergang von Jugendfeuerwehr zur Erwachsenenwehr aus, salopp gefragt: Gehen unterwegs viele verloren oder bleien die meisten bei der Stange?

Teilweise gibt hier regionale Unterschiede. Insgesamt kann man festhalten, dass rund ein Drittel der Jugendlichen von der Jugendfeuerwehr in die Einsatzabteilung wechselt. Die Jugendfeuerwehr ist damit weiterhin der wichtigste Bestandteil zur Nachwuchsgewinnung und personellen Sicherung der Feuerwehreinheiten. Durch Studium oder Ausbildung ziehen viele von hier fort. Einige engagieren sich dann in ihrem neuen Wohnort bei der Feuerwehr. Manche kommen aber wieder zurück und finden durch alte Freunde oder Bekannte wieder den Weg zurück in die Feuerwehr. Im Vergleich zum Landesdurchschnitt ist unsere „Übergangsquote“ in jedem Fall höher.

Wenn’s brennt, müssen Feuerwehrleute ja oft alles liegen und stehen lassen und zum Einsatz eilen. Gibt es überwiegend Verständnis der Arbeitgeber für das Engagement ihrer Mitarbeiter/innen als Feuerwehrmann/frau? Muss der Arbeitgeber seine Leute eigentlich freistellen?

Die gesetzlichen Vorgaben für den Feuerschutz in NRW sind im sogenannten Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) geregelt. Darin ist u.a. vorgegeben, dass Arbeitgeber ihre in der Freiwilligen Feuerwehr tätigen Beschäftigten u.a. für Einsätze sowie Aus- und Fortbildungen freistellen müssen. Der Arbeitgeber zahlt in dieser Zeit den Lohn an den Arbeitnehmer weiter, kann sich diese Kosten aber von der Kommunen erstatten lassen.

Hat es da schon mal Probleme gegeben?

Dem Feuerwehrverband Hochsauerlandkreis liegen keine Erkenntnisse vor, dass es grundsätzliche Probleme bei der Freistellung von Arbeitnehmern für Einsätze gegeben hätte. Im Gegenteil: Viele Arbeitgeber unterstützen das ehrenamtliche Engagement ausdrücklich.Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Arbeitgeber froh sind, Feuerwehrleute in ihren Reihen zu haben – nicht nur für den Brandfall. In der Regel wird bereits im Vorfeld zum Beispiel bei Neueinstellung die Tätigkeit in der Freiwilligen Feuerwehr und die Teilnahme an Einsätzen etc. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besprochen.

Erleben Sie im Sauerland eigentlich auch das Phänomen, dass Ehrenamtliche von Betrunkenen oder Passanten angegriffen werden?

Leider sind auch im Hochsauerlandkreis Übergriffe auf das hauptamtliche Personal von Rettungsdienst und Polizei zu verzeichnen, im ehrenamtlichen Bereich hatten wir das bislang weniger. Da spielt es vielleicht auch eine Rolle, dass das Leben und Zusammenleben auf dem Land weniger anonym ist als in einer Großstadt.

Und wie sieht es mit Gaffern aus, die die Einsätze behindern?

Das kommt auch bei uns schon eher mal vor. Diese Menschen, die mit dem Handy Unfallaufnahmen machen und möglicherweise Einsatzkräfte bei ihrer Arbeit behindern, sollten sich einmal in die Rolle der Opfer versetzen und sich fragen, ob es ihnen recht wäre, wenn sie in einer solchen Notlage fotografiert würden. Sie sollten sich auch einmal vor Augen führen, was passiert, wenn sie Bilder von zerstörten Autos oder gar Personen in den sozialen Netzwerken posten. Es könnte sein, dass Angehörige von Unfallopfern auf diese Weise von einem schweren Unfall oder einem Todesfall erfahren – und das, noch bevor sie offiziell darüber informiert werden konnten.

Wie ist es um das Seelenheil der Feuerwehrleute bestellt, die oftmals schreckliche Bilder verarbeiten müssen?

Dafür gibt es das Team der Psychosozialen Unterstützung (PSU). Alle PSU’ler sind zugleich Feuerwehrleute und wissen, was in ihren Kollegen und Kolleginnen vorgeht. Die Arbeit ist zur Bewältigung von psychisch belastenden Einsätzen, z. B. bei der Rettung von Schwerverletzten oder Bergung von Toten, sehr wichtig.

Wollten Sie schon immer Feuerwehrmann werden?

Ich bin da auch mehr durch Zufall gelandet. Als die Einheit in Hildfeld ein neues Fahrzeug bekam, war ich noch bei der Stadt Winterberg beschäftigt und habe damals Fotos von der Einweihung gemacht. Dort haben mich Freunde und Bekannten angesprochen, die schon bei der Feuerwehr waren., Und ich habe gesagt: Ich komme mal vorbei. Dabei ist es dann nicht geblieben. Jahre später habe ich als Einheitsführer in Hildfeld die Schlüssel für ein anderes neues Fahrzeug entgegengenommen…

Was kann jemand tun, der zu Ihnen in die Feuerwehr kommen möchte?

Er oder ausdrücklich auch Sie kann mit den örtlichen Einheiten Kontakt aufnehmen, einfach an einem Übungsabend zum Schnuppern vorbeikommen oder bei seiner/ihrer Stadt nachfragen. Wir haben auch immer wieder Neuzugänge, die ins Sauerland gezogen sind und durch ihre Mitgliedschaft in der Feuerwehr soziale Kontakte in ihren neuen Wohnorten knüpfen konnten und auf Dauer gute Kameraden und Kameradinnen wurden.