Scharfenberg/Bochum. Architekt Heinz Pack aus Brilon hat das Theater für das Musical „Starlight Express“ geplant. Er erzählt, wie das Projekt in London zustande kam:
„Ohne ihn würde es den Starlight Express in Bochum nicht geben.“ Dieser Titel stand vor einigen Jahren in einer Zeitung. Und Heinz Pack hat sich damals sehr darüber geärgert. „Völlig übertrieben! Erfunden! Das würde ich doch niemals sagen oder denken!“ Wer heute mit dem 84-jährigen Architekten aus Brilon-Scharfenberg ins Gespräch kommt, der merkt schnell, dass er mit einem waschechten Sauerländer am Tisch sitzt.
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Große Töne und Angeberei sind nicht seine Welt, dafür Bodenständigkeit, Augenmaß, Bescheidenheit und Verlässlichkeit. Dennoch: Wenn das Musical in diesem Jahr sein 35-jähriges Bestehen feiert und auf sage und schreibe 18 Millionen Besucherinnen und Besucher stolz sein darf, dann hat Heinz Pack zumindest einen Anteil an diesem Erfolg. Denn er hat die Spielstätte, die damals 28 Millionen Mark kostete, in Rekordzeit geplant.
Andrew Lloyd Webber in London getroffen
Wie es dazu kam? 1983: Eines Abends sitzt Heinz Pack mit dem befreundeten Generalunternehmer Ferdi Probst aus Oelde zusammen. Beide haben schon viele Vorhaben gemeinsam realisiert: Die NRW-Landeskriminalschule in Neuss, mehrere Kreispolizeibehörden, aber auch Kirchen, Finanzämter und Augenkliniken. Jedenfalls kennt Ferdi Probst den Musical-Produzenten Fritz Kurtz, der damals in Hamburg ,Cats‘ macht und Unterstützung braucht: Kurtz will das Rollschuh-Musical ,Starlight Express‘ von England nach Deutschland holen und sucht dafür ein passendes Grundstück für einen Neubau oder eine ältere Halle, die man umbauen könnte.
Heinz Pack: „Bochum war sehr interessiert. Ich bekam den Auftrag, mir dort drei Grundstücke anzuschauen, die die Stadt vorgeschlagen hatte. Man sagte mir: Entscheiden Sie, wo wir am besten bauen können. Ich war überrascht, dass man mir derart freie Hand ließ.“
Freie Hand bei der Standortwahl
In Bochum-Werne, Querenburg und Mitte befinden sich die potenziellen Flächen. Aber für Heinz Pack ist schnell klar, dass der Standort unmittelbar an der Autobahn nahezu optimal ist. „Da gab es bereits mehrere Sportstätten, eine gute Verkehrsanbindung und andere Infrastruktur. Ich war baff über so ein tolles Grundstück. Allerdings mussten dort viele Parkplätze an einem Sportplatz weichen. Die Stadt sagte: ,Kein Problem, dann bauen wir dort auch gleich ein Parkhaus hin.‘“
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Wenige Tage später sitzen Probst, Kurtz, Vertreter der Stadt Bochum und der Briloner Architekt im Flieger nach London. Sie logieren im Piccadilly-Hotel und sehen sich abends Musicals an. „Die Theater für Starlight und auch für Cats waren relativ klein. Alte Häuser mit wenig Rampen und Notausgängen. Bei uns wäre aus Brandschutz-Gründen ein Spielbetrieb gar nicht genehmigt worden“, hat Heinz Pack vornehmlich einen Blick für die Gebäude. Die Delegation trifft dort u.a. den Komponisten Sir Andrew Lloyd Webber und den Star-Designer John Napier, der auch am Broadway die ganz großen Produktionen als Bühnen- und Kostümbildner künstlerisch gestaltet. Man beschnuppert sich. „Der war schon toll, der Junge. Wir haben uns zwei Tage lang in seinem Atelier unterhalten und er hat mir seine Vorstellungen und seine Art zur arbeiten erklärt. Das war wirklich sehr interessant. Nach und nach haben wir uns gut verstanden.“
