Männer rasieren sich monatelang nicht: Jetzt müssen Bärte ab
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Hallenberg. Schnipp, schnapp Haare und Bärte ab! Für die Passion auf der Freilichtbühne hatten sich die Männer monatelang nicht frisiert - aber jetzt!
Schnipp-schnapp ab! Haare und Bärte sind endlich wieder in Form. Viele Hallenberger Männer können sich wieder unters Volk wagen. Am Sonntagnachmittag ging die letzte von 22 Vorstellungen der „Passion“ über die Bühne. Und danach war Friseurtermin.
Seit Januar kein Friseurbesuch mehr
„Als im Januar feststand, welche Rolle ich spielen würde, habe ich mich nicht mehr rasiert und war auch nicht mehr zum Haareschneiden“, sagt Bühnensprecher Georg Glade. Er spielte den Manasse, ein Mitglied des Hohen Rates, und hatte eine ganz schöne Matte auf dem Kopf sowie ordentlich Gewusel unterm Kinn: „Wenn ich außerhalb der Bühne unterwegs war, haben andere schon mal gefrotzelt und gesagt: Der kann sich den Haarschnitt sehr wohl leisten, aber der spielt bei der Passion mit.“ So wie ihm ging es vielen; wenngleich längst nicht alle Männer ihre Haare und Bärte haltlos wuchern ließen.
Nach der letzten Aufführung am Sonntag holte Friseurmeisterin Mara Kappen dann das große Besteck hervor. Sie spielte selbst beim Volk mit und gemeinsam mit der Bühne war die Idee zum „Passions-Schnitt für den guten Zweck“ geboren. Ein Sparschwein wurde aufgestellt und jeder Spieler spendete für seine neue Frisur. 385 Euro kamen auf diesem Weg zusammen. Freilichtbühne und der Salon von Mara Kappen rundeten den Betrag auf 500 Euro auf. Das Geld kommt der Wiederaufforstung des Stadtwaldes zugute; dafür können 100 junge Eichenbäume gepflanzt werden.
Vorher war es für Mara Kappen und ihre beiden Kolleginnen Mareike Reichl und Natascha Stöber aber auch mitunter Schwerstarbeit. „Wir mussten uns beim Haupthaar und auch bei den Bärten nach und nach auf eine annehmbare Länge vortasten. Und zwischendurch brauchten die Schneidemaschinchen auch immer wieder mal einen Tropfen Öl, damit sie nicht heiß liefen“, sagt Mara Kappen. Manche seien froh gewesen, dass endlich wieder Luft ans Gesicht komme. Die Familie eines Mitspielers hatte Mara Kappen zu Seite genommen und gesagt: „Mach ihm bloß den Bart ordentlich kurz. Der zwirbelt den ganzen Tag mit seinen Fingern in den Flusen herum. Das macht uns wahnsinnig.“ Gesagt, getan, aber das Zwirbeln soll geblieben sein - auch ohne Bart.
Maras Mann Markus spielte den Petrus und hatte zu seinem biblischen Vorbild offenbar einen sehr guten Draht. Denn es gab nicht eine einzige verregnete Vorstellung. „Ihm haben wir den Bart ordentlich gestutzt. Jetzt ist es ihm zu kurz. Er hat gesagt, ihm fehle da was.“
Beeindruckend- Freilichtbühne Hallenberg spielt die Passion
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Mit knapp 20.000 Zuschauerinnen und Zuschauern fällt die Bilanz dann doch noch durchaus positiv aus. Das sind immerhin rund 880 Besucher pro Aufführung. Und die, die die eindrucksvolle und mitunter sehr ergreifende Inszenierung gesehen haben, sparten nicht mit Lob und Anerkennung - vor allem auch für Jesus-Darsteller Philipp Mause. Der ist ebenfalls froh, dass wieder etwas Sonne ans Gesicht kommt. „Heute war ich nach dem Wochenende den ersten Tag wieder arbeiten und habe mich bei den Kolleginnen und Kollgen vorgestellt: Ich bin der Neue, der Jüngere.“ Volles Haar und Bart verändern ein Gesicht doch sehr.
Haare und Bärte sind ab - Freilichtbühne beendet die Passion
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Äußerlich hat damit für den jungen Mann wieder der Alltag begonnen. „Aber im Kopf habe ich mit der Rolle und der gesamten Inszenierung noch keinen Abschluss gefunden. Das wirkt noch sehr nach. Man steckt schließlich jede Menge Herzblut hinein.“ Im nächsten Jahr spielt er auf jeden Fall wieder mit. „Welche Rolle das sein wird, das ist noch völlig offen.“ Aber wie für alle anderen Akteure vor und hinter der Bühne steht für den 32-Jährigen auch die gute Gemeinschaft im Vordergrund. Und daher musste am Sonntag nach dem Schluss-Applaus jeder ein Tränchen verdrücken.
Sonst gibt es zwei Ensembles: eins fürs Familien - und eins fürs Erwachsenenstück. In so einer großen Runde von 180 Menschen, die gemeinsam so ein imposantes Bühnenwerk zustande bringen, treffen sich die Hallenberger selten. Insofern ist das Passions-Finale für alle besonders emotional.
Apropos Treffen: Mit Spielschluss treffen sich die jungen Burschen der Bühne - egal ob Spieler oder Techniker - jetzt auch wieder alle fünf Wochen abends zum gemeinsamen Friseurtermin bei Mara Kappen. „Die bringen sich dann eine Kiste Bier mit und dann werden sie der Reihe nach frisiert“. Bis zur nächsten Passion 2030...
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