Hallenberg/Medebach/Winterberg. Christian Niggemann erzählt, was die Kürzungen für seinen Betrieb bedeuten würden und warum er sich nicht von der Politik abwimmeln lässt.

Christian Niggemann bekommt seit Tagen sein Handy kaum noch aus der Hand. Der Vollerwerbslandwirt aus Hesborn ist als Vorsitzender des landwirtschaftlichen Stadtverbands für Medebach/Hallenberg und neben Bernhard Völlmecke vom Winterberger Stadtverband einer der Köpfe, die die Aktionen des Südkreises für den Weg zur Bauern-Demo am Montag in Meschede koordinieren. Sie vermitteln zwischen dem Bauernverband als Organisator, Teilnehmern und Interessenten, organisieren, informieren – und das in einer WhatsApp-Gruppe mit über 400 Mitgliedern, zu der nicht nur Landwirte, sondern auch Lohnunternehmer, Handwerker, Bauunternehmer, Spediteure und weitere Berufsgruppen gehören.

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Einer aus dieser Gruppe ist Uwe Susewind. Er hat vor 25 Jahren mit seinem Bruder die Firma Susewind Kunststofftechnik GmbH in Siedlinghausen gegründet. Mit der aktuellen Politik ist er absolut unzufrieden: „Wir als kleines Deutschland können nicht die Welt retten, wir haben zu viele Probleme und Baustellen im eigenen Land wie Altersarmut, Fach- und Arbeitskräftemangel, ⁠Energiekosten, Heizungsgesetz und viele andere. Sagt oder schreibt man was dazu, ist man Querdenker oder wird direkt in die rechte Ecke gestellt! Jeder, der Steuern zahlt, sollte gemerkt haben, dass es so mit uns nicht weitergehen kann.“

„Zuviel ist zuviel“, so lautet das Motto der bundesweiten Demonstrationsveranstaltungen. Mit Klimawandel, Trockenheit, Borkenkäferbefall, schwankenden Marktpreisen, Dünge- oder Pflanzenschutzverordnungen, steigenden Energie- und Futterkosten, immer mehr Bürokratie, ständig neuen Anforderungen oder ausbleibenden Regelungen seitens der Politik schlagen sich die Landwirte schon seit vielen Jahren herum. Mit den Einsparplänen der Bundesregierung, die kurz vor Weihnachten bekannt wurden, ist für sie jetzt das Ende der Fahnenstange erreicht.

Es soll friedlich bleiben

Wichtig ist den Organisatoren, dass friedlich und geregelt demonstriert wird. „Wir distanzieren uns aufs Schärfste von Personen, die Umsturzfantasien propagieren oder Gewalt verherrlichen sowie Personen aus rechtsextremen Kreisen und anderen radikalen Randgruppen – auch, weil diese teilweise unseren Protest für ihre fragwürdigen Anliegen vereinnahmen wollen“, erklärte der WLV in einem Flugblatt. Der Bauernverband reagierte zudem auf die Übergriffe auf Wirtschaftsminister Robert Habeck und rief dazu auf, die Privatsphäre von Gesprächspartnern zu respektieren und extremistischen Symbole wie u.a. Galgen oder schwarze Fahnen entschieden entgegenzutreten.

Christian Niggemann rechnet vor, was die geplanten Kürzungen für seinen Familienbetrieb mit 80 Milchkühen und 40 Kälbern finanziell und auch an zusätzlicher Arbeit bedeuten würden – und dass die angedachten Neuregelungen für viele kleine, für das Sauerland so typische Nebenerwerbler mit ein bisschen Wald, wenigen Tieren und ein paar alten Maschinen vermutlich das Aus bedeuten würden. Am Donnerstagnachmittag platzt dann die Nachricht herein, dass die Ampelkoalition einen Teil der Kürzungen zurücknehmen will. Die Kfz-Steuerbefreiung soll nun doch nicht gestrichen werden, die Abschaffung der Agrardiesel-Steuerbegünstigung kommt nicht auf einmal, sondern schrittweise auf drei Jahre verteilt. An den Vorbereitungen für die Kundgebung am Montag auf dem Flugplatz Schüren ändert das nichts: „Wir bleiben auf der Straße“, sagt Christian Niggemann. „Wir haben Spediteure, Gastronomie-Gewerbe und Handwerker alle mit ins Boot geholt. Es geht vielen Branchen schlecht, und wir haben alle aufgerufen, mit uns auf die Straße zu gehen. Deshalb geht es jetzt auch darum, sich für alle gemeinsam einzusetzen. Die geplanten Kürzungen für die Landwirte waren nur das, was das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“ Ziel der Landwirte sei die komplette Rücknahme der angekündigten Kürzungen, nicht nur ein Teil.

Simon Dielenhein mit seiner Black-Belted-Gallowaykuh Foto Rita Maurer
Simon Dielenhein mit seiner Black-Belted-Gallowaykuh Foto Rita Maurer © WP | Rita Maurer

Bei so vielen Problemen und Kritik steht die Frage im Raum, ob überhaupt noch junge Leute Interesse an der Landwirtschaft haben. Simon Dielenhein aus Hallenberg hat die Antwort für sich schon gefunden. Er ist ausgebildeter Landwirt und absolviert gerade ein zweijähriges Vollzeit-Studium zum „Staatlich geprüften Agrarbetriebswirt“ an der Fachschule in Meschede. Seit Jahren setzt er sich dafür ein, Menschen für den Stellenwert der Landwirtschaft und die von ihr produzierten hochwertigen Lebensmittel zu sensibilisieren.

Realistische und kalkulierbare Rahmenbedingungen werden gefordert

Um die Landwirtschaft vor allem für junge Leute in Zukunft überhaupt noch attraktiv zu halten, fordert er von der Politik realistische und kalkulierbare Rahmenbedingungen: „Es wird immer schwieriger zu planen. Der Markt weist große Schwankungen auf, im Gegenzug schraubt die Politik die Auflagen immer mehr nach oben, was mit hohem Investitionsrisiko und immensen Summen an Geld verbunden ist.“

Die aktuellen Diskussionen sieht der 22-Jährige auch als Chance, der Bevölkerung die Arbeit der Bauern näher zu bringen. „Die Landwirtschaft ist bei weitem nicht so schlecht, wie sie oft dargestellt wird. Es wird Zeit, dass mehr Geld für gute, regionale Lebensmittel ausgegeben wird. Von einem neuen Auto oder drei Urlauben im Jahr wird keiner satt. Man kann sich nicht über den Klimawandel beschweren, aber trotzdem das billig eingeflogene Steak aus Argentinien essen.“

Für seinen Beruf hat er sich ganz bewusst entschieden: „Landwirt ist für mich der abwechslungsreichste Beruf der Welt“, sagt er. „Es ist einfach schön, wenn meine Tiere zufrieden sind oder sich Verbraucher für unsere Arbeit interessieren. Deshalb ist es mir wichtig, dass die Landwirtschaft auch für junge Leute Zukunft hat. So wie jetzt ist der Beruf nicht mehr zumutbar.“