Mit vielen Eindrücken und Ideen kommt Heinz Pack zurück ins Sauerland. Würde es sich wirklich lohnen, eigens für ein Musical eine komplett neue Spielstätte für mehr als 2000 Menschen zu bauen? So etwas wäre das erste Mal in Deutschland. Und was passiert, wenn die Zuschauerzahlen eines Tages nachlassen? „Es gab Untersuchungen, Gutachten und Machbarkeitsstudien. Das Land hatte Mittel in Aussicht gestellt und man wollte daher auf Nummer Sicher gehen. Wir mussten das Gebäude so planen, dass es nach der Musical-Zeit anderweitig nutzbar sein würde. Man ging davon aus, dass der Starlight Express vielleicht maximal drei Jahre laufen würde. Daher war auch nie von Musical-Halle die Rede. Offiziell hieß das Projekt ,Veranstaltungs- und Kongresszentrum‘. Und wir haben es in der Tat so geplant, dass es auch für Tagungen oder einzelne Konzerte nutzbar sein würde. Bis zur Genehmigung trug der Generalunternehmer das volle Risiko. Mit Erteilung der Baugenehmigung wurde die Stadt Bochum dann Bauherrin.“
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Ein Mann, der beharrlich seinen Weg geht
Heinz Pack bringt viele Dinge mit, die ein erfolgreicher Architekt braucht: Er kann sich in die Vorstellungswelt anderer hineinversetzen und deren Ideen Gestalt geben. Er hat sich vom Maurer und Betonbauer über Abendschule und Studium durch das gesamte Bauwesen nach oben gearbeitet. In großen Städten wie Düsseldorf muss er sich durchbeißen, muss als junger Mann vom Land viele Vorurteile erdulden. Aber er gibt nie auf. Er weiß, was machbar und was Phantasterei ist. Und er ist zielstrebig, ehrlich und ehrgeizig. Das hilft auch beim Starlight-Projekt.
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Drucker für die großen Pläne gekauft
Immer wieder müssen die Pläne manchmal nur in Nuancen nachgebessert werden. Die Zeichnungen und Schnitte für den Starlight-Express – pardon für das Veranstaltungs- und Kongresszentrum – werden noch mit dem Zeichengerät erstellt. „Mit dem PC habe ich nie gearbeitet. Ich hatte gar keine Zeit, mich damit zu beschäftigen. Die Gebäude und ihre Struktur, die hatte ich im Kopf.“ Die Pläne für Bochum sind so groß, dass die alten Drucker sie gar nicht bewältigen können und neue Geräte gekauft werden müssen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Willi Mengeringhausen wird alles bis ins Detail geplant: 55 Meter Stahlbinder für Beleuchtung und Beschallung, Stahlbeton für Stützen und Tribünen, Frischluftdüsen unter jedem der 1800 Sitzplätze, Notausgänge, jede Menge Toiletten, Treppen, insgesamt 8436 Quadratmeter Nutzfläche. In nur 14 Monaten wird das Theater errichtet – die kurze Bauzeit führt zu einem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Parallel dazu arbeitet Heinz Pack an den Plänen für die Landeskriminalschule in Neuss – mit 50 Millionen Mark seinerzeit eines der größten Bauprojekte des Landes.
Das Musical hat er zweimal gesehen
Heinz Pack hat viele Gebäude in seinem Leben geplant. Wie viele, das kann er nicht beziffern. Die Starlight-Halle ist nur eine davon. Das Musical hat er zweimal gesehen. Er erinnert sich noch, dass die Eröffnung um drei Wochen verschoben wurde und Gäste ausgeladen werden mussten, weil die Bühnentechnik aus München noch nicht fertig war. Nicht seine Baustelle. Am 12. Juni 1988 ist dann endlich die Premiere im eigens erbauten Starlight-Express-Theater in Bochum. Dort hält es den Rekord für die längste Spielzeit eines Musicals an einem Ort. Von wegen drei Jahre! Heute, verrät Heinz Pack, würde die Bausumme von 28 Millionen Mark wohl doppelt so hoch ausfallen – in Euro versteht sich.