Brilon. Die Uhr tickt: Der Briloner Stadtrat diskutiert über Flüchtlingsunterbringungen. Auch Sporthallen sind längst kein Tabu mehr.

Die Suche nach einer Flüchtlingsunterkunft in Brilon geht vorerst weiter. In einer langen Diskussion über das Für und Wider einer Containeranlage setze sich am Ende die CDU mit ihrem Vorschlag durch, eine Resolution an Bund und Länder zu richten. Das soll den Druck auf die Entscheidungsträger erhöhen, tragfähige Lösungen zu finden. Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Auch die Belegung von Turnhallen wurde im Laufe der Diskussion debattiert. Völlig auszuschließen wäre dieser Tabubruch zum jetzigen Zeitpunkt nicht.

Keine einfachen Lösungen

Nachdenklich und differenziert führte Bürgermeister Dr. Christof Bartsch bei der vergangenen Ratssitzung am Mittwoch, 23. November, in den Tagesordnungspunkt ein. Machte dabei aber auch auf Probleme der derzeitigen Migrationspolitik aufmerksam: „Wir sind uns einig, dass wir niemanden, der vor Krieg flieht, abweisen werden. Wir wissen aber auch, dass es andere gibt, die nicht schutzbedürftig sind“, so Bartsch. Das sei „eine extreme Herausforderung für die Politik“ und eine gewisse Hilfslosigkeit mache sich breit, da es aktuell „extrem schwierig sei, in engen rechtlichen Grenzen die richtigen Antworten zu finden“. Bartsch: „Es gibt keine einfachen Lösungen“, so der Bürgermeister.

Spartanisch aber praktisch ist dieser Wohncontainer für Flüchtlinge  in Winterberg eingerichtet.
Spartanisch aber praktisch ist dieser Wohncontainer für Flüchtlinge in Winterberg eingerichtet. © WP | Benedikt Schülter
Das Bad müssen sich die Bewohner in Winterberg teilen.
Das Bad müssen sich die Bewohner in Winterberg teilen. © WP | Benedikt Schülter

Die aktuelle Flüchtlingswelle habe die Stadt in einem nicht vorhersehbaren Maße getroffen, heißt es im Antrag der Verwaltung. Die rund 30 Übergangswohnheime, die die Stadt betreibt, seien fast vollständig ausgelastet. Von den rund 500 Plätzen seien 97 Prozent belegt. In diesem Jahr habe die Stadt bereits rund 190 Geflüchtete aufgenommen, davon allein 125 seit August. Pro Woche kämen etwa zehn neue Personen hinzu. Die meisten Geflüchteten stammten aus Syrien, der Ukraine und der Türkei. Schon bald wird erwartet, keine Plätze mehr zur Verfügung stellen zu können, sollte die Stadt keinen weiteren Wohnraum schaffen können.

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Das setzt die Stadt zunehmend unter Druck. Auch der Bürgermeister wird deutlich: „Wie lassen sich diejenigen herausfiltern, die keinen Anspruch haben“. Das ändere aber nichts an der akuten Lage: „Als Kommune sind wir gesetzlich für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständig“. Auch er wisse aktuell nicht, wie es weitergehe. Bürgermeister Dr. Christof Bartsch hatte bereits zuvor in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses (HFA) deutlich gemacht, dass man sich in der Verwaltung einig sei: Turnhallen wie in der Flüchtlingskrise 2015/2016 sollen in Brilon nicht belegt werden. Falls Brilon sich gegen eine weitere Zuweisung sperre, könnte aber genau das drohen: „Wenn wir nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, dann heißt es: Ihr habt Turnhallen und ihr habt Schützenhallen. Richtet die her, damit ihr Flüchtlinge unterbringen könnt.“ Die Beschlagnahme einer Turnhalle sei zwar ein sehr tiefer Eingriff. Ausschließen, dass so etwas passiert, wenn Brilon sich - auch aus einer Not heraus - quer stelle, wollte der Bürgermeister nicht.

Fast eine Million für Container

Eine Anmietung der Container für 24 Monate, so der Beigeordnete Reinhold Huxoll auf der vergangenen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses, kostet rund 950.000 Euro. Für den Kauf einer zweigeschossigen Einheit, die 60 Menschen beherbergen kann, müsste die Stadt 905.000 Euro auf den Tisch legen. Ein Problem: Vor Sommer 2024 stünde wohl kein Container im Raum Brilon. Denn die Beschaffung müsste erst ordentlich ausgeschrieben werden und nach der Vergabe müssen die Einheiten ausgebaut werden. Die Nachfrage dürfte bundesweit darüber hinaus recht groß sein, sodass unklar ist, wann mit einem Bau überhaupt gerechnet werden kann.

