Brilon. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer macht der Gastronomie in Brilon zu schaffen. Leiter Bernie Gashi zieht Konsequenzen. Der Dehoga-Chef warnt.
Das Forsthaus Waldsee liegt idyllisch am beliebten Freibad in Gudenhagen. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts entstand am Strandbad der Bedarf nach Kaffee, Kuchen, Getränken und Speisen. Deshalb eröffnete das Forsthaus im Jahr 1936. 2018 wurde die Seescheune für Feiern und Gesellschaften neu gebaut. Im Sommer können Wanderer, Urlauber und Einwohner im Biergarten entspannen. Im Winter sorgt ein knisterndes Kaminfeuer im Restaurant für eine gemütliche Atmosphäre. Doch das ändert sich jetzt. Der Betriebsleiter Bernie Gashi hat beschlossen, das Restaurant bis April zu schließen. Nur gebuchte Feierlichkeiten sollen bis zum Frühling stattfinden. Auch für Bernie Gashi ist das eine schwierige Entscheidung: „Wir haben alles durchgerechnet, aber am Ende mussten wir uns so entscheiden, um zumindest keinen Verlust zu machen“, sagt der Gastronom.
Die Entwicklung während der Corona-Pandemie hat ebenfalls dazu beigetragen: „Die Lebensmittel werden immer teurer. Ich traue mich schon fast nicht mehr, unseren Gästen den Preis für ein Buffet zu nennen“, erklärt Gashi. Auch die Mehrwertsteuererhöhung hat zur Entscheidung beigetragen: „Ich verstehe einfach nicht, warum den Gastronomen in dieser schwierigen Zeit noch zusätzliche Steine in den Weg gelegt werden“, beklagt er sich.
Dehoga bemängelt steigenden bürokratischen Aufwand
Auch Dr. Wolfgang Henke, Geschäftsführer der DEHOGA Westfalen e.V., versteht das nicht. Er ist in ständigem Austausch mit den Gastronomen und oft vor Ort. Viele teilen ihre Sorgen mit dem Gastro-Experten und hoffen auf politische Unterstützung des Lobbyverbandes: „Im letzten Jahr mussten allein in unserem Einzugsgebiet 200 Gastronomiebetriebe schließen“. Viele verkürzen auch ihre Öffnungszeiten. Das ist eine Reaktion auf die sich verändernden Rahmenbedingungen, weiß Henke: „Die Lebensmittel sind teurer geworden, die Inflation schlägt voll zu und jetzt wird auch noch die Mehrwertsteuer erhöht“, fasst Henke die Probleme der Branche zusammen.
Er rechnet auch in diesem Jahr mit neuen Insolvenzen: „Ich kann jedem Gastronomen nur empfehlen, die Preise ordentlich zu kalkulieren“, so Henke. Er weist auch auf ein weiteres Problem hin: „Die Bürokratie in der Gastronomie nimmt Überhand. Wenn man einen Betrieb mit zehn Mitarbeitern hat, ist einer davon den ganzen Tag damit beschäftigt, die strengen Auflagen zu erfüllen“, so Henke. In anderen Ländern sei das anders. Das gelte auch für die Mehrwertsteuer: „In 23 EU-Staaten gibt es eine reduzierte Mehrwertsteuer für die Gastronomie“. Gerade Betriebe in den Grenzregionen werden zusätzlich belastet: „Dann essen die Leute halt in den Niederlanden“, sagt der Dehoga-Chef. Eigentlich bräuchte es eine große Steuerreform, findet Henke. Und er wird deutlich: „Wir regulieren uns noch zu Tode“, so Henke.
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Langfristig befürchtet der Dehoga-Chef, dass die traditionelle deutsche Küche aussterben wird: „Wenn es so weitergeht, werden Restaurants mit bürgerlicher deutscher Küche in ein paar Jahren in der Minderheit sein“, prognostiziert er. Auch der Betreiber des Forsthauses hat mit Bürokratie zu kämpfen: „Ich versuche schon seit Jahren, ein Schild aufzustellen, das auf das Restaurant hinweist“. Aufgrund der etwas versteckten Lage fahren viele Touristen einfach daran vorbei: „Leider erlaubt mir die Stadt nicht, ein Schild aufzustellen“. Dadurch kam es in der Vergangenheit zu Konflikten. Hinzu komme der Personalmangel: „Für 12,50 Euro bekomme ich kein Personal. Es müssen schon 14 bis 15 Euro sein, und das muss ich natürlich auch in den Preis miteinkalkulieren. Aber wer ist heutzutage noch bereit, das zu bezahlen?“, fragt er sich.
Hinweisschild wird von Stadt Brilon abgelehnt
Im November 2022 stellte er einen Antrag, ein Hinweisschild mit amtlichen Wegweisern aufzustellen, aber die Stadt lehnte den Antrag im Dezember 2022 nach einer Prüfung ab. Die Entscheidung basiert auf den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung (StVO), die eine Ausschilderung im öffentlichen Verkehrsraum nur für Ziele mit erheblicher Verkehrsbedeutung erlaubt. Dies setzt voraus, dass ein Ziel ein höheres Verkehrsaufkommen aufweisen muss und dieses Verkehrsaufkommen überwiegend auf die Ausschilderung angewiesen ist, aufgrund mangelnder Ortskenntnis. In der Regel kommen nur öffentliche Einrichtungen wie Bahnhöfe, Krankenhäuser, Rathäuser und Schulen für eine amtliche Ausschilderung in Frage. Die Stadt Brilon betont, dass die Auswahl sehr streng gehandhabt werden muss und nicht jedes Unternehmen mit amtlichen Wegweisern ausgeschildert werden kann. Als Beispiel wird darauf hingewiesen, dass eine Ausschilderung privater Ziele nicht ausgeschlossen ist, wenn ein erheblicher, vornehmlich auswärtiger Zielverkehr besteht, wie es häufig in Gewerbegebieten der Fall ist. Die Stadt weist in ihrer Antwort darauf hin, dass der Antragsteller auf die bereits vorhandene amtliche Ausschilderung des Waldfreibades hingewiesen wurde, die auch den Gästen des Forsthauses Waldsee als Orientierung dienen kann. Auf die Frage, ob es einen Kompromiss oder Alternativstandorte für das gewünschte Hinweisschild gibt, antwortet die Stadt Brilon, dass dies aufgrund der allgemeinen Gültigkeit der StVO und der Kriterien für die Aufstellung von amtlichen Wegweisern unwahrscheinlich ist. Zusätzlich erschwert wird dies durch die Tatsache, dass das Forsthaus Waldsee nur eine Zufahrt hat. Die Stadt erläutert, dass die Möglichkeit besteht, sich an der amtlichen Wegweisung des Waldfreibades zu orientieren, um das Forsthaus Waldsee zu finden. Die Zuständigkeit für die Prüfung und Genehmigung liege jedoch nicht bei der Stadt Brilon, sondern beim zuständigen Straßenbaulastträger, dem Landesbetrieb Straßen NRW, so der Hinweis der Stadt Brilon.
Jeden Cent umgedreht
Während der Restaurantbetreiber Gashi in den letzten Jahren jeden Cent umgedreht hat, um noch über die Runden zu kommen, muss er in diesem Jahr aufgeben: „Es geht einfach nicht anders“. Dehoga-Chef Henke rechnet außerdem mit weiteren Einschränkungen: „Ich bin oft in Brilon und bei einem der letzten Gespräche habe ich gehört, dass ein Briloner Hotel möglicherweise ebenfalls auf eine warme Küche verzichten wird“. Das sei aber noch nicht sicher, so Dr. Wolfgang Henke.