Brilon. CDU-Chef Friedrich Merz besucht die Caritas Brilon. Caritas-Vorstand Heinz-Georg Eirund spricht mit ihm über soziale Schieflagen und die Folgen.
1200 Hauptamtliche arbeiten beim Caritasverband Brilon. Und sie alle stehen immer wieder vor Herausforderungen im Umgang mit den Problemen und Nöten der rund 5000 Menschen, die ihre Beratung und Pflege in Anspruch nehmen. Um einen Einblick in das Arbeiten und Wirtschaften des Sozialunternehmens zu erhalten, war der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz jetzt zu einem Arbeitsgespräch in Brilon.
Lesen Sie auch: In Brilon laufen Kirchen dramatisch viele Mitglieder davon
Caritas-Vorstand Heinz-Georg Eirund skizzierte die globalen und nationalen Problemfelder, die auch die Arbeit der Caritas im Altkreis Brilon und Waldeck beeinflussen. Die Probleme seien vielfältig und oft miteinander verzahnt: Wirtschaftskrise, Inflation, Fachkräftemangel, Verlust gesellschaftlicher Solidarität, Vertrauenskrise in die katholische Kirche und Politik, steigende Flüchtlingszahlen, steigendes Armutsrisiko, steigende Umfragewerte für die AfD. All das sei ein Nährboden für Angst und Verunsicherung. „Der Entwurf des Bundeshaushaltes, der massiv alle Vorgaben der sozialen Absicherung der Menschen betrifft, fällt in eine Zeit, in der Menschen aus allen sozialen Schichten persönliche existenzielle Sorgen und Ängste haben“, sagte Eirund.
Baumaßnahmen an der Mutter-Kind-Klinik auf Eis
Von Kürzungen betroffen sein werden 64 Dienste und Einrichtungen der Caritas Brilon, heißt es. Genannt werden hier exemplarisch vier. So könnten nötige Baumaßnahmen an der Mutter-Kind-Klinik Talitha in Bad Wildungen nicht umgesetzt werden, da im Familienministerium das Investitionsvolumen für Sanierungen und Modernisierungen von sechs Millionen auf Null Euro zusammengestrichen worden seien.
Mittel für Migrationsberatung zusammengestrichen
Zweites Beispiel: die Migrationsberatung. Sie werde im aktuellen Haushalt noch mit 81,5 Millionen Euro gefördert und soll im nächsten Jahr um 24 Millionen Euro gekürzt werden. 2022 sind 2,7 Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichten nach Deutschland gekommen – darunter allein 1,2 Millionen, die vor dem Angriffskrieg auf die Ukraine flüchten mussten. „Es ist die höchste Zahl seit Beginn der statistischen Aufzeichnung im Jahr 1950“, sagte Vorstand Eirund.
„Krankenhäuser stehen unter massivem Kostendruck
Drittes Beispiel: Krankenhaussozialdienst. „Krankenhäuser stehen unter massivem Kostendruck. Die Kürzungen führen daher auch im Krankenhaus Brilon zu einer Reduzierung der Stunden im Krankenhaussozialdienst“, erklärte Eirund. Die Mitarbeiter im Krankenhaussozialdienst beraten, helfen und begleiten Patienten unter anderem bei der Organisation von Rehabilitationsmaßnahmen im Anschluss des Klinikaufenthaltes oder organisieren für Pflegebedürftige Hilfen für zu Hause.
Zu hohe Mieten für Senioren wegen explodierender Baukosten
Letztes Beispiel: Wohnen im Alter. In Medebach plant die Caritas Brilon in Kooperation mit der Stadt und der Sparkassengenossenschaft ein Quartiersprojekt. Dort sollen sozialer Wohnraum und Dienstleistungen der Gesundheitshilfe im nachbarschaftlichen Duett gebaut werden – darunter auch eine Caritas-Senioren-WG. „Krisenbedingt sind die Baukosten explodiert und die Senioren könnten sich die daran geknüpften Mieten nicht leisten. So liegt das Projekt aktuell auf Eis“, sagte der Caritas-Vorstand.
Lesen Sie auch: Winterberg: Neues Szene-Lokal Rot & Kehlchen in Innenstadt
Lesen Sie auch:Autofahrer zahlen Millionen: HSK verdoppelt Blitzereinnahmen
Um die soziale Infrastruktur – auch und vor allem in einer ländlichen Region – zu halten, stellte Eirund konkrete Forderungen: „Gesetzgeber und Kostenträger wollen auch im Sozialen Trägervielfalt samt Wettbewerb. In vielen Bereichen tragen wir als Anbieter sozialer Dienstleistungen zu hundert Prozent allein das Risiko. Deshalb muss in Zukunft ein angemessener Wagnis- und Risikozuschlag rechtlich verpflichtend eingepreist werden.“
Finanziell von den Kostenträgern anerkannt werden müssten auch die Tarifsteigerungen, die intensivere Personalakquise sowie Bindung und Bildung. Auch seien die Anforderungen in den Bereichen Klimaneutralität und Digitalisierung gestiegen, werden aber bis dato nicht ausreichend in der Refinanzierung berücksichtigt.
CDU-Vorsitzender Friedrich Merz teilte die Aussage, dass die Gesellschaft vor massiven Herausforderungen stehe. „Die CDU bekennt sich ganz klar zu einer Stärkung der Familien. Als die Mittelkürzungen im Bereich der Migrationsberatung bekannt wurden, waren wir als Fraktion sehr verwundert.“ Zum Abschluss des Arbeitsgesprächs drückte Friedrich Merz seine Wertschätzung für das Engagement der Caritas Brilon aus: „Sie sind ein verlässlicher Partner für die Menschen“.