Brilon/Meschede. WP-Reporter Franz Köster hat sich mit dem Trecker auf den Weg zur Demo gemacht. Dabei hat er erfahren, worum es den Bauern eigentlich geht.
Draußen ist es noch dunkel, als sich der Trecker-Konvoi um 8.15 Uhr in Antfeld in Bewegung setzt. Mindestens 20 Trecker aus Olsberg sind dabei, vielleicht auch noch mehr. Die Rundumlichter der Traktoren verschwimmen in der Dunkelheit. Von Weitem sehen sie aus wie kleine funkelnde Sterne. Es ist bitterkalt, der Schnee bleibt auf der Straße liegen. Im Trecker von Frank Stemmer ist es jedoch angenehm warm: „Am besten, du ziehst hier drin die Jacke aus, sonst ist es dir gleich draußen zu kalt“, so der Tipp des Landwirtes. Im Trecker ist es tatsächlich sogar recht leise. Vom wummernden Motor des 155-PS starken Gefährtes ist nur wenig zu hören, stattdessen dringt das Radio durch die Stille. Auch dort gibt es heute nur ein Thema: Die Bauernproteste.
Auch aus Brilon und Winterberg schließen sich zahlreiche Fahrzeuge an. In Nuttlar treffen die Olsberger schließlich auf die Briloner Landwirte. Gemeinsam machen sich die Bauern auf den Weg zum Flugplatz in Meschede-Schüren. Dort wollen sie gegen die Politik der Ampel-Regierung protestieren. Das klappt allerdings nur in einem eher gemächlichen Tempo: „Wir hatten mit der Polizei abgesprochen, dass wir mit mindestens 25 km/h fahren“, so Stemme. Doch dann traf die theoretische Überlegung auf die Praxis und an vielen Stellen war nicht mehr als zehn km/h drin.
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Trotz des Kompromissvorschlags, den die Bundesregierung den Bauern am Ende der vergangenen Woche unterbreitete, ist die Wut unter den Landwirten groß: „Es geht hier gar nicht um Geld, sondern um Gerechtigkeit“, sagt Frank Stemmer.
Nur 40 Cent für den Liter Milch
Damit möchte er auch denjenigen den Wind aus den Segeln nehmen, die den Bauern unterstellen, durch die hohen Steuersubventionen ein gemütliches Leben führen zu können. „Wir haben ja nicht nur Konkurrenz in Deutschland, sondern eigentlich auf dem gesamten globalen Markt, insbesondere in Europa“, so Stemmer. Die Landwirte werden auch deshalb subventioniert, damit die Versorgung mit preiswerten Lebensmitteln sichergestellt sein: „Wenn wir uns ehrlich machen würden, dann müssten wir für den Liter Milch eigentlich zwei Euro nehmen“, so Stemmer. Aktuell bleiben bei den Bauern vielleicht 40 Cent übrig: „Es müssten aber eher 60 Cent sein“, so Stemmer, der auf seinem Hof 80 Milchkühe hält. Die geben bis zu 35 Liter am Tag. Gegen ebenfalls subventionierte Produkte aus dem Ausland habe man am Ende keine Chance mehr. Damit wirft er eine Grundsatzfrage auf: Soll Deutschland weiterhin in der Lage sein, Lebensmittel auch selbst zu produzieren? Für die Bauern ist die Antwort klar und deswegen gehen sie heute auf die Straße.
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Etwas Sorgen hatten die Organisatoren, ob die Demonstration nicht von Rechten unterwandert werden könnte. Von Trittbrettfahrern, die den Protest der Bauern nutzen, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Diese Sorgen haben sich am Ende nicht bewahrheitet. Zwischen vielen friedlichen Plakatsprüchen ist zwar auch die ein oder andere derbe Parole auf den Treckern zu sehen, aber auch für Frank Stemme ist es wichtig, dass alles in einem gewissen Rahmen läuft: „Wir schneiden uns ja am Ende auch in unser eigenes Fleisch, wenn wir es übertreiben.“ Die Briloner und Olsberger sind daher auch konsequent der Absprache mit der Polizei gefolgt. Autobahnauffahrten wie in anderen Teilen von NRW wurden nicht blockiert.
Viel Unterstützung der Bürger
Trotz der Verkehrsbehinderung sind die anderen Verkehrsteilnehmer freundlich. Viele Hupen, einige strecken den Daumen als Zeichen der Solidarität nach oben: „Es ist schön, so viel Unterstützung zu erfahren“, findet Stemmer. Zwischendrin taucht auch immer wieder eine Frau mit dem Fahrrad auf. Darauf steht geschrieben „Ich liebe Landwirtschaft“. Die Dame meint es auch offenbar ernst: „Notfalls fahre ich mit dem Fahrrad auch nach Berlin, um die Landwirte zu unterstützen“, so die sportliche Frau.
Um 11.30 und mit ordentlicher Verspätung erreicht der Konvoi schließlich den Flugplatz. Dort reihen sich die Trecker alle auf dem Flugfeld ein. Die Start- und Landebahn ist 900 Meter lang. Genauso lang sind die drei Reihen der dort abgestellten Lastkraftwagen. Wer vom Ende des Parkplatzes zum Veranstaltungsort gehen möchte, braucht dafür einige Minuten. Aber das sind die Landwirte gewohnt. Ohnehin ist ihnen harte Arbeit nicht fremd: „Wenn Erntezeit ist, dann gibt es manchmal Nächte mit zwei bis drei Stunden Schlaf“, so der dreifache Vater. Sein elfjähriger Sohn sei auch schon wild darauf, ins Familiengeschäft einzusteigen: „Den Trecker kann er schon schneller programmieren als ich“, so Stemme. Aber ob er seinem Sohn empfehlen würde, seine Zukunft in der Landwirtschaft zu suchen, da ist sich der stolze Vater nicht sicher: „Das ist ein schlaues Kerlchen“. Geld lasse sich auch einfacher verdienen, sagt Stemme, der jedoch selbst seine Freiheit und die Zeit in der Natur nicht missen möchte.