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Das weiß auch Eberhard Fisch, der Vorsitzende der CDU-Fraktion: „Ich habe es in der letzten Sitzung schon mal gesagt, aber wir stehen hier vor einem großen Dilemma“, so Fisch. Der Politiker macht deutlich, dass die CDU-Fraktion nichts von einer Containerlösung hält: „Container sind aus unserer Sicht nicht zielführend“, so Fisch und „wo sollen die überhaupt aufgebaut werden?“ Der Richter am Amtsgericht Marsberg zweifelt auch die Prognose der Verwaltung an: „Wenn wir uns hier wirklich ehrlich machen, dann reden wir nicht über Kosten von einer Million Euro, sondern eher über drei bis vier Millionen. Das Geld haben wir nicht“, so zumindest die Einschätzung des CDU-Politikers. Abgewohnte Container müssten aufwendig wieder hergerichtet werden und auch bei gekauften Containern sei unsicher, ob es dafür in einigen Jahren überhaupt einen Markt gebe, so die Sorge des Fraktionsvorsitzenden. Seine Kritik richtet sich aber auch an die Bundesregierung: „Die Regierung ist aktuell nicht in der Lage, uns eine tragfähige Lösung zu präsentieren“, so Fisch. Auch im weiteren Verlauf der Diskussion kam die Ampelkoalition nicht besonders gut weg. Der Fraktionsvorsitzende der SPD nahm den heimischen Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese jedoch in Schutz: „Er hat sich oft und klar genug zu diesem Thema geäußert“, so Hubertus Weber.

Auch die SPD ringe mit sich, sagt Weber, betont aber: „Wir sind diejenigen, die Lösungen finden müssen. Es gibt keine Patentlösung, aber wir haben es in der Hand“. Grundsätzlich unterstütze die SPD-Fraktion den Container Vorschlag der Verwaltung“.

Turn- und Sporthallen müssen die letzte Konsequenz sein

Das brachte die CDU-Frau Karin Bange auf die Palme: „Wir kämpfen aktuell gegen Windmühlen. Es muss endlich Druck ausgeübt werden, wir laufen sonst weiter voll“, so Bange. Es müssten endlich Taten sprechen: „Wenn wir uns jetzt so in die Höhe strecken, dann hoffe ich aber, dass es wenigstens die richtigen erreicht“, so Bange. Eine Belegung von Turnhallen müsse zumindest vorbereitet werden, findet CDU-Ratsherr Thomas Becker und erntet keinen Widerspruch. Frauke Müthing von der BBL-Fraktion bat jedoch darum „Turn- und Sporthallen nur als letzte Konsequenz“ zu nutzen.

Die Grünen machten derweil deutlich, dass auch sie einer Containerlösung zunächst kritisch gegenüberständen: „Wir sind als Grüne zwiegespalten, halten aber eine Containerlösung für unglücklich und würden uns daher der Forderung der CDU nach einer Resolution anschließen“, sagt Lisa Brom.

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Die CDU wird anschließend grundsätzlich: „Wie sollen wir unseren Bürgern das alles noch erklären? Wenn wir jetzt die falschen Entscheidungen treffen, dann werden im nächsten Rat ganz andere Vertreter sitzen“, so die deutliche Warnung. Zum Ende der Diskussion wurde es unruhig, als der CDU Ratsherr Christoph Schneymann aus Alme, wo auch Flüchtlingsunterkünfte geplant werden, laut wurde: „Die Bürger haben Angst um sich und das Leben ihrer Familie. Das, was wir hier gerade machen, ist Selbstmord“, so die Ansage, die von vielen Zwischenrufen begleitet wurde. Zum Abschluss konnten sich alle Fraktionen mit Ausnahme von vier CDU-Ratsmitgliedern darauf einigen, dass die Stadt neue Wohnungen in Alme und Altenbüren ankaufen dürfe. Insgesamt entstände dadurch Wohnraum für ca. 40 bis 42 Personen. Dafür werden nun 509.000 Euro bereitgestellt. Die Containerlösung solle aber zurückgestellt werden, beschließt der Rat anschließend einstimmig. Bis zum 14. Dezember soll die Stadtverwaltung eine Resolution vorbereiten. Dann geht die Diskussion weiter.