Brilon. In Brilon gibt‘s kaum noch Raum für Flüchtlinge. Politiker schlagen vor, Zuweisungen neuer Flüchtlinge abzulehnen. Die Folgen könnten fatal sein.

In Brilon wächst in Politik und Verwaltung die Verzweiflung über die Flüchtlingspolitik. Die Unterbringungseinrichtungen in der Kernstadt und in den Ortsteilen sind fast voll, es ist kaum noch neuen Wohnraum zu finden. Doch die Zuweisungen von Flüchtlingen nimmt - wie in anderen Kommunen - kein Ende. Im Gegenteil. Es werden der Stadt immer mehr Menschen zugewiesen. Wo man sie unterbringen soll? Mit dieser Frage lassen Bund und Land die Städte und Gemeinden allein. Das sorgt zunehmend für Frust - und der entlud sich im Haupt- und Finanzausschuss. Man wolle nicht länger „Mittelsmann dieser verkorksten Migrationspolitik“ sein, hieß es.

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Die Lokalpolitik in Brilon ist nicht dafür bekannt nach Außen besonders laute Töne anzuschlagen und auf den Tisch zu hauen. Nach Innen sieht das oft anders aus. In Ausschüssen und Ratssitzungen wird emotional, manchmal heißblütig und ausführlich gestritten. Mitunter werden Themen bis ins Klein-klein zerlegt. Im Haupt- und Finanzausschuss am Donnerstagabend war das anders: Es wurden leisere und nachdenklichere Töne angestimmt. Es war gleichwohl nicht weniger energisch, was im Bürgersaal des Rathauses gesagt wurde - fraktionsübergreifend: Die Flüchtlingskrise bringt auch Brilon an seine Grenzen, ja sie belastet die Stadt über die Schmerzgrenze hinaus.

Wohnraumkapazität für Flüchtlinge ist zu 97 Prozent ausgelastet

Ausgang der Debatte war ein Verwaltungsvorschlag: Soll die Stadt Container für Flüchtlinge kaufen oder anmieten? Die Stadt Brilon betreibt aktuell 32 Übergangswohnheime mit 522 Plätzen, die jetzt zu 97 Prozent belegt sind. In diesem Jahr wurden der Stadt Brilon bereits 190 Geflüchtete zugewiesen, davon seit August 125 Personen. Aktuell werden zehn bis zwölf Menschen pro Woche zugewiesen; die meisten aus Syrien, der Ukraine und der Türkei. In wenigen Wochen sind die Wohnraum-Kapazitäten erschöpft. Die Stadt verhandelt derzeit zwar mit zwei Immobilieneigentümern über den Kauf beziehungsweise die Anmietung von Unterkünften. Doch das wird nicht reichen. Die Stadt erkauft sich damit lediglich ein wenig Zeit. Dabei hat die Verwaltung auch schon unpopuläre Maßnahmen getroffen. In Wohnheimen gab es zuletzt Zusammenlegungen. Aus Ein-Bett-Zimmern wurden Zwei-Bett-Zimmer und aus Zwei Bett-Zimmern wurden Drei-Bett-Zimmer. „Das hat natürlich auch zu Unmut unter den Geflüchteten geführt“, sagte Bürgermeister Dr. Christof Bartsch.

Was passiert eigentlich, wenn wir uns gegen die Zuweisungen tatsächlich wehren?

„Es ist Druck drin. Wir können überhaupt nicht so schnell Wohnraum bereitstellen, wie wir Flüchtlinge zugewiesen bekommen. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, verdeutlichte der Beigeordnete Reinhold Huxoll die angespannte Situation und warb für die Containerlösung, die die Stadt viel Geld kosten würde. Eine Anmietung für 24 Monate kostet rund 950.000 Euro. Für den Kauf einer zweigeschossigen Einheit, die 60 Menschen beherbergen kann, müsste die Stadt 905.000 Euro auf den Tisch legen. Ein Problem: Vor Sommer 2024 stünde wohl kein Container im Raum Brilon. Denn die Beschaffung müsste erst ordentlich ausgeschrieben werden und nach der Vergabe müssen die Einheiten ausgebaut werden. Die Nachfrage dürfte bundesweit darüber hinaus recht groß sein, so dass unklar ist, wann mit einem Bau überhaupt gerechnet werden kann.

In den vielen Beiträgen im Haupt- und Finanzausschuss schwang auch die Sorge um einen Rechtsruck in der Gesellschaft mit. In Teilen der Bevölkerung schwinde zunehmend das Verständnis.

Turnhallen oder Schützenhallen für Flüchtlinge: Das soll unbedingt verhindert werden

Die „große“ Politik wurde in der Flüchtlingsfrage mehrfach hart kritisiert. „Es ist die pure Hilflosigkeit auf Bundes, Landes- und EU Ebene“, sagte der Bürgermeister. Aus den Fraktionen kam viel Zuspruch - und die Anregung zum zivilen Ungehorsam: „Bis der erste Container hier steht haben wir 200 weitere Flüchtlinge hier, die uns zugewiesen werden“, sagte CDU-Fraktionschef Eberhard Fisch. „Wir müssten drei oder vier Millionen Euro für Container ausgeben, um alle Menschen unterzubringen. Wir sind hier vielleicht einmal in einer Situation, wo auch wir einmal die Segel streichen müssen.“ SPD-Fraktionschef Hubertus Weber nahm den Ball auf: „Was passiert eigentlich, wenn wir uns gegen die Zuweisungen tatsächlich wehren?“

Bürgermeister Dr. Christof Bartsch hatte bereits zuvor deutlich gemacht, dass man sich in der Verwaltung einig sei: Turnhallen wie in der Flüchtlingskrise 2015/2016 sollen in Brilon nicht belegt werden. Falls Brilon sich gegen eine weitere Zuweisung sperre, könnte aber genau das drohen: „Wenn wir nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, dann heißt es: Ihr habt Turnhallen und ihr habt Schützenhallen. Richtet die her, damit ihr Flüchtlinge unterbringen könnt.“ Die Beschlagnahme einer Turnhalle sei zwar ein sehr tiefer Eingriff. Ausschließen, dass so etwas passiert, wenn Brilon sich - auch aus einer Not heraus - quer stelle, wollte der Bürgermeister nicht.

Die Fraktionen wollen sich nun bis zur Ratssitzung am 22. November beraten. Dann soll entscheiden werden, ob ein Flüchtlingscontainer angeschafft wird.